Gefängnisimame sollten bundesweit überprüft werden

Besser beten

Etwa 110 Imame betätigen sich derzeit bundesweit in deutschen Gefängnissen als muslimische Seelsorger. Bis vor kurzem waren es deutlich mehr, doch seit der Einführung von Sicherheitsüber­prüfungen hat ihre Zahl deutlich abgenommen.
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Im Gegensatz zur langen Tradition christlicher Seelsorge in deutschen Gefängnissen gibt es Vergleichbares für muslimische Gefangene bislang nur in Ausnahmefällen. Doch seit die Zahl muslimischer Inhaftierter steigt, arbeiten vermehrt ehrenamtliche muslimische Seelsorger in Justizvollzugsanstalten. Eine bundesweit einheitliche Regelung für diese Arbeit gibt es bislang nicht. Die Justizministerien der Länder regeln den Einsatz der Imame recht unterschiedlich. Die deutsche Islamkonferenz empfahl schon im November 2016, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, »welche Qualitätsstandards an die muslimische Gefängnisseelsorge und an die Qualifikation der Seelsorger« angelegt werden müssten.

Weder die Innenministerkonferenz noch das Bundesjustizministerium ­haben sich jedoch seither mit dem Thema beschäftigt, wie eine Anfrage der Jungle World ergab.
Ehrenamtliche Gefängnisimame sollen Ansprechpartner für muslimische Gefangene sein, die Freitagsgebete leiten und, so der Pressesprecher des nord­rheinwestfälischen Justizministeriums, Peter Marchlewski, auch zur Deradika­lisierung beitragen. »Wir ­wollen die Häftlinge nicht im Hinterzimmer irgendeinem Vorbeter überlassen«, sagt er der Jungle World. »Die Imame sollen eine Unterstützung bei der Resozialisierung und Deradikalisierung sein.«

Doch gerade diese Sicht hält die ­Expertin für islamischen Fundamentalismus Sigrid Herrmann-Marschall für problematisch. Im Gespräch mit der Jungle World betont sie, dass die Imame diesem Anspruch nur schwer gerecht werden könnten: »Schließlich sollen sie ein Vertrauensverhältnis mit den Häftlingen aufbauen. Wenn sie dann für den Verfassungsschutz Informationen sammeln, bringt sie das in einen Rollenkonflikt.« Dennoch ist auch sie der Meinung, dass Vorbeter für die Freitagsgebete gestellt werden sollten, um zu verhindern, dass inhaftierte Salafisten diese Rolle übernehmen.

In Hessen hat das Justizministerium bereits einen Gefängnisimam sus­pendiert, der der Muslimbruderschaft nahestand. Bei dem Imam, der bis 2016 in zwei Gefängnissen aktiv war, handelt es sich um den Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Abdassamad El Yazidi. »Seine Ehefrau betreute in Hessen ­übrigens inhaftierte Frauen seelsorgerisch«, ergänzt Herrmann-Marschall.

Auch in anderen Bundesländern gab es Probleme bei Versuchen, die Arbeit von Imamen in Gefängnissen zu institutionalsieren. Baden-Württemberg nahm Anfang Februar 2018 drei islamische Seelsorger aus dem Landesprogramm. Als Grund nennt das Justizministerium »Hinweise auf Kontakte zu Institutionen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden«. Hierbei handele es sich vor allem um die islamistische Bewegung Millî Görüş. In Berlin stellte die Justizverwaltung 2013 die Zusammenarbeit mit dem Trägerverein »Arbeitsgemeinschaft muslimische Gefängnisseelsorge« ein. Einzelne Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft waren zuvor von den Sicherheitsbehörden als »problematisch« eingeschätzt worden. Seit Mai 2017 werden erneut muslimische Seelsorger vom Senat in Rechtsfragen ausgebildet und vom Verfassungsschutz überprüft. »Ein Seelsorgeangebot kann womöglich verhindern, dass gerade junge Leute auf religiöse Scharlatane mit einfachen Lösungen hereinfallen«, sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Die Grünen) dem Tagesspiegel.

Die 2016 beschlossenen Überprüfungen haben nun in Nordrhein-Westfalen zu einem drastischen Rückgang der Zahl der Gefängnisimame geführt. Dort sind derzeit noch 25 Imame in den Gefängnissen aktiv, vor drei Jahren waren es noch viermal so viele. Der Grund dafür scheint zu sein, dass das türkische Konsulat die Sicherheitsüberprüfung für Imame ablehnt. Mutmaßlich haben die Männer, die von den türkischen Generalkonsulaten und dem Islamverband Ditib entsandt wurden, ihre Arbeit an den Gefängnisse eingestellt. Auf Anfrage des WDR antwortete das Konsulat: »Die Forderung, dass sich diese Mitarbeiter einer erneuten Sicherheitsprüfung unterziehen sollen, empfinden wir als unangemessen und falsch.«

Die Erfahrungen der Bundesländer zeigen, wie wichtig die Überprüfungen sind. Länder, in denen sie noch nicht vorgesehen sind, müssen nun nachziehen. Ein bundesweit einheitlicher Standard wäre notwendig, um sicherzustellen, dass der vertrauliche Kontakt mit Häftlingen nicht für islamistische Indoktrination genutzt wird.