Russland verstärkt die Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten

Die Russen kommen

Russland verstärkt die militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten. Eine undurchsichtige Rolle spielt dabei das private russische Söldnerunternehmen Wagner.

Der Tod von fünf Russen in Mosambik sorgt für Aufsehen. Am 29. Oktober ­berichtete das Nachrichtenportal Carta de Moçambique, die fünf russischen Söldner seien bei einem Hinterhalt islamistischer Rebellen in der Provinz Cabo Delgado im Norden Mosambiks getötet worden. Dort gibt es große ­Gasvorkommen und seit Jahren Angriffe von Jihadisten. Oppositionelle russische Medien verbreiteten die Information mit dem Hinweis, es habe sich um Mitarbeiter des privaten Militärunternehmens Wagner gehandelt. Offizielle russische Stellen kommentierten den Vorfall nicht. Der Pressesekretär von Präsident Wladimir Putin, Dmitrij Peskow, hat bereits Anfang Oktober die Anwesenheit russischer Soldaten in dem südostafrikanischen Land bestritten. Der Anlass für diesen Kommentar war eine ähnliche Nachricht gewesen; es kursierten Berichte über einen in ­Mosambik gefallenen Russen, die offiziellen Stellen bezeichneten diese ­jedoch als Gerüchte. Das ZDF berichtete hingegen, im September seien »203 vor allem russische Soldaten, drei Kampf­helikopter, Militärtechnik der neuesten Generation, zwei Arten von Militärlastwagen« in Cabo Delgado eingetroffen. Zu Mosambik hatte die Sowjetunion früher gute Kontakte, das Verhältnis kühlte sich später allerdings ­etwas ab. Die ehemals marxistisch-leninistische Befreiungsbewegung Frelimo regiert das Land immer noch.

Die Afrikapolitik Russlands steht selten im Mittelpunkt des russischen ­öffentlichen Interesses, doch das scheint sich zu ändern. Dafür gibt es zwei Gründe: die derzeitige Debatte über die Streichung der Schulden afrikanischer Staaten, die meist noch aus sowjetischen Zeiten stammen, und die verstärkte militärische Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern auf offizieller und inoffizieller Ebene. Die Sowjetunion hatte im Kalten Krieg in zahlreichen afrikanischen Ländern ihr ideologisch nahestehende Befreiungsbewegungen unterstützt, es gab militärischen und wirtschaftlichen Austausch. An manche dieser Kontakte will Russland wieder anknüpfen.

Am 23. und 24. Oktober fand in Sotschi der erste Russland-Afrika-Gipfel statt; er wurde von verschiedener Seite kritisch beäugt. »Im Gipfelprogramm wird die knallharte Wirtschaftsagenda nur dürftig mit dem Anspruch internationaler Weltpolitik kaschiert«, schrieb etwa der Spiegel. Auch die liberale Opposition in Russland geizte nicht mit Kritik: Während es in Russland an Infrastruktur mangele, streiche Putin ­frikanischen Staaten die Schulden. Diese Staaten würden regiert von Tyrannen und seien bevölkert von unfähigen Faulpelzen, die auf Kosten der russischen Steuerzahler lebten, so der Tenor. Für Empörung sorgte die Ankündigung des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung, Maksim Oreschkin, Russland werde für die Verbesserung der Lebensqualität in afrikanischen Ländern sorgen. Bilder von verarmten russischen Rentnern wurden daraufhin auf oppositionellen Youtube-Kanälen mit der Aufzählung der Milliardensummen an Schulden unterlegt.

 

Der bekannte Oppositionelle Aleksej Nawalnyj, Absolvent der Russischen ­Universität der Völkerfreund­schaft in Moskau – die bis 1992 den Namen des 1961 ermordeten ersten Premierministers des unabhängigen Kongo, Patrice Lumumba, trug –, plädierte dafür, bei der Afrikapolitik von China zu lernen: Statt Geld zu geben, solle man mit eigenen Arbeitskräften Infrastruktur aufbauen; falls die Länder die Kosten nicht bezahlen könnten, sollten die Erbauer sie in Konzession nutzen dürfen. Kritiker wie der ehemalige Diplomat Nikolaj Platoschkin, der der russischen KP nahesteht, weisen zumindest darauf hin, dass die Kredite dafür genutzt wurden, industrielle Produkte in der Sowjetunion und später in Russland zu kaufen, was dort Arbeitsplätze schuf.

Das Interesse der russischen Opposition an der militärischen Zusammen­arbeit der Regierung mit immer mehr afrikanischen Ländern ist vor allem der Rolle des Gastronomieunternehmers Jewgenij Prigoschin geschuldet, von westlichen und oppositionellen Medien häufig als »Putins Koch« tituliert. Dem vorbestraften Inhaber der florierenden Catering-Firma Konkord wird vorgeworfen, die russische »Trollfabrik« zur Manipulation von Internetbeiträgen aufgebaut zu haben und der eigentliche Leiter des Söldnerunternehmens Wagner zu sein. Dessen offizieller Leiter Dmitrij Utkin wurde russischen Medien zufolge 2017 zum Generaldirektor von Konkord ernannt. Kämpfer der Gruppe Wagner sollen vor allem im Donbass, auf der Krim und in Syrien im Einsatz sein. In den vergangenen Jahren berichteten verschiedene Medien auch von Einsätzen im Sudan an der Seite des damaligen Diktators Omar al-Bashir sowie in Madagaskar, wo die Söldner die russischen Berater des ehemaligen Präsidenten und Kandidaten bei den Wahlen 2018, Hery Rajaonarimampianina, bewachten.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Tätigkeit russischer Kämpfer in Afrika, nachdem Ende Juli 2018 in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) drei russische Journalisten ermordet worden waren. Orhan Dschemal und Kirill Radtschenko waren dort im Auftrag des oppositionellen ehemaligen Oligarchen Michail Chodorkowskij unterwegs, um die Machenschaften der Gruppe Wagner in der ZAR aufzudecken (Jungle World 6/2019). Der Dokumentarfilmer Alexander Rastorgujew war für seine proukrainische Haltung bekannt, bei Dschemal handelte es sich um den Sohn des verstorbenen Islamisten Gejdar Dschemal, eines ehemaligen Mitstreiters des rechtsextremen Philosophen Alexander Dugin. Orhan Dschemal interessierte sich für die russische Unterstützung christlicher Milizen in der ZAR, denen Massenmord an der muslimischen Bevölkerung vorgeworfen wird. Regierungsnahe russische Medien behaupteten, die ehemalige Kolonialmacht Frankreich unterstütze die Rebellenkoalition Séléka, die sich vorwiegend aus muslimischen Milizionären rekrutierte und unter anderem Christen angegriffen hatte (Jungle World 2/2014). Die oppositionellen Medien beschuldigten den ehemaligen russischen Polizeioffizier Alexander Sotow, den Überfall auf die drei Journalisten koordiniert zu haben.

 

Dass Wagner in der ZAR operiert, wird offiziell geleugnet. In einem Dokumentarfilm des russischen Staatssenders Rossija 1 über russische Militärinstrukteure in der ZAR, der die »Gerüchte« über Wagner zu zerstreuen und den Tod der Journalisten als Resultat ihres leichtsinnigen Verhaltens im Gefahrengebiet darzustellen versuchte, war jedoch ein Zettel mit »Grundsätzen« (für die russischen Soldaten im Auslands­einsatz) zu sehen, der ein Wasserzeichen mit dem der Gruppe Wagner zugeschriebenen Logo trug. Dass Vertreter der russischen Regierung und Wagners oft am selben Tisch sitzen, war auch bei den Verhandlungen mit dem libyschen Warlord Khalifa Haftar zu beobachten. Als dieser im November vergangenen Jahres in Moskau Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu traf, war auch Prigoschin zugegen. Er behauptete, er habe sich nur um das Catering gekümmert, Fotos zeigen ihn jedoch am Verhandlungstisch sitzend.

In der ZAR ist russisches Militär offiziell präsent. Die Regierung des Präsidenten der ZAR, Faustin Archange Touadéra, schloss im August 2018 ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit mit Russland. Auf dem Gipfel in Sotschi bat Touadéra Putin, die Militärhilfe auszuweiten und dabei zu helfen, das internationale Waffenem­bargo aufzuheben. Im September lockerte der UN-Sicherheitsrat das seit 2013 ­geltende Waffenembargo gegen die ZAR.

In Sotschi verhandelten Russlands Vertreter mit über 20 afrikanischen Staaten über Waffenlieferungen, Militärausbildung und die Entsendung von Beratern, wie die russische Wirtschaftszeitung RBK berichtete. Darunter sind nicht nur alte Verbündete aus der Sowjetzeit wie Angola und die Republik Kongo, sondern auch traditionell eher am Westen orientierte Staaten wie Nigeria, Marokko und Ruanda. Russland ist nicht nur am Absatzmarkt für Waffen und am Rohstoffabbau ­interessiert. So änderte sich nach einem Rohstoff­abkommen mit Guinea unversehens das Abstimmungsverhalten des Landes in der Uno in Fragen, die die Konflikte Russlands mit der Ukraine und Georgien betreffen.