Die USA melden sich in der Nahostpolitik zurück

Ein flexibler Präsident

Mit der Bombardierung eines syrischen Militärflughafens meldet sich die US-Regierung in der Nahostpolitik zurück.
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Wo sie einmal recht hat, da hat die Mannschaft Donald Trumps aber immer noch nicht ganz recht. So verband der Sprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, die jüngste Giftgasattacke in Syrien mit dem verhassten Amtsvorgänger Trumps: Die »abscheulichen Taten« des Assad-Regimes seien »eine Konsequenz der Schwäche und Unentschlossenheit der vorigen Regierung«. Tatsächlich war die Nahostpolitik Barack Obamas desaströs, allerdings lag dessen Passivität gegenüber Bashar al-Assad durchaus eine Strategie zugrunde: Für das Atomabkommen und eine politische Annäherung an den Iran war Obama bereit, Syrien und weite Teile des Nahen Ostens dem iranischen Einfluss zu überlassen.

Das hat, wie man vorhersehen konnte, den Krieg in Syrien fortwährend ausgeweitet. Als der zaudernde Obama sich 2013 unter russischem Zureden entschloss, das syrische Regime für seinen Giftgaseinsatz mit einem Abkommen zur Vernichtung seiner Chemiewaffen zu belohnen – das Assad nicht einhielt –, statt militärisch zu intervenieren, zählten die UN 1,6 Millionen syrische Auslandsflüchtlinge; derzeit sind es mehr als fünf Millionen.
Auch Trump hatte für seine bisherige Syrien-Politik – soweit überhaupt eine erkennbar war – eine Art Strategie: Den Ausgleich mit Putin bei gleichzeitiger Konfrontation mit dem Iran und eine rein militärische Antwort auf das Problem des »Islamischen Staats«; Assads Truppen wurden in einem Tweet des US-Militärs schon mal als »partner forces« bezeichnet. Auch das konnte voraussagbar nicht funktionieren, aber immerhin ist Trump für eine Überraschung gut. Er gab zu Protokoll, der Giftgasangriff auf Khan Shaykhun am 4. April habe eine »große Wirkung« auf ihn gehabt und seine Haltung zu Assad und Syrien sehr verändert; er lobte sich dafür als »flexible Person«.

Was auch immer den Ausschlag gegeben hat, ob interne Kämpfe unter seinem Beratern, sinkende Umfragewerte oder wirklich die Bilder von an Giftgas erstickten Kleinkindern, der Angriff auf einen syrischen Militärflugplatz sollte ein Zeichen von Trumps Stärke und Entschlusskraft sein. So weit ist die Botschaft klar. Und doch rätselt die Welt seitdem, was dieses Vorgehen Trumps genau bedeuten könnte. Nikki Haley, die US-amerikanische UN-Botschafterin, hatte schließlich noch kurz vor dem Giftgasangriff verkündet, ein Sturz Assads sei nicht mehr unbedingt Ziel US-amerikanischer Politik; nun sagt sie in Interviews, eine politische Lösung für Syrien könne es mit Assad nicht geben.

Nach einem ausgereiften, langfristig angelegten Plan sieht das nicht aus, aber der rein symbolische Angriff auf die via Russland vorgewarnte syrische Luftwaffe hat eines bewirkt: Die USA sind wieder im Nahen Osten präsent, und das in einer entscheidenden Rolle, die Trump noch vor kurzem vehement abgelehnt hat. Damit ändern sich die Bedingungen für alle Beteiligten. Das zeigt sich nicht unmittelbar, im Gegenteil, alle spielen ihre bisherigen Rollen noch einmal besonders prägnant: Assad lässt die Stätte des Giftgasangriffs erneut bombardieren, sein Verteidigungsminister schüttelt dem Piloten, der das Giftgas abwarf, die Hand, Putin lässt seine Luftwaffe demonstrativ über zivilen Zielen besonders viele, besonders fotogene Brandbomben abwerfen, der Iran droht sowieso fortwährend und der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel warnt unisono mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz vor einer »Eskalation« – Hauptsache, man tut nichts. Derweil klären auf diversen großen Medienkanälen präsente Assad-Propagandisten wie Michael Lüders oder Günter Meyer das dankbare deutsche Publikum auf, schließlich lehnen über 56 Prozent der Deutschen das militärische Eingreifen der USA ab, wie eine Umfrage ergab. Nichts Neues also im Nahen Osten und daheim? Nicht mehr so ganz.