Krieg im Jemen

Ein tiefer Riss

Im Südjemen haben sich Separatisten gegen ihre einstigen Verbündeten gewandt. Die saudische Militärallianz gegen den Iran bröckelt.

Als Mitte August Tausende von Jemeniten in der Hafenstadt Aden zusammenströmten, um die Unabhängigkeit des Südens zu fordern, war der unübersichtliche Konflikt im Jemen um eine brisante Wendung reicher. Die Kämpfer der Separatisten hatten die Kontrolle über die Stadt übernommen, ihre Anhänger feierten den Sieg über Truppen, die der international anerkannten jemenitischen Regierung von Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi unterstanden – und die kurz zuvor noch ihre eigenen Verbündeten im Kampf gegen die schiitischen Houthis im Norden gewesen waren.

Hadi war von den Kämpfen in seiner Ausweichhauptstadt Aden nicht persönlich betroffen, er residiert schon lange nicht mehr auf jemenitischen Boden, sondern in Saudi-Arabien. Die Niederlage Hadis gegen die eigenen südjemenitischen Verbündeten bedeutet auch eine erneute markante Niederlage Saudi-Arabiens in den machtpolitischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten.

Wirklich aufsehenerregend macht diese Entwicklung im Jemen allerdings der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, deren enges Bündnis bisher die arabische Halbinsel machtpolitisch dominiert. Beide Länder haben zusammen Krieg gegen die vom Iran unterstützten Houthis im Nordjemen geführt. Dabei gab es immer wieder erhebliche Spannungen zwischen ihren jeweiligen jemenitischen Verbündeten.

Denn während die Saudis das Lager des Präsidenten Hadi unterstützen, helfen die Emirate den südjemenitischen Separatisten. Dahinter verbirgt sich ein Konflikt wegen Hadis guter Kontakte zur islamistischen Partei al-Islah, die den Muslimbrüdern nahesteht, die wiederum auf der Feindesliste sowohl der Emirate wie der Saudis weit oben rangieren, mit denen sich die Saudis in diesem Fall aber pragmatisch arrangiert haben.

Riss im saudischen Machtblock

Der tiefere Grund für die Auseinandersetzungen zwischen den Saudis und den Emiraten dürfte in der fortwährenden Erfolglosigkeit aller machtpolitischen Unternehmungen der beiden Länder gegen den Iran zu suchen sein. Die anderen arabischen Verbündeten sind kaum noch bei der Stange zu halten, die Blockade und Unterwerfung Katars ist gescheitert und der Krieg im Jemen dümpelt militärisch ziellos dahin. Innerhalb der Emirate stört sich offenbar das handelsorientierte Dubai immer stärker an den Kosten der aggressiven Außenpolitik.

Dass der saudische Machtblock einen tiefen Riss aufweist, wurde Anfang Juli deutlich, als die Vereinigten Arabischen Emirate plötzlich ankündigten, sich von der Front im Jemen zurückzuziehen. Die Begründung, man wolle sich ganz auf die Spannungen mit dem Iran am Golf konzentrieren, war genauso wenig überzeugend wie die Versicherung, das sei alles mit den Saudis abgesprochen. Die Emirate haben im Gegensatz zu den Saudis, die im Jemen vor allem einen Luftkrieg führen, stark in die Ausbildung jemenitischer Milizen investiert – von 90 000 Kämpfern reden die Emirate selbst. Es sind solche Milizionäre, die nun die erneute Unabhängigkeit des Südjemen fordern, der sich nach dem Ende des Blockkonflikts 1990 mit dem Norden »wiedervereinigt« hatte, allerdings in einem bereits vier Jahre später folgenden Krieg um eine erneute Abspaltung vom Norden de facto erobert wurde.

Der Präsidentenpalast in Aden ist von den Separatisten wieder geräumt worden. Nach ihrer Machtdemonstration zogen sie sich aus den praktisch bedeutungslosen und zum Teil leerstehenden Regierungsgebäuden zurück, um eine erste Forderung Saudi-Arabiens für Verhandlungen zu erfüllen. Allerdings machten sie klar, dass sie die eroberten militärischen Camps und damit die Kontrolle über die Stadt nicht aufgeben werden.

Schlimmste humanitäre Krise der Welt

Derweil flogen saudische Kampfjets demonstrativ über Aden. Der derzeitige Nutznießer dieser Auseinandersetzung sind die Houthis im Norden, die ihr auf iranischen Prototypen basierendes Raketen- und Drohnenprogramm erheblich ausgebaut haben. Sie können mittlerweile angeblich Ziele weit im Westen Saudi-Arabiens erreichen. Am Samstag gab es einen spektakulären Drohnenangriff auf die wichtige saudische Ölförderanlage Shaybah.

Auch nach dem teilweisen Rückzug der Houthis von der Küste gab es bisher keinen ernsthaften Vorstoß ihrer Gegner in Richtung ihrer Kerngebiete oder auch nur der jemenitischen Hauptstadt Sanaa. Angesichts der nun offen ausgebrochenen Konflikte in der von Saudi-Arabien angeführten Allianz ist das auch für die Zukunft eher unwahrscheinlich.

Wie es im Jemen weitergehen könnte, ist kaum abzusehen. So schnell wird eine südjemenitische Unabhängigkeit nicht kommen, dagegen spricht schon die schiere Größe der dünnbesiedelten Region. Die Separatisten kontrollieren die Region um Aden, aber es gibt auch im Südjemen von Islamisten beherrschte Gebiete, Stämme spielen eine wichtige Rolle, und die Saudis unterhalten mittlerweile im äußersten Osten des Landes an der Grenze zu Oman Militärstützpunkte.

Am Montag war der Welttag der humanitären Hilfe. Die Krise im Jemen gilt den Vereinten Nationen weiterhin als schlimmste humanitäre Krise der Welt, fast 80 Prozent der 24,1 Millionen Einwohner des Landes sind nach deren Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das dürfte noch länger der Fall sein.