Deutschland steht in den USA wegen des Genozids an den Ovaherero und Nama vor Gericht

Völkermord vor Gericht

Seite 2 – Es geht um Anerkennung, Entschul­digung und Entschädigung

 

Das Auswärtige Amt äußert sich nicht zum laufenden Verfahren, sagt aber, dass zunächst prozedurale und keine inhaltlichen Fragen erörtert worden seien. Man habe das Gericht nur wissen lassen, dass die Klage unzulässig sei. Diesen Antrag wies die Richterin allerdings aus formalen Gründen ab. Zunächst muss nämlich der Versuch einer Einigung mit den Klägern unternommen werden. Jephta Nguherimo aus Washington ist zufrieden, denn zum ersten Mal sei Deutschland gezwungen gewesen, einen Vertreter zur Anhörung zu schicken. Das sei ein Erfolg, so der Mitbegründer des »Ovaherero, Mbanderu and Nama Genocide Institute« in den USA. »Ungeachtet dessen prüfen wir weitere Optionen, einschließlich der Möglichkeit, sich an die europäischen und deutschen Gerichte zu wenden«, sagte der Sozialwissenschaftler und Bildungsmanager der Jungle World. Es gehe um Anerkennung, Entschul­digung und Entschädigung: »Das ist ein Kampf, den wir bereit sind zu führen – für unsere Vorfahren und für zukünftige Generationen«, so Nguherimo. Unter anderem wegen des Todes von David Frederick, der einer der Hauptkläger war, muss die Klage in abgeänderter Form eingereicht werden. Die nächste Gerichtsanhörung ist für Anfang Mai geplant.

Unterdessen gehen die Regierungsverhandlungen weiter. Das nächste Treffen soll im Frühjahr in der namibischen Hauptstadt Windhoek stattfinden. Eine im Rahmen der Verhandlungen erstellte Präsentation des deutschen Botschafters Christian Schlaga vom Oktober wurde kürzlich der Presse zugespielt. Darin legt Deutschland der ­namibischen Regierung einen Maßnahmenkatalog für die Unterstützung »früher benachteiligter Gruppen« in sieben Regionen vor. Bis 2030 sollen 289 Millionen Euro in die Landreform, in Berufsausbildung, ländliche Elek­trifizierung und Hausbau fließen. »Ehrlich gesagt beleidigen diese Vorschläge die Intelligenz der betroffenen Gemeinschaften und spiegeln die neokolo­niale Mentalität der deutschen Regierung wider«, sagt Nguherimo. Selbstverständlich sei Namibia ein williger Partner. Es sei bedauerlich, dass die ­namibische Regierung in einer zu schwachen Position sei, um schlechte Angebote ablehnen zu können; die Deutschen nutzten das aus. Solange aber nicht die historischen Ereignisse thematisiert würden, werde der Kampf weitergehen, so Nguherimo.

Im September hatte die namibische Ministerpräsidentin Saara Kuugon­gelwa-Amadhila darauf verwiesen, dass Deutschland offiziell keine Verant­wortung für den Völkermord übernommen und keine bedingungslose Entschuldigung ausgesprochen habe. Tatsächlich haben bislang ­weder der Bundestag noch die Bundesregierung oder der Bundespräsident den Völkermord an den Ovaherero und Nama als solchen explizit anerkannt, wie es etwa der Bundestag im Fall des türkischen Völker­mordes an Armeniern und Angehörigen weiterer christlicher Minderheiten 2016 in einer Resolution getan hat.

Jahrzehntelang wurde der Völkermord an den Ovaherero und Nama hierzulande ignoriert – im Parlament, an den Universitäten, in den Kirchen, den Medien und Museen, in Schulen und auch in linke Gruppen. Erst in den vergangenen Jahren sind die Verbrechen, ihre anhaltenden Folgen und die ausstehende Auseinandersetzung in der deutschen Öffentlichkeit stärker zur Kenntnis genommen worden – nach Klagen vor Gericht, parlamentarischen Anträgen, Forderungen und Protesten vor allem von Nachfahren der Widerstandskämpfer gegen die deutsche ­Besatzung in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika sowie den ­Opferverbänden der Ovaherero und Nama. Immerhin.