Betrüger im Sport

The Queen of Sprint

Falscher Fußballer, falscher Mathematiker, falsches Geschlecht – Teil drei unserer Serie über Hochstapler und Prankster im Sport.

Alieu Darbo. Zwischen 2012 und 2016 ging der Name des schwedischen Fußballers mit gambischen Eltern in Europas Fußballszene um wie das Gespenst aus dem Kommunistischen Manifest durch das Europa der Mitte des 19. Jahrhunderts. 2013 ergatterte das angebliche Supertalent einen Dreijahresvertrag bei Dinamo Zagreb. Leider war er »verletzt«, so dass er kein Probespiel absolvieren konnte. Aber seine Referenzen waren erstklassig, ausgestellt vom renommierten Talentscout Björn Andersson. Dumm nur: Das Empfehlungsschreiben war gefälscht und wenige Monate später setzte sich Darbo aus Zagreb ab, nur um beim damaligen süditalienischen Zweitligisten FC Crotone wieder aufzutauchen, wo man ihn mit Kusshand nahm, da er ja »bei Zagreb gespielt« habe. Auf seinem Bankkonto hatte er 40 000 Euro, die man ihm in Kroatien dafür bezahlt hatte, die peinliche Affäre nicht auffliegen zu lassen. Für den FC Crotone absolvierte Darbo exakt ein Spiel, bevor er sich wieder davonmachte.

Der Betrüger als Globetrotter. Alieu Darbo bei der Vertragsunterzeichnung in Ägypten.

Sein nächstes Ziel war das griechische Saloniki. Dort tauchte er mit ­einem gefälschten Empfehlungsschreiben des Managers von Borussia Dortmund, Michael Zorc, auf, in dem dieser darum bat, Darbo unter Vertrag zu nehmen und ein paar Jahre Spielerfahrung sammeln zu lassen, bevor er nach Dortmund wechseln sollte. Dafür, so der falsche Brief, sei man bereit, den Funktionären von PAOK Saloniki vier Millionen Euro als Aufwandsentschädigung zu zahlen. Nur Stunden, bevor der Betrug aufflog, hatte sich Darbo bereits wieder ins Ausland abgesetzt.

Er zog den Trick in Norwegen, Malta, Ägypten und Algerien erneut ab. Jedes Mal tauchte er mit phantastischen Empfehlungsschreiben auf, lieferte eine unterirdische Leistung und verschwand spätestens nach wenigen Monaten wieder in der Versenkung. Erst 2017 endete diese Hochstaplerkarriere. Das Portal »Transfermarkt.de«, auf dem Darbo noch bis 2016 einen Marktwert von 50 000 Euro hatte, listet seinen Preis seither mit null Euro. Um welche Beträge Darbo die diversen Fußballclubs insgesamt geprellt hat, ist bis heute unklar, da bislang niemand, vermutlich aus Scham, Strafanzeige erstattet hat. Darbo freilich bestritt alle Vorwürfe.

John von Neumann mit Dreadlocks

»John von Neumann«. 1993 meldete sich ein bislang völlig unbekannter Spieler zu dem Schachturnier World Open in Philadelphia an. Er schrieb sich unter dem Namen »John von Neumann« ein und keinem der Organisatoren fiel auf, dass das ein Pseudonym sein könnte. Und zwar eines, das sozusagen mit dem Zaunpfahl winkte, war doch der echte von Neumann einer der Begründer der Informatik, dessen Name in IT-Kreisen oft in einem Atemzug mit Alan Turing genannt wird. Der »von Neumann« in Philadelphia war jedenfalls schwarz und trud Dreadlocks, und der echte Neumann, ein weißer jüdisch-ungarisch-amerikanischer Mathematiker, war bereits seit Jahrzehnten tot. Der junge Afroamerikaner verblüffte Publikum und Experten mit einer exzellenten Partie gegen den isländischen Großmeister Helgi Ólafsson, dem er neun Runden lang die Stirn bot. ­Sicher, da war eine komische Ausbeulung in »von Neumanns« Hose, von der ein leises Summen ausging. Klar, es war ungewöhnlich, dass der Spieler Kopfhörer trug. Aber hey, niemand wollte ein junges Talent zu Unrecht verdächtigen und schon gar keiner wollte sich des Rassismus schuldig machen.

Trug keine Dreadlocks und war 1993 bereits 36 Jahre tot: der echte John von Neumann.

Bild:
mauritius images / Los Alamos National Laboratory

In Runde neun hörte das Summen aus »von Neumanns« Hosentasche plötzlich auf und er konnte sich 40 Minuten lang nicht dazu entscheiden, den nächsten Zug zu machen, obwohl er, was selbst Schachanfängern klar war, nur einen vernünftigen übrig hatte. Er entschuldigte sich und ging zur Toilette. Kaum zurück, machte er seinen Zug und besiegte den verblüfften Großmeister. Dafür sollte er ein Preisgeld von 800 Dollar für siegreiche Amateure erhalten, doch als die Jury ihn vor der Überreichung des Schecks bat, ein paar ganz einfache Grundregeln des Schachs zu ­erklären, verschwand »von Neumann« und ward daraufhin nie wieder gesehen.

Überraschung bei der Leichenschau

Stella Walsh. Geboren 1911 als Stanis­ława Walasiewicz in Polen, wanderte sie mit ihren Eltern vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in die USA aus, wo sich die Familie in Ohio niederließ und ihren Namen in Walsh änderte. Die junge Stella zeigte schon früh eine Begeisterung für Leichtathletik, vor allem fürs Laufen, und verfolgte zielstrebig eine sportliche Karriere, obwohl sie von Mitschülerinnen gerne wegen ihres masku­linen Aussehens gehänselt wurde.

Trotz aller Anfeindungen schaffte sie es an die Spitze des amerikanischen Frauensports und als 1932 die Olympischen Spiele von Los Angeles bevorstanden, wollte sie dort für die USA antreten. Stella hatte jedoch nicht genug Geld oder Sponsoren, und so trat die polnische Botschaft mit dem Vorschlag an sie heran, doch für Polen an den Spielen teilzunehmen. Sie nahm das Angebot an und gewann Gold im 100-Meter-Lauf der Frauen. In der US-amerikanischen Presse wurde sie dafür so sehr angefeindet, dass sie für ein Jahr nach Warschau übersiedelte.

Vom Heimweh zur Rückkehr getrieben, wurde sie in Ohio mit offenen Armen empfangen und gewann etliche Läufe, was ihr in Zeitungen den Ehrentitel »The Queen of Sprint« eintrug. 1936 trat sie bei den Olympischen Spielen in Berlin erneut an, unterlag aber der US-Amerikanerin Helen Stephens und wurde nur Zweite. Als Gerüchte in Umlauf gebracht wurden, Stephens sei eigentlich ein Mann, musste sich die ­Siegerin einer medizinischen Untersuchung unterziehen, bei der herauskam, dass sie tatsächlich eine Frau war.

Stella Walsh

Wäre hingegen Stella Walsh untersucht worden, hätten die Ärzte eine Überraschung erlebt. Ende der dreißiger Jahre zog sie sich vom Spitzensport zurück und betätigte sich vor allem als Trainerin und Nachwuchsfördererin. Sie heiratete den ehemaligen Boxer Harry Olson, doch die Ehe hielt nicht allzu lang. 1980 wurde Walsh auf einem Parkplatz in Cleveland von bewaffneten Räubern überfallen. Sie wehrte sich, Schüsse fielen und Walsh brach tot zusammen. Während der Obduktion entdeckte der Leichenbeschauer dann, dass Walsh keine weiblichen Sexualorgane hatte, aber einen unterentwickelten Penis. In den Medien entbrannte eine heftige Debatte darüber, ob Walsh die Öffentlichkeit getäuscht und ihre Medaillen zu Unrecht erhalten hätte. Das Olympische Komitee entschied sich jedoch gegen eine Aberkennung ihrer Titel, da während ihrer aktiven Zeit keine biologischen Gender-Einteilungen von Athleten vorgenommen worden seien.

Jener Leichenbeschauer, der Walsh untersucht hatte, brachte es vielleicht am besten auf den Punkt: »Sozial, kulturell und juristisch wurde Walsh 69 Jahre lang als Frau akzeptiert. Sie lebte und starb als Frau.« Genau genommen gehört Stella Walsh nicht in eine Auflistung mit Tricksern, da sie niemanden absichtlich hinters Licht führte. Man könnte sie eher als unabsichtliche Botschafterin für ein besseres Verständnis und eine größere Akzeptanz intersexueller Menschen bezeichnen.

Dies ist der dritte Teil unserer Serie über Hochstapler und Prankster im Sport. Hier gehts zu Teil 1, Teil 2, und Teil 4.