In Bremen werden Arbeiten der Fotokünstlerin Cindy Sherman gezeigt

Herrin über ihr eigenes Bild

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Altern bleibt, auch angesichts des Alterns der Künstlerin, ein Thema. Aber es scheint fast so, als hätte Sherman ihre einst bei dem Thema ­empfundene bittere Wut hinter sich gelassen, als hätte sie sich ausgesöhnt. Ihre jüngsten Arbeiten von 2016 zeigen in die Jahre gekommene Hollywood-Diven im Stil der sech­ziger Jahre. Die Prothesen sind weg, unter der durchsichtigen Haut der Hände zeigen sich blaue Adern. Auch sie ­haben ihre Jugendlichkeit verloren, auch sie versuchen immer noch dem Schönheitsideal zu entsprechen und auch sie legen keinen Wert auf Authentizität und schminken weg, was wegzuschminken ist. Aber – und hier zeigt sich die neue Zärtlichkeit, mit denen diese Figuren entwickelt wurden – ist es für den Zuschauer nicht notwendig oder gewollt, sich von ihnen abzuwenden oder abzugrenzen: es sind stolze Damen, sich ihrer selbst bewusst und ja, sie sind schön.

Cindy Sherman, die immer darauf beharrte, nicht sich selbst zu zeigen, sondern nur ihren Körper als Werkzeug zu nutzen, liegt nun, wie auf ­einem Instagram-Bild zu sehen, in ­einem Krankenhausbett, ein Schlauch in ihrer Nase, Elektroden auf ihrer Brust.

Vor ziemlich genau einem Jahr überschlugen sich die Feuilletons: Cindy Sherman auf Instagram! 600 neue Bilder! Was für eine Überraschung! Es ist eine etwas absonderliche Mischung aus privaten Aufnahmen ihrer Urlaube, Museums­besuche, Abendessen und etwas, das man Arbeitsskizzen nennen könnte. Cindy Sherman, die immer darauf beharrte, nicht sich selbst zu zeigen, sondern nur ihren Körper als Werkzeug zu nutzen, liegt nun, wie auf ­einem Instagram-Bild zu sehen, in ­einem Krankenhausbett, ein Schlauch in ihrer Nase, Elektroden auf ihrer Brust. Das ist sie, in einem realen Moment ihres Lebens, aber es ist auch eben nicht sie, denn ihr Gesicht ist durch den Gebrauch von Apps und Filtern entstellt. Gegen Entstellung als subversive Methode der Abgrenzung wäre nichts zu sagen. Aber hier wird nichts unterlaufen. Über das Genre wird hinweggetrampelt. Der Begriff des Selfie ist seit seinem Aufkommen in fast jedem medienwissenschaftlichen Text mit Sherman verknüpft worden. Und auch ohne Sherman hat das Medium längst für seine eigene Ironisierung gesorgt. Man hätte sich gewünscht, dass die Pionierin etwas Neues zu erzählen hätte, stattdessen wirken Shermans liederliche Skizzen wie ein mütter­licher, pädagogischer Appell zu mehr Natürlichkeit.

Selbstredend sind aber auch die »Töchter« nicht originell: Shermans Bilder nachzustellen, scheint eine Art Sport unter kunstaffinen Mittzwanzigerinnen zu sein. Besonders »Untitled Film Still #3« hat es den Userinnen angetan, ein Foto, auf dem Sherman vor einer Spüle posiert. Die Neigung, dieses Bild nachzustellen, mag daher rühren, dass alles andere zu aufwendig wäre: Eine ­Küche mit Abwasch hat hingegen jeder. Im Original steht vor jenem ­Abwasch eine junge Frau mit Pagenkopf, eine Schürze umgebunden, ihr Körper zur Seite gedreht, eine Hand liegt auf ihrem Bauch, die andere stützt sich auf der Küchenzeile ab, der Kopf dreht sich über die Schulter weg und der Blick geht an der ­Kamera vorbei, hin zu irgendetwas rechts außerhalb des Bildes. Die Frauen, die dieses Bild in Scharen kopieren, scheinen an der Intimität des Raumes interessiert zu sein, an den Details wie der Flasche mit dem Spülmittel. Doch im Vorbild ist diese Intimität gebrochen. Die Frau, die da steht und schaut, wartet, erwartet etwas. Es wird nicht klar, was da außerhalb des Bildes ist, in ihrem Blick könnte antizipiertes Begehren, aber auch Furcht liegen. Das eigene Heim als eines, das kein sicherer Zufluchtsort ist, eines, in dem man seinen Bauch schützen muss. Oder halt eines, in dem Passanten nicht glotzen, wenn man den Selbstauslöser sucht.

Woher kommt dieser Wunsch, die Identitätsspielerin nachzuspielen? Es einfach auf etwas wie kindliche Freude an der Verkleidung zu reduzieren, griffe zu kurz. Natürlich geht es um Identifikation mit Sherman als Künstlerin, dass dafür die relativ natürlichen »Film Stills« ausgewählt werden, ist kein Zufall. Es scheint sich aber ebenso um eine neoliberale Lesart Shermans zu handeln. Nachgestellt wird von den jungen Fans der Traum, dass man sich immer wieder neu ­erfinden könne. Dass man nicht durch die Umwelt geworden ist, was man ist, und damit umgehen lernen muss, sondern dass man durch reine Willenskraft, eine innere Regie­anweisung, alles wieder wegwischen und immer wieder etwas Neues sein kann: zum Beispiel auch endlich Herrin im eigenen Haus.