Buch - Das Fischkonzert

Der stumme Tenor

Darf ein Mann, der es im Leben zu etwas bringen will, Socken tragen? Der isländische Literaturnobelpreisträger Halldór Laxness sucht in seinem Roman »Fischkonzert« nach Antworten.

Wenn der isländische Literaturnobelpreisträger Halldór Laxness einen Roman »Fischkonzert« nennt, dann sollte man mit ungewöhnlichen ­Vorkommnissen rechnen. Dass der Originaltitel einfach »Brekkukotsannáll» (Berichte aus Brekkukot) lautet, tut da nichts zur Sache – kleinliche Einwände dieser Art werden höchstens von Kopenhagener Speckbaronen erhoben! Diese Leute werden im Buch mehrfach erwähnt und heftig verachtet, sie können aber die dramatische Entwicklung der Ereignisse nicht aufhalten.

Auf dem ärmlichen Bauernhof Brekkukot in der Nähe von Reykjavik wächst der Junge Alfgrimur bei ­einem älteren Ehepaar auf, das man für seine Großeltern hält. Verwandt ist er mit den beiden nicht, genau so wenig mit dem Opernsänger Gardar Holm, auch wenn ganz Reykjavik davon überzeugt ist und dem armen Alfgrimur immer neue Fragen nach dem vermeintlichen Vetter stellt. Der Junge, der gerne bei Begräbnissen auf dem Friedhof singt, verfolgt fasziniert die Weltkarriere des isländischen Sängers Gardar Holm. Fast täglich berichten die isländischen Zeitungen über dessen Triumphe.

Doch immer, wenn Gardar Holm einen Auftritt in seiner Geburtsstadt Reykjavik ankündigt, kommt etwas dazwischen. Während die Ausreden des Opernstars immer ­bizarrer werden, haben die Bewohner des Hofs Brekkukot auch Zeit für merkwürdige Diskussionen.

Unter welchen Bedingungen darf ein Mann, der es im Leben zu etwas bringen will, Socken tragen? Und soll man sich in aller Öffentlichkeit rasieren lassen oder lieber einen Bart ­tragen?

Das sind nur einige der vielen Fragen, die Laxness in seinem erstmals 1956 erschienenen Roman ­behandelt – aber vor allem geht es um einen Tenor, der nur einmal in seinem Leben sang, und zwar für seine Mutter, die blind und taub war. Der deutsche Titel ist also gar nicht so falsch, zumal Alfgrimurs Großvater die Ansicht vertritt, die Grauquappe sei der edelste Fisch von allen.

Halldór Laxness: Das Fischkonzert. Aus dem Isländischen von Hubert Seelow. Steidl-Verlag, Göttingen, 2019, 263 Seiten, 20 Euro