Der Kampf um den Hundeschädel in der Sportart »Jugger«

Der Kampf um den Hundeschädel

Fußend auf einem Film der achtziger Jahre, entwickelte sich »Jugger« zu einer offiziellen Sportart mit einer eigenen Liga. Ein Abriss über Pompfen, Hundeschädel und Steine. Von

Mit den Worten »Drei, zwei, eins – Jugger!« stürmen die jungen Männer mit ihren waffenähnlichen Spielgeräten aufeinander zu und versuchen, den in der Spielfeldmitte platzierten ovalen Schaumstoffball zu erringen. Dabei handelt es sich nicht um einen performativen Aprilscherz, sondern um die Sportart Jugger, eine Mischung aus Gladiatorenkampf und American Football.

Die Entstehung dieses Sports geht auf das Jahr 1989 zurück, damals wurde der australische Film »Jugger – Kampf der Besten« veröfentlicht. Der Film skizziert ein postapokalyptisches Szenario nach Art von Mad Max, in dem Jugger-Mannschaften durch die Dörfer der dystopischen Lande ziehen und sich duellieren. Im blutigen Kampf versuchen die Teams einen Hundeschädel zu erobern, der am Ende der gegnerischen Spielfeldhälfte auf einem Pfahl aufzuspießen ist. Die Gewinner erhalten nicht nur eine warme Mahlzeit und eine Unterkunft, sondern auch den hart erkämpften Hundeschädel. Mit diesem können sie sich für ein Duell gegen eine Mannschaft der Liga der roten Stadt bewerben – einer Art Bundesliga in der Nähe des Erdkerns. ­Neben der Haupthandlung wird dem Zuschauer noch etwas vermittelt: Jugger ist kein Gesundheitssport, sondern fordert viele Schwerverletzte und teils auch Tote.

Zwar nicht so brutal, aber mindestens genauso ansehnlich wie der Film ist dessen sportliche Adaption. Bereits 1992 griffen Begeisterte das filmische Vorbild auf und stellten es im Tiergarten in Berlin und im ­Planetarium in Hamburg nach. Über die Jahre wuchs die Gemeinde, bis 1998 die ersten Deutschen Jugger-Meisterschaften mit insgesamt fünf Mannschaften stattfanden. 2003 folgte die Etablierung der Jugger-Liga und 2007 erhielt Jugger die offizielle Anerkennung als Sportart in Deutschland. Inzwischen gibt es über 80 Mannschaften im deutschsprachigen Raum und viele Turniere, die größtenteils in den Sommermonaten ausgetragen werden. Doch nicht nur in Deutschland, sondern auch in Australien, den USA und Costa Rica stößt Jugger auf Begeisterung.

Diese teilt auch das Team »Rigor Mortis« der Turngemeinde in Berlin 1848 e. V. Bereits im Dezember 2003 hat es sich gegründet und blickt inzwischen auf sieben gewonnene Deutsche Meisterschafts- und einen Weltmeisterschaftstitel zurück. In lockerer, aber dennoch ernsthafter Atmosphäre trainieren die jungen Männer im Alter von Mitte zwanzig bis Anfang dreißig zweimal wöchentlich, neben der Erwachsenenmannschaft gibt es eine Kinder- und eine Jugendmannschaft. Die Jugger-Saison beginnt in der Regel im April und endet im September, da sich der Sport schlecht in der Halle spielen lässt. Aber auch im Winter finden vereinzelt Turniere statt.
Beim Anblick des Trainings könnte man annehmen es handele sich um eine Fußballmannschaft, würde nicht ein Detail besonders hervorstechen: die sogenannten Pompfen. Der Name ist nach Angaben von Max, einem 29jährigen Spieler von »Rigor Mortis«, auf das »pompfartige« Geräusch beim Zusammenprall zweier Waffen zurückzuführen. Dabei kommen folgende Pompfen zum Einsatz: Q-Tip, Stab, Langpompfe, Kurzpompfe, Schild und Kette. Diese Spielgeräte werden teils selbst hergestellt und bestehen in erster ­Linie aus Bambus, Glasfaser oder Carbon. Um Verletzungen zu verhindern, werden diese Materialien mit verschiedenen Schaumstoffschichten überzogen.
Mit den Pompfen ausgerüstet, stehen sich zwei Teams mit jeweils fünf Spielern auf einer handballfeldgroßen Spielfläche gegenüber. Einer davon ist der Läufer, der im Vollsprint versucht, den ovalförmigen Schaumstoffball zu erobern – den Jugg. Der Läufer hat zwar keine Pompfe, ist aber dafür der einzige Spieler, der den Jugg berühren darf. Ziel ist es, diesen in der Endzone des gegnerischen Teams zu platzieren. Bei diesem Vorhaben wird der Läufer von seinen Mitstreitern vor den Angriffen der gegnerischen Mannschaft beschützt.

Der Schlagabtausch folgt klaren Regeln, deren Einhaltung von insgesamt vier Schiedsrichtern überwacht wird. Wird ein Spieler von einer Pompfe getroffen, muss er eine bestimmte Zeit aussetzten. Die Hände und der Kopf zählen beispielsweise nicht als Treffer, um Kopfverletzungen vorzubeugen und den Schlagabtausch weiter zu erschweren. Die Zeit wird in sogenannten Steinen gemessen, was auf den Film zurückgeht. Im Film werden Steine gegen einen metallischen Gegenstand geworfen, der erzeugte Ton dient als Zeitmaß. Mittlerweile hingegen ­geben Trommelschläge Aufschluss über die Spielzeit, ein Trommelschlag entspricht 1,5 Sekunden. Die reine Spielzeit beträgt insgesamt zwei Mal 100 Trommelschläge – also nur fünf Minuten, doch wegen der vielen Unterbrechungen dauern die Spiele im Schnitt 20 Minuten.

Jugger ist eine anspruchsvolle Sportart, betrieben von jungen Menschen, die sich nicht von der Boniertheit anderer Sportarten anstecken lassen wollen.

Was sind die Beweggründe der Spieler, diese Sportart zu betreiben? Der Großteil der bei »Rigor Mortis« Aktiven praktizierte zuvor andere Sportarten wie Leichtathletik oder Tischtennis. Bei vielen war es nicht der Film, sondern es war das Sport­angebot der Berliner Hochschulen oder Freunde, die auf Jugger aufmerksam machten. So erinnert sich der 30jährige Thomas, einer der Gründer von »Rigor Mortis«: »Damals erzählte mir ein Freund vom Jugger und schließlich bin ich eines Tages einfach mal mitgegangen. Die offene und herzliche Atmosphäre der Spielerinnen und Spieler motivierte mich sofort, ein Teil der Gemeinschaft zu werden. Außerdem war für mich das Alter ein weiterer Anlass dabeizubleiben, da Jugger in erster Linie von junge Menschen ausgeübt wird.« Über das, was Jugger ausmacht, sagt er: »Jugger würde ich in den Grundzügen mit dem Biathlon vergleichen, da es einen ständigen Wechsel zwischen körperlicher und geistiger Aktivität gibt. Beim Anlaufen zum Jugg ist die Ausdauer gefragt und im Kampf entscheiden dann letztlich Geschicklichkeit und ein gutes Spielverständnis.« 

Thomas verfolgt seit mehr als 14 Jahren die Entwicklung des Jugger in Deutschland und freut sich über das stetige Wachstum der jungen Szene. Noch immer besticht Jugger durch eine offene Haltung gegenüber Anfängern. Außerdem gibt es keine ­Geschlechtertrennung.

Jugger ist keineswegs nur die Adaption eines filmischen Szenarios. Der Kampf um den Hundeschädel ist eine anspruchsvolle Sportart, betrieben von jungen Menschen, die sich nicht von der Boniertheit anderer Sport­arten anstecken lassen wollen, sondern ihren eigenen freien Raum etablieren.

Adressen:
www.jugger.de
www.tib1848ev.de