Der Superbowl war spannend – nicht nur auf dem Spielfeld

Spektakuläre Aufholjagd

Die Atlanta Falcons spielten gegen die New England Patriots um den 51. Superbowl. Rund um das Endspiel waren die politischen Spannungen in den USA deutlich zu spüren.

Montagmorgen, 4.26 Uhr MEZ – ein Jubelschrei, die Menschenmenge bebte. Nein, es war nicht die Freude über die Aussetzung von Donald Trumps Einreisedekret, sondern es war der Abpfiff des 51. Superbowls im NRG-Stadium von Houston (Texas). Knapp vier Stunden hatten sich die Atlanta Falcons und die New England Patriots ein Spiel um den Meister­titel im American Football geliefert, das wegen der phänomenalen Aufholjagd der Patriots wohl in die Sportannalen eingehen wird. Am Ende gingen die Patriots mit 34:28 als Sieger vom Platz.
Im Gegensatz zu den Falcons, die noch keinen Superbowl gewonnen haben, waren die Patriots bereits vor dem Anpfiff vierfacher Titelträger. Zu Beginn des Spiels lagen beide Mannschaften gleichauf. Dabei standen die überragenden Defensivleistungen beider Mannschaften im Vordergrund. Besonders die Defensive der Falcons überzeugte, obwohl das Team eigentlich eher für seine Offensivstärke bekannt ist. Erst im zweiten Viertel konnte Devonta Freeman mit drei aufeinanderfolgenden Läufen für die Falcons punkten. Die hatten bis dahin das Spiel dominiert und bauten ihren Vorsprung durch einen groben Schnitzer der Patriots aus. Robert Alford fing einen Fehlpass von Tom Brady, dem Quarterback der Patriots, ab und marschierte anschließend über 70 Yards bis in die Endzone, ein Return-Touchdown. Völlig unerwartet gingen die Teams mit einem Punktestand von 3:21 für die Falcons in die Pause.
Und dann war es so weit: Die Halbzeitshow mit Lady Gaga begann. Die Unterstützerin Hillary Clintons sorgte bereits bei den Proben zum Superbowl durch das Tragen eines Anti-Trump-T-Shirts für Schlagzeilen, die NFL verbot ihr daraufhin, politische Statements in ihre Show einzubauen. Wie angekündigt, begann sie ihren Auftritt auf dem Dach des NRG-Stadiums mit »Pledge of Allegiance«, dem Treueschwur auf die US-Flagge, kombiniert mit Woody Guthries Song »This Land Is Your Land«. Dann wagte sie den Sprung ins Stadion, um in gewohnt futuristischen Outfits ihre Lieder vorzutragen. Eine Situation blieb dennoch ungeklärt: Während ihres Liedes »Million Reasons« ging Gaga in die Menschenmenge und umarmte eine afroamerikanische Frau. Ob dies als politisches Statement bezeichnet werden kann, bleibt wohl dem Zuschauer selbst überlassen.
Kurz darauf standen die eigentlichen Protagonisten wieder auf dem Spielfeld. Erst zum Ende des dritten Viertels gelang den bislang offensivschwachen Patriots der erste Touchdown. Neuer Punktestand: 10:28. Die Wende in dieser Partie brachte ein Ballverlust von Matt Ryan, gerade mal acht Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit. Die Patriots machten einen weiteren Touchdown und schöpften neuen Mut. Den Falcons gelang zu diesem Zeitpunkt nichts mehr. Weder in der Offensive noch in der Defensive konnten sie an ihre Leistungen der ersten Hälfte anknüpfen. Die Patriots hingegen machten das Unmögliche möglich: Noch nie konnte ein Team im Superbowl einen Zehn-Punkte-Rückstand aufholen. Und noch nie gab es eine Verlängerung im Superbowl. Doch dieses Mal war es so weit: In kürzester Zeit erzielten die Patriots einen ­weiteren Touchdown und zogen mit einem Punktestand von 28:28 mit den Falcons gleich, das Stadion bebte. Während die Falcons mittler­weile völlig am Ende waren, konnten die Patriots problemlos einen wei­teren Touchdown erzielen. Insbesondere Tom Brady fand zurück zu seiner alten Stärke und ist nun erfolgreichster Superbowl-Spieler aller ­Zeiten.
Zwar nicht auf dem Spielfeld, aber zumindest am Spielfeldrand gab es noch weitere interessante Themen. Allein die Werbeeinnahmen des Fernsehsenders Fox betrugen über 400 Millionen Dollar; die insgesamt 80 Werbeeinheiten mit jeweils 30 Sekunden wurden für jeweils mehr als fünf Millionen Dollar verkauft. Mehr als 800 Millionen Menschen weltweit, davon 167 Millionen in den USA, verfolgten das Spiel vor den Fernsehbildschirmen.
Nicht im Stadion, aber dennoch sehr präsent war Donald Trump. Das US-amerikanische Sportportal SB Nation hatte den Superbowl vorab als »The city of Atlanta vs. Donald Trump« bezeichnet. Bereits bei Trumps Amtseinführung demons­trierten 60 000 Menschen beim Women’s March in Atlanta gegen ihn und seine Politik. Auf der anderen Seite standen die New England Patriots als die wohl größten Sympathisanten des neuen Präsidenten in der NFL. Die engen Verbindungen zwischen Trump und den Funktionären und Spielern der Patriots sorgten sogar bei deren Fans für Kopfschütteln.

Das rechte Amerika kündigte wegen eines einwanderungs­freundlichen Werbespots einen Boykott von Budweiser an, der jedoch weitgehend wirkungslos bleiben dürfte, weil gleichzeitig Linke auf Twitter erklärten, dann eben umso mehr Bier dieser Marke zu trinken.

Das mittlerweile gerichtlich ausgesetzte Dekret zum Einreiseverbot von Bürgern aus sieben muslimisch geprägten Ländern provozierte schließlich Reaktionen aus den Reihen der NFL. Der jüdische Inhaber der Atlanta Falcons, Arthur Blank, kritisierte das Dekret öffentlich. Er könne politische Entscheidungen nicht tolerieren, die Menschen voneinander separieren. Auch Mohamed Sanu, Receiver und einziger muslimischer Spieler der Falcons, bezeichnete die Folgen des Dekrets als »schwierige Situation«. Aber auch Patriots-Spieler Martellus Bennett sagte, dass er den obligatorischen Besuch im Weißen Haus bei einem Sieg der Patriots gerne auslassen würde, da er »den Mann im Weißen Haus« nicht unterstütze.
Diese Reaktionen dürften wohl keine Überraschung sein, denn der American Football besticht besonders durch seine kulturelle Diversität. 2015 vergab das Institut für Diversität und Ethik im Sport die Bestnote an die Liga. Insgesamt sind 71,5 Prozent der NFL-Spieler nichtweiß. 68,7 Prozent der Spieler sind Afroamerikaner, lediglich die restlichen 2,8 Prozent kommen von außerhalb der USA. Da über 75 Prozent der weißen Amerikaner keine afroameri­kanischen Freunde haben, schlägt die Sportart Brücken.
Dieser Aspekt wurde in der Vermarktung des Superbowls in den vergangenen fünf Jahren gerne aufgegriffen. Anzeigen wie »Diverse girls« von Procter & Gamble, die die Gleichstellung von Frauen unabhängig ihrer kulturellen Herkunft thematisiert, und eine Werbeanzeige von Jeep, die die kulturelle Diversität von US-amerikanischen Veteranen ­herausstellt, waren besonders erfolgreich.
Das wohl eindeutigste Statement kam aber in diesem Jahr von dem US-amerikanischen Bierproduzenten Budweiser. Der Werbespot mit dem Namen »Born the hard way« zeigte eine Einwanderungsgeschichte. Es ist zwar nicht die des Firmengründers Adolphus Busch, der von Deutschland in die USA emigrierte, aber sie hätte es sein können. Und als Statement gegen die Politik Trumps taugte der Spot allemal, obwohl die Unternehmensleitung jeden Zusammenhang offiziell bestritt. Das rechte Amerika nahm den Spot jedenfalls übel und kündigte einen Boykott von Budweiser an, der jedoch weitgehend wirkungslos bleiben dürfte, weil gleichzeitig Linke auf Twitter erklärten, dann eben umso mehr Bier dieser Marke zu trinken.
Mit den Worten »We will make America great again« hatte Trump seine Antrittsrede vor dem Capitol in Washington am 20. Januar 2017 beendet. Rund 14 Tage nach Trumps Inauguration stehen sich die politischen Lager noch unversöhnlicher gegenüber als im Wahlkampf. Das wurde auch im American Football spürbar: Obwohl in vielen Sport­arten ein unpolitisches Klima gefordert wird, übten Spieler und Funk­tionäre öffentlich Kritik an Trumps Politik. Dass Atlanta den Superbowl nicht gewinnen konnte, betrübt die eher linksgerichteten Unterstützer des Clubs, aber auch im American Football ist nach dem Endspiel vor dem Endspiel.