Iran und Pakistan kämpfen um Einfluss

Gewalt statt Friedens-Pipeline

Iran und Pakistan befinden sich im Konflikt um Einflusssphären in der Region. Jüngst eskalierten die Konflikte an der gemeinsamen Grenze.

In den vergangenen Jahren wurde immer wieder der Versuch unternommen, iranisches Gas nach Pakistan zu exportieren. Auch Indien und China, deren wachsende Ökonomien nach Energie verlangen, sollten zu den Nutznießern der sogenannten Friedens-Pipeline gehören. Doch statt einer Friedens-Pipeline gibt es nun ernst zu nehmende Grenzkonflikte zwischen dem Iran und Pakistan. An der iranisch-pakistanischen Grenze wurde im Oktober mehrmals geschossen. Die iranische Führung warf der pakistanischen Regierung vor, nicht genug gegen Angriffe sunnitischer Islamisten zu tun, und ließ eine Grenzstadt mit Granaten beschießen. Pakistan verurteilte iranische Operationen auf seinem Territorium.
Mittlerweile haben die Regierungen beider Staaten den Botschafter des jeweils anderen ins Außenministerium zitiert, um den Konflikt zu lösen. Dabei hatte der iranische Präsident Hassan Rohani beteuert, die Beziehungen zu den Nachbarstaaten wie Pakistan und Saudi-Arabien verbessern zu wollen. Im Mai traf der pakistanische Premierminister Muhammad Nawaz Sharif Rohani und den religiösen Führer des Iran, Ali Khamenei, in Teheran. Selbstverständlich warnte Khamenei vor dem Einfluss der US-Regierung auf die pakistanische Politik. Seit diesen konfliktge­ladenen Begegnungen haben sich die Probleme verschärft.

Der Iran wirft Pakistan vor, Angriffe auf iranische Revolutionsgardisten durch sunnitische Islamisten einer belutschischen Terrororganisation, die sich Jund’u’llah (Armee Gottes) nennt, und einer Splittergruppe, die aus derselben Organisation hervorgegangen ist und sich Jaisch’ul’Adl (Gerechter Krieg) nennt, nicht zu verhindern. Die iranisch-sunnitischen Terrorgruppen, die ihren Rückzugsraum in Pakistan und Afghanistan haben, versuchen mittels Anschlägen mehr Rechte und Autonomie für Belutschistan herbeizubomben. Belutschistan ist die ärmste Provinz des Iran, geographisch erstreckt sich die Region über angrenzende Gebiete in Pakistan und Afghanistan.
Im Februar 2010 war Abdul Malek Rigi, der Anführer der Jund’u’llah, vom iranischen Geheimdienst verhaftet worden. Die sunnitischen Jihadisten setzten ihren Kampf mit Geiselnahmen iranischer Revolutionsgardisten und Terroranschlägen fort. Vor einem Monat wurde in diesem gewalttätigen Konflikt ein pakistanischer Soldat von iranischen Grenzbeamten erschossen, was die Spannungen weiter verstärkte.
Die iranischen Staatsideologen versuchen, den sunnitisch-schiitischen Konflikt herunterzuspielen. Doch hinter der panislamischen Ideologie steht ein Führungsanspruch des schiitischen Regimes, der von den sunnitischen Staaten in der Region nicht akzeptiert wird. So unterstützen Pakistan und der Iran unterschiedliche Kräfte im syrischen Bürgerkrieg. Pakistanische Anhänger der Terrororganisation »Islamischer Staat« versuchen, durch das Gebiet des Iran in den Irak und nach Syrien zu gelangen.
Im Iran wird die sunnitische Minderheit diskriminiert – ebenso wie die schiitische Bevölkerungsgruppe in Pakistan und Saudi-Arabien –, doch hat das Regime auch sunnitische Terrorgruppen wie die Hamas unterstützt. Dieses Mal aber haben die iranischen Machthaber kein Interesse daran, sunnitischen Terroristen ein Transferrecht zu gewähren, obwohl sie in der Vergangenheit dabei geholfen haben, Terroristen aus Pakistan und Afghanistan in andere Länder einzuschleusen, beispielsweise zum Kampf gegen Saddam Hussein im Irak, vor allem aber gegen die USA. Auch die sunnitischen Terroristenführer Gulbuddin Hekmatyar und Abu Musab al-Zarqawi hatten sich im Iran aufgehalten. Derzeit aber schwächen die sunnitischen Terroristen, die von Pakistan und Saudi-Arabien unterstützt werden, in Syrien den iranischen Verbündeten Bashar al-Assad. Dies wollen die iranischen Machthaber nicht dulden.
Iranische Politiker und Medien kritisieren die pakistanische Regierung. Sie handele in Hinblick auf die Probleme an der pakistanisch-iranischen Grenze leichtsinnig. Pakistan solle ernsthafte Maßnahmen einleiten, um die Sicherheit der Grenze zu gewährleisten, ansonsten würden iranische Sicherheitskräfte sogar auf pakistanisches Gebiet vordringen, um die Täter zu verfolgen. Zudem versucht der Iran seit Jahren, seine Einflusssphäre in Afghanistan auszubauen. Die Stärkung der dortigen schiitischen Fraktionen ist den ­pakistanischen Machthabern ein Dorn im Auge, die Afghanistan ebenfalls als Einflusszone be­anspruchen.
Zudem soll Saudi-Arabien Berichten iranischer Zeitungen zufolge chinesische Raketenabwehrsysteme in Pakistan gekauft und diese über Jordanien nach Syrien exportiert haben, um Assad zu stürzen. Damit geraten Pakistan und Saudi-Arabien in eine Konfrontation mit dem Iran, die von bewaffneten Gruppen der jeweiligen Glaubensrichtung ausgetragen wird. So unterstützt der Iran nicht nur den syrischen Präsidenten Assad, sondern auch die schiitische Hizbollah, die Assad ebenfalls an der Macht halten will. Iranischen Zeitungsberichten zufolge stehen die Terroristen der Jund’u’llah mit dem pakistanischen Geheimdienst in Verbindung. Der Iran wirft zudem Saudi-Arabien vor, pakistanische Salafisten zu stärken, die sich in einem Religionskrieg gegen die Schiiten befinden.
Überprüfbar sind die konkreten Vorwürfe in der Regel nicht, sicher ist jedoch, dass alle drei Staaten jihadistische Gruppen unterstützt haben. Es ist unwahrscheinlich, dass sie in ihrem Machtkampf auf dieses Mittel verzichten. Saudi-Ara­bien und Pakistan bilden eine Front gegen die Islamische Republik Iran und sehen sich von deren Atomprogramm bedroht. Die iranischen Machthaber hingegen befürchten, dass Saudi-Arabien eines Tages den Bau der Atombombe von Pakistan erlernt oder dort Nuklearwaffen erwirbt.

Der Iran sieht die Region als eigene Einflusssphäre und fordert den Abzug des US-amerikanischen Militärs aus dem Persischen Golf. Pakistan spielt zwar im Persischen Golf keine Rolle, stört aber die hegemonialen Bestrebungen des Iran im Golf von Oman. Entscheidend dürfte die Entwicklung in Syrien sein, wo iranische Revolutionsgardisten schon seit einigen Jahren zumindest als Militärberater tätig sind und derzeit militärisch den IS bekämpfen. Der Sturz ­Assads würde das Kräfteverhältnis in der Region zugunsten von Pakistan und Saudi-Arabien ändern.
Iranische Gasexporte nach Pakistan könnten für die iranischen Machthaber ein profitables Geschäft bedeuten und der Stabilisierung der totalitären Macht dienen, aber dem Iran fehlt das Kapital für nötige Investitionen und die politischen Verhältnisse lassen die Verwirklichung dieser Pläne nicht zu. Zudem kollidiert der panislamisch verbrämte Führungsanspruch des Regimes mit entsprechenden Bestrebungen des sunnitischen Blocks. Diese Spannungen führen nicht nur zu einer konfessionalisierten Konfrontation, sie verhindern auch potentiell lukrative Wirtschaftsprojekte.