Der Streit über die russische Gaspipeline »Nord Stream 2« wird heftiger

Pipeline ohne Polen

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Unterstützung erhalten die Osteuropäer von den USA, die das russische Pipelineprojekt ebenfalls mehr als skeptisch sehen. »Deutschland pumpt ­Milliarden nach Russland«, hatte US-Präsident Donald Trump Anfang April bei einem Treffen mit den Staatschefs der drei baltischen Länder in Washington kritisiert. Das Projekt bedrohe die Stabilität und Sicherheit Europas. Eine Kritik, die Trump beim USA-Besuch von Merkel Ende vergangener Woche wiederholte. Polen hatte die US-Regierung bereits aufgefordert, Firmen, die sich am Bau der Pipeline beteiligen, zu sanktionieren.

Die US-Regierung verfolgt mit ihrer Kritik jedoch nicht nur politische Interessen, sondern auch wirtschaftliche Ziele. Als einer der weltweit größten Produzenten von Flüssiggas suchen die USA selbst Zugang zum europäischen Markt und finden nun in Osteuropa dankbare Abnehmer. Im litauischen Hafen Klaipėda steht seit 2014 eine ­riesige schwimmende Umschlagstation für Flüssiggas. »Independence«, so der Name der Station, deckt bereits rund die Hälfe des litauischen Bedarfs ab. Im polnischen Ostseehafen Świnoujście wurde vergangenes Jahr ein Terminal fertiggestellt, über den nun Flüssiggas aus den USA importiert wird.

Weil auch westliche EU-Mitgliedsstaaten wie Frankreich das Projekt in Frage stellen, gerät die Bundesregierung immer mehr unter Druck. Kein Wunder also, dass der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft nervös ­reagiert. Dessen Sprecher verteidigte vergangene Woche das Vorhaben und verwies auf die über vier Milliarden Euro, die die beteiligten Firmen dafür investiert hätten.
Ähnlich argumentiert der ehemalige Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, der den Ausschuss für Wirtschaft und Energie im Bundestag leitet. Seiner Ansicht nach werde der Konflikt um Nord Stream 2 von den USA absichtlich angeheizt, um die Konkurrenz aus dem Gasmarkt zu verdrängen. Russisches ­Erdgas hingegen sei günstiger und umweltfreundlicher. Auch die AfD hatte vergangene Woche eine Garantie von der Bundesregierung für den Bau der Pipeline verlangt.

Um das Vorhaben zu retten, versucht die Bundes­regierung nun, allen Seiten entgegenzukommen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, die Bundesregierung plane weiterhin fest mit Nord Stream 2. Zugleich versprach er aber in der Bild-Zeitung, dass die Bundesregierung »ganz sicher auch die Interessen der Ukraine berücksichtigen« werde. Außerdem sollten Deutschland und Europa eine Infrastruktur von Flüssiggasterminals schaffen, »um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden«. Bei der Pipeline handele es sich eben um »ein privates Projekt in ­einem hochpolitischen Kontext«. Zumindest bei dieser Aussage werden ihm wohl alle Beteiligten zustimmen.