Deutsche Städte wollen Flüchtlinge in Not aufnehmen

Seebrücken am Rhein

Seite 2

Ob die Städte aus Seenot gerettete Flüchtlinge auch nur zur Prüfung eines Asylantrags aufnehmen dürfen, hängt letzlich von der Bundesregierung ab. Städte können sich dem Bund gegenüber als Aufnahmeorte empfehlen. Über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden können sie nicht. Für Bernd Mesovic, den Leiter der Abteilung Rechtspolitik von Pro Asyl, handelt es sich bei der Initiative der Städte trotzdem nicht um eine PR-Aktion. »Im Moment würde wohl niemand mit Flüchtlingen PR machen wollen, der nicht einen gewissen Mut hat und die Bereitschaft, die Menschen im Zweifelsfall auch aufzunehmen.« Birgit Naujoks, die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats Nordrhein-Westfalen, sieht das ähnlich. Weil die Städte nicht darüber entscheiden dürften, ob und wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen, handele es sich bei ihrer Initiative zwar auch um Symbolpolitik. Diese könne in der Öffentlichkeit aber ein gutes Signal setzen und gegebenenfalls konkrete finanzielle ­Folgen haben. »Wenn es tatsächlich zu Aufnahmeaktionen kommt, müssen die Städte zusätzliche Schul- und Kitaplätze schaffen sowie Sprach- und ­Bildungsangebote machen.« Alina Krobok von der zivilen Rettungsorganisa­tion Sea Watch sagt, dass die Städte mit ihrem Angebot eine besondere Verantwortung eingegangen seien. »Wir erwarten nach dieser erfreulichen Ankündigung, dass mindestens dieses Angebot beibehalten wird und Leute aufgenommen werden, wenn es so weit ist«, sagte Krobok der Jungle World.

Für die privaten Rettungsorganisationen verbindet sich mit der Initiative der Städte auch die Hoffnung, dass ihre Rettungsaktionen bald entkriminalisiert werden könnten. Claus-Peter ­Reisch, der Kapitän des zivilen Rettungsschiffs »Life­line«, steht derzeit auf Malta vor Gericht. Die Staats­anwaltschaft wirft ihm vor, sich behördlichen Anweisungen widersetzt und gegen internationales Recht verstoßen zu haben. Die »Lifeline« hatte im Juni vor der libyschen Küste 234 Flüchtlinge gerettet. Danach war sie tagelang über das Mittelmeer ­geirrt, weil Italien und zunächst auch Malta ihr das Anlegen verweigerten. Letztlich durfte das Schiff doch noch in Malta anlegen, wurde aber von den dortigen Behörden beschlagnahmt. Die »Iuventa«, das Rettungsschiff des zivilen Rettungsorganisation »Jugend rettet«, haben italienische Behörden ­bereits vor knapp einem Jahr konfisziert. Derzeit ermittelt die italienische

Staatsanwaltschaft gegen einzelne ­Besatzungsmitglieder des Schiffs. Ihnen wird die Unterstützung illegaler Migration vorgeworfen. Julian Pahlke, Sprecher von Jugend rettet e. V., sagte der Jungle World: »Die Solidaritätsbekundung der drei Städte fügt sich in ein größeres Bild ein. Sie steht für eine Tendenz in der Zivilgesellschaft, sich nicht mehr damit abzufinden, dass zivile Rettungsaktionen zunehmend ­kriminalisiert werden und man die Menschen, die das Mittelmeer zu ­überqueren versuchen, bewusst ertrinken lässt.«

Bereits Anfang Juli demonstrierten Tausende Menschen in mehreren deutschen Städten mit Slogans wie »Seebrücke statt Seehofer« für Solidarität mit Seenotrettern und sichere Flucht­wege. In Berlin gingen nach Angaben des Bündnisses Seebrücke, das die ­Proteste organisiert hatte, über 12 000 Menschen auf die Straße, die Polizei sprach von einigen Tausend. Aus einer Umfrage, des Meinungsforschungs­instituts Emnid vom vergangenen Monat im Auftrag der Bild-Zeitung, geht zwar hervor, dass eine Mehrheit von 42 Prozent der Befragten der Meinung ist, dass Deutschland weniger Flüchtlinge aufnehmen solle. Eine deutliche Mehrheit von 75 Prozent sprach sich aber für Rettungseinsätze privater Organisationen im Mittelmeer aus. Das ­beinahe tägliche Sterben auf dem Mittelmeer lässt die meisten Menschen ­anscheinend noch immer nicht kalt.