უცხოეთი - Frankreichs Umweltminister Nicolas Hulot ist enttäuscht zurückgetreten

Minister ohne Wirkung

Enttäuscht ist der französische Umweltminister Nicolas Hulot zurückgetreten.

»Wenn der Finger auf den Mond zeigt, dann schaut der Affe auf den Finger.« Dieses chinesische Sprichtwort war während des französischen Mai 1968 in maoistischen Kreisen schwer in Mode und bedeutet ungefähr: Weist jemand in kritischer Absicht auf gesellschaftliche Missstände hin, dann achten die Dummen zuerst auf die Eigenschaften des Kritikers. Intelligente Menschen dagegen beschäftigen sich vorrangig mit dem Inhalt der Kritik.

Gleich dem Affen scheint ein Teil des französischen Establishments auf den Rücktritt des Umweltministers ­Nicolas Hulot zu reagieren. Regierungssprecher Benjamin Griveaux beschwerte sich über dessen »Mangel an Höflichkeit«, weil Hulot seine Vor­gesetzten, Staatspräsident Emmanuel Macron und Premierminister Édouard Philippe, nicht vorab von seinen Rücktrittsplänen in Kenntnis gesetzt hatte. Hulot hatte seinen Abgang ­relativ überraschend am Dienstagvormittag vergangener ­Woche in einer ­Radiosendung beim Sender France ­Inter verkündet.

Nachdem die Nachricht einmal ­bekannt geworden war, versuchten Macron und seine Berater, Hulots ­Kritik zu entkräften. Dieser sah als ­Regierungsmitglied keine Chance, ­notwendige Rettungsmaßnahmen für die Umwelt und das Klima durchzu­setzen. Hulot könne »stolz auf seine Bilanz« und das in 15 Monaten Regierungstätigkeit Erreichte sein, lautete ein Kommuniqué aus dem Élysée-­Palast, also von dort, wo Hulot verbittert seinen mangelnden Einfluss konstatiert hatte.

Am Dienstag wurde sein Nachfolger nominiert: der bisherige Parlamentspräsident François de Rugy, bis 2016 Mitglied der Grünen von deren rechten Flügel, der sich danach Macron anschloss. Zuvor war am Montag Macrons PR-Plan gescheitert, den bekannten deutsch-französischen Grünen-Politiker und früheren Europaparlamentarier Daniel Cohn-Bendit als Nachfolger Hulots zu nominieren. Cohn-Bendit lehnte eine Ernennung ab.

15 Monate lang hatte Hulot – als ­einer der famosen »Minister aus der Zivil­gesellschaft«, deren Ernennung Emmanuel Macron sich als Signal politischer Erneuerung auf die Fahnen: ­geschrieben hatte – eine Kröte nach der anderen ­geschluckt. Der unmittelbare Anlass für seinen Rücktritt war der Empfang für den führenden ­Vertreter der – bei Wahlen einflussreichen – Jägerlobby, Thierry Coste, bei Präsident Macron am Montag voriger Woche. Nach dem Empfang gab ­Macron bekannt, er werde den Preis von Jagdlizenzen von 400 auf 200 Euro senken.

Das war jedoch nur der jüngste Konflikt Hulots mit anderen Regierungsmitgliedern. Einen von ihm selbst initiierten Agrarkongress im Dezember boykottierte er letztlich. Landwirtschaftsminister Stéphane Travert hatte zuvor der Pestizid-, Nitrat- und Intensivzuchtlobby nachgegeben und Hulots An­liegen keinen Platz gelassen. Die in der Folgezeit auf den Weg gebrachte ­Neu­fassung des Verbraucher- und Tierschutzgesetzes, die im Juni in erster ­Lesung verabschiedet wurde, übernahm nicht die von Hulot vorgeschlagenen minimalen Tierschutzbestimmungen wie das Verbot der Legebatteriehaltung von Hühnern und des Schredderns männlicher Küken.

Schlimmer noch: Bereits im Juli 2017 musste Hulot auf das Verbot der Verarbeitung von Palmöl verzichten. Dessen Herstellung in Monokulturen in Ländern wie Indonesien und Malaysia ist höchst umweltzerstörerisch. Frankreich will das Verbot nicht auf EU-Ebene unterstützen, obwohl das Europäische Parlament sich mit großer Mehrheit für ein solches Verbot ab 2021 ausgesprochen hat. Vor wenigen Wochen brach ein heftiger Konflikt mit Umweltinitativen aus, weil der Ölkonzern Total in seiner südfranzösischen Raffinerie La Mède Palmöl zu Kraftstoff verarbeiten will.

Verloren hat Hulot auch bei dem bereits unter Präsident François Hollande beschlossenen Vorhaben, den Anteil von Atomstrom in Frankreich bis zum Jahr 2025 auf 50 Prozent statt derzeit 75 zu begrenzen. Es wurde im vorigen November aufgegeben. Am Donnerstag vergangener Woche wurde ein Regierungsbericht zur Nuklearpolitik veröffentlicht, den Nicolas Hulot zusammen mit Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in Auftrag gegeben hatte. Er enthält das irrwitzige Ziel, ab 2025 mindestens sechs neue Atomreaktoren vom Typus EPR zu bauen – obwohl der Betreiber Electricité de France (EDF) derzeit mit der Errichtung eines einzigen Reaktors dieser »neuen Generation« überfordert scheint: Für die Baustelle im normannischen Flamanville wurde die ­ursprünglich für 2012 geplante Inbetriebnahme kürzlich erneut verschoben, diesmal auf 2020, aufgrund zahlreicher Konstruktionsfehler und Sicherheitsmängel. Der Börsenkurs von EDF-Aktien stieg indessen – wegen Hulots Rücktritt.