Mode und Identität: Was wollen Styles »Normcore«, »Gorpcore« und »Menocore« ausdrücken?

Antimode liegt im Trend

Seite 2 – Zwischen Funktion und Dekoration
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Darin vermuten diverse Feuilletons und Modeseiten naturgemäß Eman­zipationsversprechen, so schreibt etwa die Modeseite »Stylebook« zufrieden: »Sexuelle Attraktivität rückt weit in den Hintergrund, die Outfits sollen in ­erster Linie praktisch und komfortabel sein.« Die Zeit sieht »die Idee einer gleichberechtigten Moderne« darin, »dass junge Frauen plötzlich für sich in Anspruch nehmen, sich sachlich ­kleiden zu dürfen« und die Welt geht davon aus, wer »Menocore« trage, habe »einen Ausweg aus dem rastlosen Kreislauf aus Laufsteg-Strohfeuern« gefunden. Allen diesen Einschätzungen ist, nebst anderer streitbarer Annahmen, ein Verkennen des tatsächlichen Charakters von Mode und Trends gemein: Mode ist ihrem Wesen nach vergänglich und schnelllebig, die Hoffnung auf einen Ausbruch daraus mithilfe eines Trends ist entsprechend ­lächerlich.

Mode bewegt sich stets im Spannungsfeld von Funktion und Dekoration sowie von Konformismus und Indi­vidualismus. Der Balanceakt fällt je nach historischem Kontext anders aus, die beschriebenen Tendenzen sind so Abdruck der Ideologie im Spätkapita­lismus.

 

Hinter der partikularen Ablehnung bestimmter Trends, die mit Extravaganz und dem Streben nach Einzigartigkeit gleichgesetzt werden, lässt sich schließlich Regressivität erkennen

 

Sie bedeutet mythologisches Denken, das völlig in der Immanenz verharrt. Die vorgestellten Stile versprechen so auch nichts mehr, außer nichts zu ­versprechen. Gefragt sind das Zurschaustellen von Gleichgültigkeit und Indifferenz gegenüber Trends und Normen; es geht um einen Kult der Natürlichkeit, der verdeckt, dass Mode per se Kultur ist. Stolze Antiästhetik will ganz authentisch gar nichts mehr darstellen als ­jemanden, der nichts darstellen will.

Hinter der partikularen Ablehnung bestimmter Trends, die mit Extravaganz und dem Streben nach Einzigartigkeit gleichgesetzt werden, lässt sich schließlich Regressivität erkennen, die dem Hass auf Exklusivität, Abstraktion und Wandel sowie der Suche nach Authentizität und Ursprünglichkeit stets innewohnt.

Diese Trends verweisen dabei auch auf den Wunsch des Subjekts, sich Schnelllebigkeit, Individualitäts- und Optimierungszwang zu verweigern, der sich auch in den diversen Zeitungskommentaren ausdrückt. Natürlich sind diese Versuche der vorgeblichen Antimode zum Scheitern verurteilt, sind sie doch selbst Modephänomene, die kein Bewusstsein für ihre Integra­tion und ihren ephemeren Charakter erlangen, geschweige denn sich diesem verweigern können.

Hier kann wieder an Ekardt angeknüpft werden, mit der Feststellung, dass nicht Identität, aber durchaus, je nach Trend, Authentizität in der Mode gesucht wird und manche Mode diese auch verspricht. Das ist Ekardt ent­gangen.

Nur Reflexion darauf kann zeigen, dass solche Ansprüche nicht erfüllt werden können, zumal der zugrundeliegende Mangel durch die Verfasstheit der Gesellschaft bedingt ist.