Die Bevölkerung griechischer Inseln hat gestreikt

Allein im Meer

Auf mehreren griechischen Inseln hat die Bevölkerung gegen die verheerende Asyl- und Flüchtlingspolitik gestreikt.

Nichts ging mehr, sogar Kioske, Tavernen und Cafés hatten geschlossen. Vergangene Woche trat ein großer Teil der Bevölkerung von Lesbos, Chios, Samos und anderer kleiner griechischer Inseln, auf denen sich sogenannte Flüchtlings-Hotspots befinden, in den ­Generalstreik. Fast ein Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner von Mytilini, der Hauptstadt von Lesbos, war am 22. Januar auf der Straße. In der Gemeinde Mytilini liegt das berüchtigte Lager Moria, in dem inzwischen mehr als 19 000 Menschen leben müssen. ­Neben diesem und anderen Lagern sind in Olivenhainen wilde Zeltstädte entstanden, in denen sanitäre Einrichtungen nicht funktionieren, von medizinischer Versorgung, Strom und Heizung ganz zu schweigen. Ihnen reiche es, so die Streikenden, seit über fünf Jahren trügen sie die Folgen der gescheiterten EU-Flüchtlingspolitik.

Bislang war eher erstaunlich, mit welcher Geduld sie die Lage ­ertrugen. Denn nicht nur die Flüchtlinge in den völlig unzureichenden Lagern, sondern auch die Inselbewohner leiden immer mehr unter der untragbaren Situation. Die konservative Partei Nea Dimokratia (ND) gewann mit ihrem Versprechen, sich dieses Problems vorrangig anzunehmen, vergangenen Juli die Parlamentswahl. Viel wurde seitdem geredet und angekündigt, das Asylrecht verschärft, die Grundversorgung der Flüchtlinge weiter eingeschränkt. Es gab zahlreiche, offenbar auch illegale Abschiebungen, große Pläne zur Umsiedlung und Rückführung von Zehntausenden Geflüchteten wurden angekündigt. Lebten im vergangenen Herbst schon über 20 000 Flüchtlinge auf den Inseln, sind es mittlerweile mehr als 40 000. Im Dezember vergangenen Jahres weigerte sich Deutschland, einige Tausend unbegleitete Minderjährige aus Moria aufzunehmen. Auch aus anderen Ländern kommt kaum Hilfe, Griechenland wird von der EU weitgehend alleingelassen.

Längst haben Bevölkerung und Politiker auf den Inseln die Hoffnung verloren, dass die griechische Regierung wirklich handeln wird. Schließlich heißt es seit Jahren, die Situation in den Hotspots müsse geändert werden, die Menschen sollten dort im Rahmen des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei eigentlich nur kurzfristig untergebracht werden. Viele Asylsuchende warten nun schon länger als ein Jahr auf ihren Entscheid. Würden die Hotspots offiziell aufgelöst, wie von unzähligen Hilfsorganisationen ­gefordert, müsste die EU eingestehen, dass das Abkommen nicht funktioniert.

Gerne würde die griechische Regierung die Menschen in entlegenen ehemaligen Militäranlagen, etwa an der bulgarischen Grenze, unterbringen. Aber auch dort regt sich Widerstand und eine minimale Grundversorgung wäre kaum gewährleistet. Pläne, »geschlossene Einrichtungen«, also Internierungslager, auf den Inseln zu errichten, stoßen ebenfalls auf Ablehnung (Jungle World 48/2019). Man wolle nicht zum »Guantanamo Griechenlands« werden, heißt es etwa auf Lesbos.

Schließlich demonstrierten die Inselbewohner nicht nur gegen die untragbaren Zustände, sondern forderten auch humane Lösungen für die Flüchtlinge. Die Regierung kann weder das eine noch das andere bieten. Dafür bräuchte es auch eine einheitliche europäische Regelung. Die aber wird wohl kaum kommen, schließlich möchte dieser Tage niemand zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen. Derweil droht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan weiter, die türkischen Grenzen zu öffnen und die Geflüchteten in die EU zu lassen (siehe nebenstehenden Artikel). Vermutlich wird es also weitergehen wie zuvor, bis in Moria womöglich die Cholera oder eine andere Seuche ausbricht – was einige Ärzte bereits befürchten.