Daddy war sicher kein Nazi

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Ed Miliband hatte eine gute Woche. Obwohl die britische Labour Party in Umfragen seit Langem führt und es so aussieht, als könnte sie die Konservativen bei den Wahlen 2015 besiegen, gilt Miliband selbst oft als schwacher und unsympathischer Vorsitzender. Er hatte eine gute Woche, weil die rechte Boulevardzeitung Daily Mail, die einen großen Teil der Agenda der Konservativen zu bestimmen scheint, sich dazu entschieden hatte, einen äußerst beleidigenden Artikel über seinen 1994 verstorbenen Vater zu veröffentlichen, den marxistischen Gelehrten Ralph Miliband. Dieser war der Sohn polnischer Juden in Belgien und floh 1940 vor den Nazis nach Großbritannien. Anhand ausgesuchter Zitate aus seinen Schriften, inklusive seinem Tagebuch als Teenager, brandmarkte die Daily Mail ihn als Mann, der »Großbritannien hasste«. Der Artikel führte zu einem öffentlichen Aufschrei – und zur Unterstützung Milibands. Sogar Premierminister David Cameron meinte, Ed Miliband habe recht, den Ruf seines Vaters zu verteidigen. Die Zeitung verweigerte eine Entschuldigung, gab Miliband jedoch Platz für eine öffentliche Antwort.
Diese konzentrierte sich unter anderem auf den Freiwilligeneinsatz seines Vaters während des Zweiten Weltkriegs bei der Royal Navy, mit der er auch am »D-Day« teilnahm. Der Subtext seines Artikels lautete, dass die Daily Mail, deren Unterstützung des Faschismus in den Dreißigern allseits bekannt ist, sich besser davor hüten sollte, die Vergangenheit aufzuwärmen. Einige Kritiker, wie der ehemalige Labour-Vorsitzende Neil Kinnock und der Kolumnist des Guardian, Jonathan Freedland, bemerkten einen »Hauch von Antisemitismus« in der Affäre. Ein altes antisemitisches Vorurteil sei, so Freedland, dass »Juden in Wirklichkeit einem anderen Herrn als ihrem Land« dienen. Die Vorwürfe der Daily Mail gegenüber Ralph Miliband, er sei nicht nur untreu gewesen, sondern habe sein Land gehasst, stünden in dieser antisemitischen Tradition. Ed Miliband selbst bezog sich nicht darauf, dass die Vorwürfe antisemitisch seien. Er ist weder ein sehr öffentlicher jüdischer Politiker noch gilt er als besonders proisraelisch. Sein älterer Bruder, der ehemalige Außenminister David Miliband, sprach sich freimütiger gegen antiisraelische Aktivitäten aus. Ihre Mutter, Marion Kozak Miliband, ist hingegen eine bekannte Antizionistin und Gründerin der Gruppe »Juden für Gerechtigkeit für Palästinenser«.