Das Umfeld der dahinsiechenden NPD bemüht sich um Nachwuchs

Jugend mit altbekannten Gesichtern

»Junge Revolution«, »Jugend packt an« – so heißen Gruppen, mit denen Neonazis Nachwuchs rekrutieren wollen. Die Beteiligten kommen häufig aus der dahinsiechenden NPD oder deren Umkreis.

»Polizei löst wildes Camp in Stützerbach auf«, titelten Thüringer Lokalzeitungen Ende Juli. Auf einer Wiese in dem zur Stadt Ilmenau gehörenden Ort hatte demnach »rechte Klientel« Zelte aufgeschlagen. Weil sich die Beteiligten nicht an die Hygiene- und Versammlungsauflagen hielten, löste die Polizei das Treffen auf. Was in der Pressemeldung zunächst wie ein wildes Zeltlager einer örtlichen Saufkameradschaft klang, war jedoch ein gut vorbereitetes Treffen etwa 20 militanter Neonazis.

Bilder in sozialen Medien zeigen, dass das Zusammentreffen von einer Organisation namens »Junge Revolu­tion« organisiert wurde. Örtlichen Antifaschisten zufolge sollen sich »militante Neonazis aus verschiedenen Bundesländern« in dem Ort mit knapp 1 500 Einwohnern eingefunden haben, unter anderem »rechte Fans des FC Rot-Weiß Erfurt«. Auf den Fotos ist zu erkennen, dass bei dem Zeltlager die sportliche Ausbildung der Teilnehmer im Vordergrund stand. Die Sprecherin für Antifaschismus der Linkspartei im Thüringer Landtag, Katharina König-Preuss, bewertete das Treffen als eine Art Wehrsportübung. Solche Ver­anstaltungen dienten dazu, »unter dem Label des Campens Fähigkeiten zu ­erwerben, um gezielt politischen Gegnern teils schwere Verletzungen zuzufügen«, schrieb die Politikerin in einer Pressemitteilung.

Angesichts der prominenten Beteiligten klingt es unwahrscheinlich, dass ein bisher kaum bekannter Neonazi allein hinter der Gruppe »Junge Revolution« steckt.

Wer genau hinter der bundesweit agierenden Gruppe »Junge Revolution« steckt, ist bisher nicht vollständig geklärt. Nach Kenntnis von König-Preuss handelt es sich bei dem Veranstalter in Stützerbach um »einen Neonazi, der aus dem Umfeld der extrem rechten Partei ›Der III. Weg‹ aus Zwickau stammt und inzwischen in den thüringischen Ort Kloster Veßra gezogen ist«. An dem Treffen teilgenommen hätten auch der Organisator der größten neonazistischen Kampfsportveranstaltung, »Kampf der Nibelungen«, und Vertreter der in Mecklenburg-Vorpommern tätigen Gruppe »Aktionsblog/Baltik Korps«.

Angesichts der prominenten Beteiligten klingt es unwahrscheinlich, dass ein bisher kaum in Erscheinung getretener Neonazi allein hinter der Gruppe »Junge Revolution« steckt. »Ob die Organisation tatsächlich vor allem von Schülern und Auszubildenden getragen wird«, sei »fraglich«, konstatiert das Online-Portal Belltower News. Dort wird vermutet, dass Tommy Frenck, der das Gasthaus »Goldener Löwe« in Kloster Veßra besitzt und Rechtsrockkonzerte organisiert hat, »in die mittelfristige Planung« des Youtube-Kanals von »Junge Revolution« integriert sei. Sicher ist, dass Frenck in einem Youtube-Format der Organisation mit dem Titel »Gasthausgespräche« ab der dritten Folge die Moderation übernahm. Er war zudem Vorsitzender des mittlerweile aufgelösten NPD-Kreisverbands Hildburghausen war und ist zurzeit Kreistagsabgeordneter für das »Bündnis Zukunft Hildburghausen« (BZH).

In der fünften Folge dieser Serie von Ende März interviewte Frenck den ehemaligen Vorsitzenden des Berliner Landesverbands der NPD und jetzigen Bundesorganisationsleiter der Partei, Sebastian Schmidtke, zum Thema Covid-19. Im Verlauf des Gesprächs bezeichnet Frenck seinen Gesprächspartner als »Neubürger im Landkreis Hildburghausen«. Schmidtke dürfte der Umzug nach Thüringen dank seiner engen Bekanntschaft mit den dort ansässigen Nazis nicht schwergefallen sein. In Berlin hatte es der damalige Inhaber eines Geschäfts für Outdoor- und Security-Bedarf nicht allzu leicht. Im Juni vergangenen Jahres waren Antifaschisten in seine Wohnung eingebrochen, hatten die Einrichtung zerstört und Computer und USB-Sticks entwendet.

Auch der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz und Baldur Landogart ­gehört zu den Interviewten. Letzterer war Mitglied des NPD-Bundesvorstands, verließ die Partei aber im vergangenen Jahr wegen ihres »katastrophalen Gesamtzustands«.
Wegen dieses Zustands sucht die Partei offenbar händeringend nach Nachwuchs. Deshalb veranstalten die Jungen Nationalisten (JN), die Jugendorganisation der NPD, die Kampagne »Jugend packt an. Du – Ich – Wir«. Mit dem Motto »Wir helfen, wo der Staat versagt« wollen sich die Jungnazis offenbar als fleißige Helferlein auf lokaler Ebene ins Gespräch bringen. Mit Reinigungsarbeiten an Grünanlagen, Spielplätzen und Denkmälern für verstorbene Soldaten inszenieren sie sich als patente Saubermänner. Zuletzt entfernten Mitglieder der Initiative eigenen Angaben zufolge den Schriftzug »Decolonize Berlin« vom Sockel des Bismarck-Denkmals im Berliner Tiergarten.

»Junge Revolution« hingegen ist nicht an einem Image als biedere Putztruppe gelegen. In Videos gibt sich die Organisation ähnlich der Identitären Bewegung gern aktionistisch. Auf dem für März geplanten »Revolutionären Kongress« der Gruppe sollten bekannte Vertreter des militanten Neonazimilieus wie Michael Brück (Die Rechte), Alexander Deptolla (Kampf der Nibelungen) und Frank Krämer (Sonnenkreuz-Versand) auftreten. Die Veranstaltung wurde jedoch wegen der pandemiebedingten Einschränkung der Versammlungsfreiheit abgesagt. Stattfinden sollte sie im Gasthaus Haack im sächsischen Neuensalz. Die Antifaschistischen Gruppen des Vogtlands (AGV) bezeichneten den Gasthof 2014 als »Rückzugsort für neonazistische Aktivitäten«. Im November 2019 fand dort der jüngste Bundeskongress der JN statt.