Rechtsterrorismus und das Internet

Terror mit Ansage

Kommentar Von Elke Wittich

Erneut hat ein rassistischer Massenmörder seine Tat auf der Plattform 8chan angekündigt. Im Internet hat sich längst ein weltumspannendes Netzwerk des Rechtsterrorismus gebildet.

Lange Zeit wurden die Gefahren der Plattformen, auf denen jeder anonym Hetze und Hass verbreiten kann, heruntergespielt. Nach dem Terroranschlag von El Paso scheint sich das zu ändern – aber nun ist es zu spät, zumindest für die 22 Menschen, die am Samstag in einem Walmart-Supermarkt in der US-amerikanischen Stadt an der Grenze zu Mexiko erschossen wurden.

Die Polizei geht davon aus, dass der mutmaßliche Täter Patrick Wood Crusius eine knappe halbe Stunde vor der Tat ein rassistisches Manifest veröffentlichte – auf 8chan, das zu einem Kommunikationsforum der extremen Rechten geworden ist und auf dem bereits zuvor Terroranschläge angekündigt und gepriesen wurden. So bildet sich ein dem globalen Jihadismus vergleichbares weltumspannendes Netzwerk, das rechtsterroristische Inhalte verbreitet, potentielle Täter verbindet und diese wohl auch ermutigt – was ohne die Plattform in dieser Form nicht möglich wäre.

Ein auf dem Blog Ars Technica veröffentlichtes Interview aus dem Jahr 2015 zeigt, dass die negativen Aspekte und Gefahren von Imageboards wie 8chan in der Tech-Community nicht wirklich ernst genommen und nur zurückhaltend thematisiert wurden. Der an der Glasknochenkrankheit leidende Fredrick Brennan, der 2013 8chan als eine Art Paradies der Redefreiheit gegründet hatte, durfte in dem Interview ausführlich über seine Kindheit und Jugend sowie seinen Werdegang als Programmierer erzählen, bevor er nach dem gefragt wurde, was damals Schlagzeilen machte: Doxing, also das Veröffentlichen persönlicher Daten von Privatleuten zum Zweck gezielter Belästigungen.

Brennan zeigte sich ungerührt: Die Anonymität im Internet dürfe nicht abgeschafft werden, nur weil es »ein paar schwarze Schafe« gebe. Und ja, er fühle sich als Beschützer dieser Anonymität und im Übrigen gehe er davon aus, dass eine Abschaltung der Imageboards alles nur noch viel schlimmer machen werde.

Profit mit Hass und Terror

Mittlerweile ist Fredrick Brennan zum baptistischen Christen geworden, die Nachricht vom Terroranschlag in El Paso erreichte ihn, wie die New York Times schreibt, während er sich für den sonntäglichen Gottesdienst fertigmachte. Seine Meinung über die grenzenlose Freiheit und Anonymität der Imageboards hat er gründlich geändert: Wann immer er von einem Massenmord höre, sei nunmehr sein erster Impuls, dass geprüft werden müsse, ob es eine Verbindung zu 8chan gebe. Brennan geht nun so weit, die sofortige Abschaltung des Boards zu fordern – der derzeitige Betreiber äußerte sich nicht dazu.

Gleichwohl war 8chan am Montagmorgen offline. Denn was nach dem vom Täter live auf Facebook gestreamten Terroranschlag auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch noch brüsk zurückgewiesen worden war, war nach den Morden in El Paso plötzlich doch möglich: Cloudflare, eines der bekanntesten Unternehmen, das Schutz vor Cyberattacken verspricht, kündigte umgehend an, die Zusammenarbeit mit 8chan zu beenden. Sein CEO Matthew Prince erklärte, das Imageboard habe bewiesen, dass es »gesetzlos« sei, und »diese Gesetzeslosigkeit hat viele tragische Todesfälle bewirkt«.

Das ist eine aparte Sicht der Dinge, denn der Täter von El Paso ist eben nicht der erste, der seine Tat bei einem der Chans ankündigte. Zudem hatte Price unmittelbar nach dem Walmart-Anschlag im Gespräch mit dem Guardian noch betont, dass das Internet keineswegs zu einem besseren Ort werde, wenn Cloudflare nicht mehr mit 8chan zusammenarbeite. Womit er nicht ganz unrecht hatte, denn nach dem Mord an einer Demonstrantin in Charlottesville im Jahr 2017 hatte das Unternehmen den Vertrag mit der Neonazi-Webpage Daily Stormer aufgekündigt. Die Seite war nicht lange ­offline, bald fand sich eine andere Cybersecurity-Firma, die für den Schutz der rassistischen und antisemitischen Plattform sorgte.

Das wird auch im Fall von 8chan das Problem sein: Solange sich mit Websites Geld verdienen lässt, die Hass und Terror promoten und die millionenfach genutzt werden, wird sich immer ein Unternehmen finden, das seine Chance auf Profit nutzen wird.