Bundesweit droht die Wiedereinführung von Studiengebühren

Über Gebühr belastet

In Baden-Württemberg wurden Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer beschlossen, die Landesregierung Nordrhein-Westfalens will folgen. Studierendenorganisationen hingegen fordern den Abbau von Zugangshemmnissen.

Mehr als drei Jahre lang war das Studieren in Deutschland gebührenfrei. Anfang Mai beschloss der Landtag Baden-Württembergs jedoch mit der Mehrheit von Grünen und CDU, dass Studentinnen und Studenten aus Nicht-EU-Ländern ab Oktober 1 500 Euro pro Semester zahlen müssen. Der Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Landesregierung Nordrhein-Westfalens unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sieht ein ähnliches Modell vor.

Der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) wehrt sich gegen die selektiven Studiengebühren. »Für uns ist das eine Diskriminierung, wenn nur Menschen hierher kommen dürfen, die sich das auch leisten können«, sagt Maimouna Ouattara, Sprecherin des BAS, im Gespräch mit der Jungle World. Es seien zwar Ausnahmen für anerkannte Flüchtlinge und Studierende aus Entwicklungsländern vorgesehen, wesentlich verbessern würde das die Regelung aber nicht: »Es gibt etliche von Deutschland unterzeichnete Konventionen, die das Recht auf Bildung enthalten, so bleibt das Recht auf Bildung einigen aber verwehrt.« Auf eine kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Dietmar Bell (SPD) gab die Landesregierung die Zahl der Studenten aus Nicht-EU-Staaten in Nordrhein-Westfalen mit 67 609 für das Jahr 2016 an. Nach Angaben des FDP-Bundes- und Landesvorsitzenden Christian Lindner sollen von den Gebühren etwa 30 000 Studierende betroffen sein.

Der BAS kritisiert neben den Gebühren auch die Studienbedingungen von Ausländerinnen und Ausländern. »Wir brauchen eine bessere Begleitung beim Studium, um zum Erfolg zu kommen, und bessere Finanzierungsmöglichkeiten, zum Beispiel beim Bafög«, sagt Ouattara. Der Freie Zusammenschluss der Studierendenschaften (FZS) stimmt dem zu. »Bildung muss für alle zugänglich sein. Jeder Cent, den man dafür aufbringen muss, ist einer zu viel«, sagt das Vorstandsmitglied Mandy Gratz im Gespräch mit der Jungle World. Der FZS fordert eine staatliche Hochschulfinanzierung, die bedarfsdeckend sein und automatisch angepasst werden soll, sowie deutliche Verbesserungen beim Bafög. »Es darf bei der Finanzierung eines Studiums nicht auf den Geldbeutel der Eltern ankommen«, fordert Gratz. Überdies kritisiere der FZS die Studienplatzvergabe. »Man braucht endlich die Kapazitäten, mit denen alle das studieren können, was sie wollen, so dass nicht die Güte des Abiturs darüber entscheidet, ob man studieren darf.«

»Bildung muss für alle zugänglich sein. Jeder Cent, den man dafür aufbringen muss, ist einer zu viel.« Mandy Gratz, Vorstandsmitglied des Freien Zusammenschlusses der Studierendenschaften

Auch im Bundestagswahlkampf spielen die Studienbedingungen eine Rolle. Die Grünen fordern in ihrem Wahlprogramm, dass sich die Studienfinanzierung grundlegend verändern müsse: »Das Bafög muss wieder zum Leben reichen und für Studierende jeden Alters und in Teilzeit geöffnet werden.« Mittelfristig solle die Studienfinanzierung aus einem Zuschuss für alle und einem Bedarfszuschuss für Menschen aus ärmeren Elternhäusern bestehen. Auch die Alters- und Semestergrenzen der studentischen Krankenversicherung sollen angepasst werden. Widersprüchlich wird es beim Thema Studiengebühren. Auf Bundesebene lehnt die Partei sie ab, sie äußert sich aber nicht zu den in Baden-Württemberg unter ihrer Führung beschlossenen Gebühren.

Die Linkspartei kritisiert in ihrem Wahlprogramm das grün-schwarze Modell in Baden-Württemberg: »Diese Hochschulpolitik befördert Ausgrenzung. Jegliche Form von Studiengebühren für Menschen mit oder ohne deutschen Pass schaffen wir ab.« Außerdem will sie ein Bundesgesetz zur Hochschulzulassung vorlegen, dass Zugangs- und Zulassungsbeschränkungen wie Numerus Clausus, Auswahlgespräche, IQ-Tests oder Bewerbungsgespräche abschaffen soll. »Die Zugangsmöglichkeiten für Menschen ohne Abitur müssen verbessert werden«, fordert die Linkspartei. Bafög soll elternunabhängig in Höhe von 1 050 Euro netto gezahlt werden.
Die SPD ist in ihren Plänen bescheidener. »Wir wollen die Leistungen des Bafög verbessern«, sagen die Sozialdemokraten. Die Partei lehnt Studiengebühren ab und will »exzellente Studienbedingungen« herstellen. Dazu will sie einen »Hochschulsozialpakt« schließen, mit dem Studienberatung und Betreuung verbessert werden sollen. Die Sozialdemokraten wollen »eine bedarfsdeckende Erhöhung der Fördersätze, die regelmäßig überprüft und angepasst wird«, außerdem soll das Bafög »durch höhere Einkommensgrenzen weiter geöffnet werden«.

Im Wahlprogramm von CDU und CSU sucht man vergebens nach Vorschlägen für bessere Studienbedingungen. Es gibt keine Aussagen zu Studiengebühren, das Bafög habe man bereits »deutlich erhöht«. Die Konservativen sprechen sich nur allgemein dafür aus, dass »alle Kinder in Deutschland unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Bildungsstand der Eltern die beste verfügbare Bildung und Ausbildung erhalten«, präsentieren aber keine Konzepte, um Kinder aus Arbeiterhaushalten zu fördern.
Die rechtspopulistische AfD äußert sich ebenfalls nicht zu Studiengebühren. Sie will von der Bologna-Reform zurück zu den Diplom- und Magisterstudiengängen. Zudem sollen Hochschulen in Zukunft »Bewerber durch Aufnahmeprüfungen auswählen«. Außerdem will sie Studierende begünstigen, »die während ihres Studiums beziehungsweise ihrer Ausbildung oder kurz danach Eltern werden«, und ihnen »bei gutem Berufs- oder Studienabschluss die Bafög-Rückzahlung erlassen«.
Die FDP fordert, »dass Hochschulen nachgelagerte Studienbeiträge erheben dürfen sollen«. Mit diesen könnten Hochschulen schneller modernisiert und die Studienbedingungen verbessert werden, behaupten die Liberalen. Außerdem befürworten sie die Einführung »einer elternunabhängigen Ausbildungsförderung«, bestehend aus einem »Zuschuss« in Höhe von 500 Euro und einem Darlehensangebot.

Mandy Gratz vom FZS bezeichnet solche Vorschläge als Studienhemmnisse. »Das ist ein Vorschlag aus der Mottenkiste«, sagt sie. Eines der wichtigsten Kriterien, um ein Studium zu absolvieren, sei die Frage: »Wie viele Schulden habe ich am Ende?« Durch nachgelagerte Studiengebühren werde das Bildungssystem nicht gerechter. Bildungsgerechtigkeit lasse sich nur über ein modifziertes Steuersystem herstellen. »Denn Bildung wird durch Steuern finanziert«, sagt Gratz.