AfD-Politiker auf Nazi-Demo

Experte für Extremismus

Der AfD-Politiker Daniel Roi leitet die Linksextremismus-Kommission des Landtags von Sachsen-Anhalt. Nun ist ein Foto aufgetaucht, das ihn auf einer Nazi-Demo zeigt.

Die AfD ist wissbegierig – jedenfalls wenn es um Minderheiten und poli­tische Gegner geht. So stellte die Bundestagsfraktion der AfD 2018 eine Kleine Anfrage zur Zahl der Schwerbehinderten in Deutschland und zur Rolle des Inzests insbesondere bei betroffenen Menschen mit Migrationshintergrund. Bereits 2015 hatte die AfD in Thüringen die Landesregierung nach Erkenntnissen über die Zahl der in dem Bundesland lebenden LGBTI-Personen befragt. In Sachsen erkundigte sich die Partei kürzlich bei der Landesregierung über die Beteiligung von »Linksextremisten«, insbesondere der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU), an Demonstrationen von »Fridays for Future«.

In Sachsen-Anhalt arbeitet die Partei längst nicht mehr nur mit Anfragen, wenn es um Erkenntnisse über Linke geht. Seit fast genau zwei Jahren existiert dort eine »Enquete-Kommission zur Untersuchung von Linksextremismus«. Deren Vorsitzender der Kommission ist der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Roi. Doch das könnte sich bald ändern.

Kuck mal, wer da mitmarschiert. Der Fotograf Mario Bialek hat AfD-Mann Daniel Roi kürzlich auf einem alten Foto entdeckt. 

Bild:
Screenshot: twitter.com/mario_bialek

Ende Juni veröffentlichte der Fotograf Mario Bialek ein Foto, das Roi als Teilnehmer eines »Trauermarschs« von Neonazis zeigt; die Aufnahme hat in den beiden vergangenen Wochen für große öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt. Der AfD-Politiker hatte sich im Februar 2009 an einer revisionistischen Demonstration in Dresden beteiligt, die anlässlich des Jahrestags der alliierten Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 stattgefunden hatte.

Roi war wenige Reihen hinter einem Banner von »Freien Nationalisten« aus dem Raum Dessau mitmarschiert. Neonazis behaupten weiterhin, Briten und US-Amerikaner hätten damals ein Kriegsverbrechen an einer »unschuldigen Stadt« begangen. Sie hätten flüs­siges Phosphor abgeworfen und mit Tieffliegern die vor den Angriffen flüchtenden Menschen gejagt – Historiker haben für beide Behauptungen keine Belege gefunden. Des Weiteren nennen Neonazis deutlich zu hohe Opferzahlen. Mit Begriffen wie dem »Bombenholocaust« relativieren sie zudem die Verbrechen der Deutschen.

»Vor Ort ein eigenes Bild machen«

Nachdem das Foto öffentlich bekannt geworden war, begründete Roi auf Facebook seine Teilnahme an der Demonstration: »Für mein damaliges Vorhaben, Politik mit Schwerpunkt Extremismus studieren zu wollen, war es für mich von Interesse, mir vor Ort ein eigenes Bild von solchen Großveranstaltungen zu machen.« Er habe damals auch »Veranstaltungen des linken Spektrums aufgesucht«.

Die Landtagsfraktionen von CDU, SPD und Grünen forderten in der vergangenen Woche, Roi solle sein Amt als Vorsitzender der Enquete-Kommission aufgeben, und einigten sich auf einen entsprechenden Antrag. Henriette Quade, die innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linkspartei, sagte, es sei einmal mehr deutlich geworden, dass »diese Kommission von Anfang an ein Instrument zur Feindbestimmung der extremen Rechten war«. Die Fraktion der Linkspartei will den Antrag der anderen Fraktionen unterstützen. Damit er erfolgreich ist, müssten zwei Drittel der Landtagsabgeordneten zustimmen, also 58. Die vier Fraktionen stellen gemeinsam 63 der insgesamt 87 Abgeordneten, bei den übrigen handelt es sich um 21 derzeitige und drei ehemalige Mitglieder der AfD. Zu Letzteren zählt André Poggenburg, der zunächst Vorsitzender der Enquete-Kommission war und Anfang des Jahres nach seinem Abschied von der AfD die neue Partei »Aufbruch deutscher Patrioten – Mitteldeutschland« gründete.

Der Landtag hatte Ende August 2017 auf Antrag der AfD-Fraktion und mit der Mehrheit der Stimmen der CDU beschlossen, die Kommission zu bilden. Diese sollte dem Antragstext zufolge »unter Einbeziehung von Sachverständigen und von Wissenschaftlern untersuchen, welche linksextremistischen Strukturen in Sachsen-Anhalt bestehen und welche Aktivitäten diese entfalten«. Zudem sollte sie herausfinden, inwieweit solche Gruppen von öffent­licher Förderung profitieren und ob es personelle Überschneidungen mit Parteien gibt.

Die AfD plant den nächsten Schritt

Dass die Mehrheit der CDU-Landtagsabgeordneten für diese Kommission gestimmt hatte, sorgte nicht nur für Empörung in den anderen Fraktionen. Selbst die Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte damals die Zusammenarbeit ihrer Partei mit der AfD. Siegfried Borgwardt, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, verteidigte das Abstimmungsverhalten mit einem Verweis auf Formelles: Der Koalitionsvertrag mit der SPD und den Grünen enthalte keine Regelungen zu solchen Abstimmungen, weshalb die CDU-Abgeordneten frei wählen durften.

Im Mai 2018 veröffentlichten die ­Regierungsparteien eine gemeinsame Erklärung, in der sie auf die Bedenken der Kritiker der Kommission eingingen: »Wir stehen an der Seite derjenigen, die sich für Demokratie und Menschenrechte sowie gegen Rassismus einsetzen. Wir werden nicht zulassen, dass die Enquete-Kommission als Dif­famierungsinstrument gegen demokratische Akteure der Zivilgesellschaft missbraucht wird.« Grundlage der ­Arbeit der Kommission dürfe nicht die persönliche Meinung der AfD-Abgeordneten sein. »Deshalb sollen und müssen zunächst die Feststellungen des Verfassungsschutzes und des ­polizeilichen Staatsschutzes im Mittelpunkt der Beratungen stehen.« Einem Bericht der Welt zufolge bedauern manche CDU-Politiker ihr Abstimmungsverhalten von 2017, das »unter dem Eindruck der Hamburger G20-Krawalle zustande« gekommen sei.

Die sachsen-anhaltinische AfD ist angesichts des ganzen Vorgangs nicht erfreut. Sie schrieb in der vergangenen Woche in einer Pressemitteilung, die CDU beteilige sich an einer »linken Hetzkampagne«. Namentlich genannte Politiker und Politikerinnen von Grünen und Linkspartei seien »Antifa-Sympathisanten«, die »bereits seit einigen Wochen versuchen, das Ansehen des Vorsitzenden der Enquete-Kommission zu beschädigen und dessen Glaubwürdigkeit anzugreifen«. Die AfD plant schon weiter: Sie will erreichen, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum »Linksextremismus« eingerichtet wird. Weil der Landtag Mitte Juni einen entsprechenden Antrag ablehnte, will die Partei nach eigenen Angaben »in Kürze das Landesverfassungsgericht bemühen«.