Was will die Partij voor de Vrijheid?

Die Partei des einen Mannes

Derzeit würde jeder sechste Niederländer Geert Wilders wählen. Bei den kommenden Parlamentswahlen in den Niederlanden wird die rechtspopulistische PVV voraussichtlich zweitstärkste Kraft werden.

Geert Wilders dürfte neben Königin Máxima und dem Fußballspieler Arjen Robben der Niederländer sein, über den in deutschen Medien momentan am meisten berichtet wird. Umfragen zu den kommenden Parlamentswahlen sehen ihn und seine »Partei für die Freiheit« (PVV) derzeit als zweitstärkste Partei. Seine Umfragewerte fielen von gut 20 Prozent im Januar auf unter 15 Prozent am vrgangenen Wochenende Wochenende. Allerdings haben alle anderen Parteien eine Koalition mit ihr ausgeschlossen. Ob sich wieder Parteien auf eine Duldung durch Wilders einlassen werden, gilt als unwahrscheinlich. Seine Chancen, Ministerpräsident zu werden, stehen daher derzeit schlecht.
Die Visionen des von Wilders maßgeblich geprägten und für das Land neuen Rechtspopulismus beschreibt der niederländische Politologe und Wilders-Biograph Meindert Fennema in der FAZ: »Die ›Neue Rechte‹ ist nicht gegen die Juden, sondern für die Juden. Nicht gegen Amerika, sondern für Amerika. Nicht gegen den Kapitalismus, sondern für den Kapitalismus.« Was den Kommunikationsstil angeht, orientiert sich Wilders neuerdings gerne an US-Präsident Donald Trump. Ähnlich wie sein amerikanisches Vorbild nutzt Wilders den Kurznachrichtendienst Twitter. »Gestern ein neues Amerika und morgen ein neues Europa«, twitterte er nach Trumps Wahlsieg im November 2016. Über 760 000 Follower hat Wilders, in einem Land, das nur etwas mehr als 16 Millionen Einwohner zählt.
In Europa sucht Wilders das Bündnis mit anderen rechtspopulistischen Parteien, die sich jüngst mit einigem Erfolg an seinem Programm – oder Versatzstücken daraus – orientieren. Seine Partei gehört im EU-Parlament der Fraktion »Europa der Nationen und der Freiheit« (ENF) an, die vom französischen Front National (FN) dominiert wird. Bei einer großen ENF-Konferenz im Januar dieses Jahres in Koblenz ­lobte er die AfD. Endlich habe er in Deutschland einen erfolgreichen Partner gefunden. Die politische Situation habe sich verändert. Nun sei es Zeit, ein neues Europa zu erschaffen. Zudem schürte der Niederländer Ängste vor muslimischen Einwanderern. Blonde Frauen würden sich nicht mehr auf die Straße trauen. Den Koran vergleicht Wilders regelmäßig mit »Mein Kampf« und fordert dessen Verbot. Im Wahlkampf forderte er sogar ein Verbot des Islams in den Niederlanden. Der Islam sei keine Religion, sondern eine »aggressive Ideologie«. Wilders forderte Grenz­kontrollen und möchte, dass die Niederlande die Euro-Zone verlassen. Sein Bruder Paul Wilders würde wohl davon abraten. In einem Interview mit dem Spiegel sagt er, ­Geert sei schon in der Jugend eine »entsetzliche Plage« gewesen. Jetzt sei er »sozial isoliert« und habe keinen Kontakt zur Bevölkerung. Für Geert Wilders dürfte diese Kritik nicht schädlich sein. Jede Form der Inszenierung und Thematisierung seiner Person ist ihm willkommen.
Bei Wilders’ Selbstinszenierung spielt der Kampf gegen den Islam eine zentrale Rolle. In einer »Botschaft an die Muslime« schildert er in seinem Blog, wie er zum ersten Mal mit dem Islam in Berührung kam. Im Jahr 1982 sei er zusammen mit einem Freund als Backpacker von Eilat in Israel nach Sharm al-Sheikh und Kairo gereist. Ausführlich beschreibt er, wie angstvoll die Stimmung in Sharm al-Sheikh während eines Besuches von Präsident Husni Mubarak gewesen sei. Außerdem habe er in Kairo, nachdem er schmutziges Wasser getrunken habe, mehrere Tage mit Durchfall auf dem Boden einer Herberge gelegen. Nachdem Wilders sein damaliges Leid ausführlich ­beschrieben hat, fragt er empört, weshalb Ägypten nicht mit den Entwicklungen der Menschheit Schritt gehalten habe. Seine Antwort: Der Islam sei schuld. Am Ende der Botschaft ruft Wilders die Muslime dazu auf, sich vom Islam loszusagen. Dann könnten auch sie ein Leben in Freiheit führen.
Wilders wuchs in der Kleinstadt Venlo nahe der deutschen Grenze auf. Seine Mutter stammt aus der ehema­ligen niederländischen Kolonie Indonesien. Wilders frühe Karrierestationen sind bieder: eine Versicherung, ein juristisches Fernstudium und eine Anstellung in der Kontrollbehörde für Sozial- und Krankenversicherung. 1989, als die »Volkspartei für Freiheit und Demokratie« (VVD), die rechts­liberale Partei in den Niederlanden, die derzeit den Ministerpräsidenten stellt, mit 14,6 Prozent ein schlechtes Ergebnis bei den Parlamentswahlen erzielte, trat er in die Partei ein. Bis 1998 arbei­tete er für die Fraktion, dann wurde er selbst ins Parlament gewählt. Im September 2004 trat er aus der VVD aus, denn die Zustimmung seiner Partei zu EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fand er verkehrt. Im Parlament machte er daraufhin als Ein-Mann-Fraktion »Groep Wilders« weiter.
Der von einem Islamisten begangene Mord an dem niederländischen Filmemacher Theo van Gogh im November 2004 verhalf Wilders zu seinem internationalem Durchbruch. Wilders äußerte sich schnell, pauschalisierend und vor allem medienwirksam zu dem Fall. Daraufhin erhielt auch er Morddrohungen von Islamisten und lebt seitdem unter Polizeischutz. Mitte Februar dieses Jahres geriet Wilders Personenschutz in die Schlagzeilen. Ein Beamter, der Veranstaltungsorte untersuchte, war festgenommen worden, weil er Daten an eine kriminelle Bande verkauft haben soll. Wilders sagte daraufhin kurzzeitig alle Auftritte ab. Die Polizei betonte, es habe keine Gefahr für den Politiker bestanden. Um Wilders Sicherheitsbedürfnis ranken sich Mythen. Angeblich soll er jede Nacht an einem anderen Ort schlafen. Nach eigenen Angaben sieht Wilders seine Frau, die ungarische Diplomatin Krisztina Marfai, deshalb nur alle ein oder zwei Wochen.
2006 gründete Wilders schließlich die PVV. Sie hat nur ein Mitglied: Geert Wilders. Was die Partei macht, bestimmt er. In den Niederlanden sind Parteien als Vereine organisiert. Ein Verein benötigt zwei Mitglieder. Wilders selbst und seine Stiftung gründeten den Verein »Vereniging Groep Wilders«, der sich den Namen »Partij voor de Vrijheid« für Wahlen registrieren ließ. Nachteil der Minipartei ist, dass sie nicht groß genug ist, um von der staatlichen Parteienfinanzierung zu profitieren. Dieser Status hat aber auch einen Vorteil. Die Partei muss nämlich weniger Informationen über Spenden veröffentlichen. Wilders hat zudem in der Partei das alleinige Sagen. Die Parlamentskandidaten wählt er persönlich aus. Damit will er verhindern, dass »die falschen Leute« die Partei übernehmen. Einen Teil ihres Personals rekrutiert die PVV aus den Resten der »Lijst Pim Fortuyn«, die nach dem Mord an Pim Fortuyn im Jahr 2002 zerfiel.
Wilders’ PVV zog im November 2006, wenige Monate nach ihrer Gründung, mit 5,9 Prozent der Stimmen ins Parlament ein. 2009 sorgte sie mit 17 Prozent bei den Europawahlen für Aufsehen. Vor den Parlamentswahlen 2010 fiel Wilders mit schrillen Forderungen auf. So wollte er von der Regierung wissen, wie viele Kosten ein muslimischer Einwanderer verursache. Außerdem schlug er eine »Kopftuchsteuer« vor. Pro Jahr und Kopftuch sollten 1 000 Euro gezahlt werden.
Die PVV konnte ihr Ergebnis bei den Parlamentswahlen 2010 verdreifachen. Von 2010 bis 2012 duldete die PVV eine Koalition aus VVD und dem CDA. Bei den Parlamentswahlen 2012 wählten nur noch knapp zehn Prozent der Wähler die PVV. Während des Wahlkampfes hatten sich mehrere Abgeordnete von Wilders distanziert und ihm unter anderem die Annahme von Schmiergeldern und einen diktatorischen Führungsstil »wie in Nordkorea« vorgeworfen. Vorerst wird Wilders sich mit dem Status des von den Rechten geliebten Oppositionsführers begügen müssen.