Small Talk mit dem Grünen-Stadtrat Dominik Krause über Antizionismus im Münchner Eine-Welt-Haus

»Kein Konsens gegen Antisemitismus«

Das Eine-Welt-Haus in München wird schon seit Jahren wegen der Ausrichtung antizionistischer Veranstaltungen kritisiert. Dominik Krause ist Stadtrat der Fraktion »Die Grünen/Rosa Liste« und erhielt kürzlich eine Unterlassungserklärung der Münchner Initiative »Salam Shalom«. Die Jungle World hat mit ihm gesprochen.
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Das Eine-Welt-Haus in München will der Initiative »Salam Shalom« keine Räume mehr zur Verfügung stellen. Sie haben die Initiative immer wieder kritisiert – warum?
Ich halte diverse Äußerungen, die der Verein verbreitet, für antisemitisch. Auf der mittlerweile abgeschalteten Website fand sich beispielsweise die These des Politikwissenschaftlers Norman Finkelstein, dass das amerikanische Judentum eine »Holocaustindustrie« geschaffen habe, um sich am Gedenken zu bereichern und Unterstützung für Israel zu erpressen. Zur »Vermarktung« des Holocaust würde seine Singularität behauptet, die jüdischen Opferzahlen seien »übertrieben worden«.

Kürzlich haben Sie eine Unterlassungserklärung der Initiative erhalten. Wie kam es dazu?
Eine wirkliche Debatte über den Verein hat sich erst Ende vergangenen Jahres entwickelt, nachdem eine Veranstaltung mit Abraham Melzer zum »hysterisierten Antisemitismusvorwurf« abgesagt wurde. Ich hatte mich im Rahmen eines Zeitungsartikels dazu geäußert und sollte anschließend beispielsweise die Aussage unterlassen, der Verein berufe sich auf Aktivisten, die Kontakte zu Rechtsextremisten und Islamisten pflegen. Zu diesem Zeitpunkt war auf dessen Homepage unter anderem ein Video des Holocaust-Leugners und ehemaligen Funktionärs des Ku Klux Klans, David Duke, verlinkt. Der Verein hat die Unterlassungserklärung gegen mich inzwischen aufgegeben. Auch Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, wurde wegen einer nichtöffentlichen Mail, in der sie schrieb, Melzer sei für »seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt«, von ihm vor Gericht gebracht und unterlag. Melzer frohlockte anschließend über den Sieg über die »zionistische Mafia«.

Im Eine-Welt-Haus finden allerdings nicht nur von der genannten Initiative organisierte antizionistische Veranstaltungen statt, sondern auch von verschiedenen Gruppen der »Palästina-Solidarität«, die die antiisraelische Boykottkampagne BDS unterstützen. Warum fördert die Stadt München überhaupt dieses Veranstaltungszentrum?
Es ist einer der wenigen linken Räume in München und ich bin froh, dass es solche noch gibt – die CSU hat kürzlich erst mit Zustimmung der SPD ein anderes linkes Projekt geschlossen. Die eigentliche Frage ist doch: Warum gibt es in linken Strukturen keinen klaren Konsens gegen Antisemitismus? Wenn Neonazis sagen, dass jüdische Opferzahlen des Holocaust übertrieben wurden, gibt es einen Aufschrei. Wenn Leute, die sich selbst irgendwie als links verstehen, so etwas sagen, geht es als »Israelkritik« durch. Das darf nicht sein.

Neben Marian Offman (CSU) sind Sie die einzige wahrnehmbare Stimme gegen israelbezogenen Antisemitismus im Münchner Stadtrat. Warum stehen Sie in Ihren Fraktionen offenbar so alleine dar?
Die Strategie, sich selbst als Opfer eines Tabus zu gerieren, geht auf: Man dürfe Israel nicht mehr kritisieren, ohne gleich Antisemit zu sein. Und wenn es dann in einer Münchner Tageszeitung heißt, der Verein sei wegen seiner »Israelkritik« vom Ausschluss bedroht, klingt das natürlich plausibel. Sehr enttäuschend finde ich vor allem, dass Linke, die dieses Muster bei anderen Themen durchschauen, hier keine klare Position beziehen. Für mich gehört zum Linkssein selbstverständlich auch der Kampf gegen Antisemitismus. Eine Linke, in der das kein Konsens ist, steckt in der Krise und sollte dringend diskutieren, was Linkssein eigentlich bedeutet. Sehr erfreulich ist, dass es gerade von jungen Linken in München dazu sehr deutliche Worte gibt: Zum Fall von Salam Shalom gab es eine gemeinsame Stellungnahme von Jusos, Grüner Jugend und Linksjugend, die eine klare Position gegen Antisemitismus einfordert.