Babsi Tollwut über Sexismus im Deutschen Rap

»Von der Gefickten zur Fickerin werden«

Interview Von Ole Sauer

Misogynie ist in keinem Musikgenre so offenkundig wie im Deutschrap. Die Berliner Rapperin Babsi Tollwut über Sexismus, Quotenfrauen und das emanzipatorische Potential von Sprache.

Es war nicht einfach, eine Interviewpartnerin zum Thema Sexismus im Deutschrap zu finden. Viele der Angefragten hatten kein Interesse daran, sich zu äußern. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Ich könnte mir vorstellen, dass die Motivation bei vielen gering ist, sich zu Sexismus zu äußern, schließlich muss man sich als Frau eh schon per- manent damit befassen. Vielleicht haben diese Frauen auch mal Bock, ohne dieses Label »feministisch« und »die Frau im Rap« einfach mal über Musik zu reden. Die sind einfach irgendwann müde, immer wieder zu den strukturellen Ungerechtigkeiten befragt zu werden, denen sie ausgesetzt sind.

Oliver Marquart, der Chefredakteur von rap.de, hat vor ein paar Wochen in einem Kommentar ­geschrieben, Deutschrap brauche eine »Metoo«-Debatte.
Es braucht weniger eine »Metoo«-Debatte als vielmehr ein generelles ­Bewusstsein über Machtverhältnisse im Rap, und dazu zählt nicht nur Sexismus. Es kann nicht sein, dass es in der Verantwortung der Opfer liegt, sich um die Täter zu kümmern. Im Gegenteil müssen die Leute, die von den Machtverhältnissen profitieren, anfangen zu reflektieren, ihre Privilegien hinterfragen und mal überlegen, ob sie das wirklich noch so sagen können oder nicht. Es ist nicht Aufgabe der Frau, zu sagen, dass sie Gewalt erfahren hat, weil – ganz ehrlich – das hat jede schon mal. Man ist ja nicht erst von Sexismus betroffen, wenn man einen sexualisierten Übergriff überlebt hat, Sexismus ist ja eine Struktur. Es fängt bei der Unfähigkeit von Männern an, abseits ihrer Liebesbeziehungen über ihre ­Gefühle zu reden, und endet in Gewaltbeziehungen.

Welche Rolle haben Frauen im Deutschrap?
Ich bin immer noch oft die Quotenfrau, dann steht ein Haufen Typen auf der Bühne und dazwischen gibt es irgendwo mich. Wenn ich Glück habe, bin ich nicht die Erste, die auftreten muss. Aber wir werden immer mehr Rapperinnen, im Vergleich zu dem Stand vor einigen Jahren passiert da viel. Leider oft unsichtbar, viele Frauen werden einfach nicht wahrgenommen. Deswegen bist du immer noch etwas Besonderes. Ich stell mich auch manchmal noch so vor: »Hallo, ich bin die Quotenfrau.« Ich kokettiere damit.

 

Du rappst: »Ich spreche sie perfekt, eure Gewaltsprache, und ficke dann dich, indem ich deine zu meiner Gewalt mache.« Braucht es mehr Gewalt gegen Sexisten?
Das ist eine gute Frage. Nein, es ist ­natürlich ein sehr doppeldeutiger Track, generell sind meine Texte eher metaphorisch als auserzählt. Ich meine eher, sich zur Wehr zu setzen und sich aus der Rolle herauszunehmen und von der Gefickten zur Fickerin zu werden. Ich verstehe genau, was die Leute machen, ich spiele damit auch. Wenn ich einen Trottel vor mir habe, der das Bedürfnis hat, den krassen Typen heraushängen zu lassen und mir unbedingt Bier kaufen will, dann nehme ich das Bier und gehe weiter. Ich verstehe, was da abgeht, ich verstehe damit umzugehen, ich verstehe die Sprache, ich höre sie mein Leben lang. Und die Gewalt, die ich erfahre, gebe ich auch zurück.

Wie ist der Song entstanden?
Den Text habe ich in diesem superheißen Sommer letztes Jahr geschrie­ben und ich hatte da echt keinen Bock mehr. Ich hab mir so viel Scheiße angehört, wurde so viel angelabert, ­angebaggert, begrapscht. Ich musste den Track einfach machen, ich muss auch irgendwo hin mit dieser Wut. Wenn du permanent so etwas erlebst, was sollst du damit machen? Es ist auch befreiend für mich, in dieser Weise auf catcalling zu antworten. Früher bin ich immer in eine Schockstarre reingerutscht, inzwischen bin ich schlagfertig und sage was.

Rapper, die in ihren Texten offen Vergewaltigungen besingen, schaffen es derzeit damit in die Charts. Ist da eine Grenze überschritten worden?
Rap ist ja nur ein Medium und zeigt auch nur, was die Leute eh denken. Wer bin ich, zu sagen, was Rap darf oder nicht darf? Ich kann eh nichts dagegen tun. Ich glaube, daran wird vor allem deutlich, wie unfassbar sexistisch und patriarchal organisiert diese Welt ist. Dagegen was zu tun, ist der Job von allen, vor allem von den Typen. Abseits der Extrembeispiele glaube ich, dass jeder seine kleinen dreckigen Ecken in sich hat, wo Machtverhältnisse verinnerlicht wurden, da muss auf jeden Fall saubergemacht werden. Aber natürlich steckt in jedem musikalischen Alter Ego auch viel von einem selbst, irgendwoher muss der Output ja kommen. Rapper wie Gzuz sind eine ­musikalische Ausformulierung der patriarchalen Verhältnisse und machen himmelschreiend klar, was es für Probleme gibt.

Neu ist misogyner Rap nicht, neu ist aber sein kommerzieller Erfolg. Wird die Stimmung in der Gesellschaft schlimmer?
Ich glaube, es wird nur anders geschockt. Es gibt eine Veränderung, auch dahingehend, dass es immer schwieriger wird zu provozieren. Es dreht sich ja alles nur darum, bekannter zu werden, immer mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Es geht um Klicks und Likes, und die müssen irgendwie erzeugt werden. Gewalt in Beziehungen, Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigungen, das ist alles nichts Neues. Es ist aber neu, dass jetzt mehr darüber geredet wird.

 

Du schreibst auf Facebook, du willst »gegen abartige patriarchale Ekelhaftigkeit anrappen«. Kann Sprache politische Veränderung bewirken?
Auf jeden Fall. Sprache ist das, womit alle Menschen ständig in Verbindung sind. Sprache repräsentiert auch die gesellschaftliche Macht. Man kann mit Sprache richtig viel verändern. Wenn ich mich zurück erinnere, als ich angefangen habe, ­Gender Studies zu studieren, wie sich alle angekackt haben, wenn man mal einen Unterstrich gemacht hat, von wegen der Lesefluss sei gestört. Und wie es ihnen schlecht ging wegen so einem verkackten Unterstrich. Mittlerweile sind Stellenanzeigen mit Sternchen gegendert, das macht natürlich etwas in meinem Kopf, wenn ich das als Person lese, die sich nicht in die Kategorien männlich oder weiblich einordnen will. Es geht ja nicht immer nur darum, die ganzen Arschlöcher da draußen zu therapieren, sondern auch darum, die Leute, die betroffen sind, zu empowern. Also ja, man kann mit Sprache eine Menge bewirken. Es macht einen großen Unterschied, ob ich die ganze Zeit furchtbare Dinge sage und Menschen in meiner Sprache abwerte, oder ob ich das nicht tue.

Wie könnten Strategien gegen Sexismus im Rap aussehen?
Ich glaube, alle Leute haben ihren eigenen Umgang damit. Es gibt tausend Wege, etwas zu tun. Ich trete auf Demos auf, versuche weibliche MCs zu unterstützen. Andere schreiben einen Track über Sexismus und wieder andere rücken ihre Musik in den Fokus und haben keine Lust mehr, nur über Sexismus zu reden, weil sie Frauen sind.

Du bezeichnest dich selbst als queerfeministische Rapperin, deine Songs sind sehr politisch. Werden politische Forderungen in drei Minuten nicht zwangsläufig verkürzt?
Es ist ja klar, dass ich in einem Track nicht vollständige Analysen liefern kann, wie ich sie vielleicht in einer 300 Seiten starken Dissertation geben könnte. Wenn ich einen Track schreibe, streiche ich am Ende immer etwas raus. Ich habe immer zu viel. Ich verkürze mich ja schon selber, aber ich will auch nicht mein ästhetisches Empfinden hinten anstellen. Ich werde es nicht schaffen, in drei Minuten eine stabile Analyse des Kapitalismus zu bieten, wahrscheinlich bin ich dazu intellektuell auch gar nicht in der Lage. Ich finde dieses Wegducken aber auch nicht gut, zu sagen: »Wir machen jetzt keine politische Musik mehr, dann kann auch nichts Schlimmes oder Verkürztes mehr gesagt werden.«