Proteste gegen ein Asylbewerberheim in NRW

Unser Dorf muss sauber bleiben

Seit fast einem Jahr versuchen die Kogenbroicher mit allen Mitteln, ein Asylbewerberheim zu räumen.

Hundert Einwohner nur hat Kogenbroich. Aber das nordrhein-westfälische Dorf bei Geilenkirchen bricht trotzdem einige Rekorde. Sechsmal haben Unbekannte im letzten Dreivierteljahr eine frühere Obdachlosenunterkunft angegriffen, nachdem bekannt geworden war, dass dort vier Romafamilien aus dem früheren Jugoslawien untergebracht werden sollten. Vieles spricht dafür, dass die Täter aus dem Ort selbst kommen oder dort zumindest so viel Rückhalt finden, dass sie ohne Furcht brandstiften, sabotieren und schießen können. »Man sieht hier, wenn jemand über Nacht im Wohnheim zu Gast ist, aber nicht, dass Steine geworfen werden«, umreißt Maggy Mladen, Flüchtlingsbetreuerin in Geilenkirchen, die selektive Wahrnehmung im dörflichen Milieu.

Ein Großteil der überwiegend christdemokratischen Dorfbevölkerung hatte per Unterschriftensammlung im vergangenen Frühjahr Widerstand gegen die vermeintliche Überfremdung durch ein Dutzend »Zigeuner« angekündigt. »Die kriegen wir schon klein, die wohnen noch nicht hier«, beschreibt Uwe Eggert, ein anderer Flüchtlingsbetreuer, die damalige Stimmung. Nur zwei zugezogene Familien schlossen sich der rassistischen Front nicht an. Sie werden seitdem nicht mehr gegrüßt und als »Verräter« beschimpft. »Rechtsradikale«, darauf legt man in Kogenbroich wert, gebe es im Dorf nicht.

Die sind auch gar nicht nötig. Am 17. Juni vergangenen Jahres zündeten Unbekannte den Dachstuhl der leer stehenden Obdachlosenunterkunft zum ersten Mal an. In der Nacht zum 23. August wurde der Keller unter Wasser gesetzt, die Heizungsanlage zerstört und eine große Menge Altöl auf Böden und Wänden verteilt, offenbar um das Gebäude zu verseuchen. Die Stadt bezifferte den Schaden auf über eine halbe Million Mark. Als im folgenden Monat eine erste Romafamilie einzog, schossen Unbekannte mit einer Zwille durchs Fenster, woraufhin die Verwaltung das Gebäude zunächst wieder räumte.

In der Nacht vorm nächsten Bezugstermin im Dezember wurden die Fenster noch einmal beschossen, diesmal jedoch mit einer großkalibrigen Waffe. Bürgermeister Franz Beemelmanns (CDU) äußerte Verständnis für die Kogenbroicher: »Da kann niemand darüber erfreut sein, wenn man in unmittelbarer Nähe auf einmal Asylbewerber wohnen hat.« Im Januar und Februar folgte eine Reihe kleinerer Attacken auf das inzwischen bewohnte Heim. Mehrmals flogen Steine an die Fenster, dann brannte der Kleintransporter eines Bewohners; schließlich verließ eine der Romafamilien aus Angst den Ort. Auch eine der beiden deutschen Familien, die sich dem Volkszorn verweigerten und Kontakt zu den Flüchtlingen suchten, wurde zum Angriffsziel. Nachts beschmierte man ihren Bungalow mit Farbe.

Trotz wiederholter Appelle von Pfarrern, Kommunalpolitikern und der grünen Bundestagsabgeordneten Christa Nickels, sich von den Anschlägen zu distanzieren, verharrt die Dorfgemeinschaft in Abwehr und Schweigen. Eine Bürgerversammlung, auf der der Geilenkirchener Runde Tisch für Flüchtlingsfragen Mitte Februar noch einmal für Toleranz werben wollte, wurde weitgehend boykottiert. Bürgermeister Beemelmanns erschien nicht, und die wenigen anwesenden Bürger empörten sich vor allem über die kritischen Schlagzeilen in der regionalen Presse. Verständnisvoll forderte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende im Geilenkirchener Stadtrat, Franz-Michael Jansen, seine Mitbürger zur »Solidarität mit der Kogenbroicher Bevölkerung« auf, »damit aus Kogenbroich kein Sebnitz wird«.

Auch die Geilenkirchener Zeitung nahm Kogenbroich in Schutz: »Die große Mehrheit der Einwohner des kleinen Stadtteils ist nicht fremdenfeindlicher als Menschen in anderen Orten.«

Damit hat das Blatt übrigens Recht. Denn in den Regionalzeitungen stößt man auf eine ganze Reihe anderer Orte, deren Namen nie in die überregionale Berichterstattung vordrangen. Rund zehn Dörfer des Kreises Heinsberg, zu dem Geilenkirchen gehört, und der angrenzenden Kreise Aachen und Düren mobilisierten im Lauf der vergangenen zehn Jahre gegen das jeweilige »Asylantenheim«. Ihre größten Erfolge und den höchsten Grad an Militanz erreichte die rassistische Bürgerbewegung dort, wo Deutsche bis dato unter sich geblieben waren: in den Dörfern.

So formierte sich die gesamte Einwohnerschaft von Witzerath bei Simmerath (Kreis Aachen) im Sommer 1991 gegen die »Umzingelung und Zerstörung des Dorfes« durch die geplante Unterbringung von Asylsuchenden in einem Zelt. Im nahe gelegenen Monschau sammelte eine Bürgerinitiative in derselben Zeit über zweihundert Unterschriften gegen die »Belagerung« des Städtchens durch »Schwarzafrikaner«, woraufhin das betreffende Flüchtlingsheim gleich siebenmal innerhalb eines Jahres attackiert wurde. In Unterbruch (Kreis Heinsberg) vermauerte man ebenfalls 1991 nächtens den Eingang eines Flüchtlingsheimes, gegen das man zuvor Unterschriften gesammelt hatte; eine Bürgerinitiative in Bergstein bei Düren nötigte im selben Jahr hilfsbedürftige Mitbürger mit der Drohung, ihnen die nachbarschaftliche Unterstützung zu entziehen, zur Unterschrift gegen das örtliche »Asylantenheim«. Die Bürger von Thum, einem weiteren Dorf im Kreis Düren, behaupteten mehrfach und mit Nachdruck, dass mit dem Umbau einer Militärbaracke zum Flüchtlingsheim »eine gewisse Notstandssituation« entstehe. Kurz vor ihrem Bezug brannte die Baracke im August 1991 nieder.

Den Verdacht, ausländerfeindlicher zu sein als die Menschen in anderen Orten, muss in Kogenbroich in der Tat niemand auf sich sitzen lassen.