Die EU betrachtet die ökonomische Expansion Chinas mit Sorge

Autos für die Welt, aber die Technologie bleibt hier

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Auch der Europäische Rat will noch dieses Jahr neue Regeln für Investitionsprüfungen erlassen. In Frankreich, Italien und Großbritannien sollen dieses Jahr ebenfalls entsprechende Verordnungen in Kraft treten. Einig ist man sich in der EU allerdings nicht, viele wirtschaftlich schwächere Staaten wollen ungern auf chinesisches Kapital verzichten. Im Zuge der »Belt and Road Initiative«, zu der das Projekt »Neue Seidenstraße« zählt, finanziert China auch in Süd- und Osteuropa milliardenschwere Infrastrukturprojekte. Länder wie Polen, Ungarn und insbesondere Griechenland wollen davon profitieren. Auch hier lassen sich ökonomische und geopolitische Bedenken schwer trennen. In der »16+1-Gruppe« trifft sich China regelmäßig mit elf osteuropäischen EU-Mitgliedern sowie fünf Ländern des Westbalkan, die Partner bei der »Belt and Road Initiative« sind. Johannes Hahn, der EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, sagte kürzlich in einem Interview, der Einfluss Chinas in der Balkan-Region sei für die EU bedrohlicher als der Russlands.

»Gemeinsam für freien Welthandel« tritt man mit China allenfalls gegen Trumps Protektionismus an. Doch der Handelsstreit zwischen der EU und den USA wurde beim Besuch des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker in Washington vorläufig beigelegt – und es zeichnet sich ab, dass die USA und Westeuropa in Hinblick auf China sehr ähnliche Anliegen haben. Auch die USA haben vorige Woche ihre Regeln für Investitionen aus dem Ausland deutlich verschärft. Dass China »unsere Arbeitsplätze« und »unsere Technologien« stehle, war immer ein zentraler Bestandteil von Trumps Rhetorik. Sowohl der linke Flügel der Demokraten um Bernie Sanders als auch die Moderaten der Partei, die Gewerkschaften sowie das Wall Street Journal wollen die US-Wirtschaft ebenfalls vor den »unfairen Praktiken« Chinas schützen.

Chinas Wirtschaft ist staatlich gelenkt, protektionistisch geschützt und besorgt sich gelegentlich auch illegal Technologien – doch solcher »unfairer Praktiken« haben sich aufsteigende Industrienationen immer wieder bedient. Die USA eigneten sich im 19. Jahrhundert illegal britische Technologien an und schützten ihre Firmen vor ausländischer Konkurrenz. Südkorea lenkte von den sechziger bis zu den achtziger Jahren die Privatwirtschaft, um zur Exportnation zu werden. Freiwillig verzichtet ein Staat regelmäßig erst dann auf Schutzzölle, wenn seine Wirtschaft die nötige Produktivität und Kapitalisierung erreicht hat. Der Handelsbeauftragte der US-Regierung, Robert Lighthizer, begründete im Juni im Wirtschaftssender Fox News Business die Zollerhöhungen für chinesische Produkte mit der Notwendigkeit, »die strukturellen Barrieren in China zu beseitigen und das Land zu öffnen«. Die EU verfolgt ähnliche Ziele. Sie fordert »Reziprozität« – europäische Firmen sollen in China so frei agieren können wie chinesische in der EU.

Viele Branchen in China sind für ausländische Unternehmen weitgehend geschlossen, in den meisten anderen dürfen sie nur in Joint Ventures gemeinsam mit einem chinesischen Partner produzieren. So sorgt China für den Technologietransfer – darauf stellen sich auch westliche, nicht zuletzt deutsche Konzerne ein. Siemens bildet mit dem chinesischen Internetunternehmen Alibaba ein Joint Venture für das »Internet der Dinge«, BMW will bald gemeinsam mit einem chinesischen Konzern Elektroautos in China produzieren.
Bei den Investitionsregeln reagiert China auf den Druck und macht Zugeständnisse. Immer mehr Branchen werden für ausländische Investoren geöffnet, ab 2022 soll der Zwang zu Joint Ventures in der Automobilindustrie entfallen. Das Ziel, technologisch an die Weltspitze aufzusteigen, wird China jedoch nicht aufgeben. Die Regierung hat kaum eine andere Wahl, denn vor allem der wachsende Wohlstand sorgt für politische Stabilität. Die Billiglohnindustrie zieht schon weiter, China ist nun selbst in der Lage, etwa mittels der »Belt and Road Initiative« andere Staaten von sich abhängig zu machen. Gründe für Kritik an der chinesischen Innen- und Außenpolitik gibt es mehr als genug, die westliche China-Politik mit ihrer oft ressentimentgeladenen Rhetorik dient jedoch vor allem der Abwehr eines Konkurrenten, der auf Gebiete vordringt, die man als angestammtes Monopol beansprucht.