Bioschokolade aus Ecuador

Boom der Bohne

Kleinbauern aus dem Amazonas drängen mit Edel-Schokoladen auf den Weltmarkt. Ecuador ist bereits der wichtigste Kakaoproduzent Lateinamerikas, doch das kleine Land hat noch größere Ambitionen.

Die Machete, ein langer dünner Stock und ein grüner Plastikeimer bilden die Ausrüstung, wenn Yhony Janzaguano morgens sein Haus nahe der ecuadorianischen Kleinstadt Balao verlässt und zur Ernte schreitet. Es ist Anfang Juni und die Kakaoschoten werden allmählich reif. »Wenn sie die Farbe wechseln, von grün zu rot oder gelb-orange, dann ist es Zeit, sie herunterzuholen«, erklärt der stämmige Kleinbauer und schlägt mit dem Stock auf einen dünnen Ast, an dem eine Schote hängt. Geschickt fängt er sie auf, stellt den Stock beiseite und öffnet die Schote mit einem lockeren Schlag der Machete. Mit einem knarzenden Geräusch gibt die Schote ihren Inhalt preis: von weißem Fruchtfleisch ummantelte Kakaobohnen. Fruchtfleisch samt Bohnen landen in dem Eimer, den Janzaguano ein paar Meter weiter abgestellt hat.

 »Wenn wir den besten Kakao der Welt produzieren, warum stellen wir dann nicht auch die beste Schokolade der Welt her?«

Seine kleine Farm lässt das Herz jedes Bioagrartechnikers höher schlagen, denn die Kakaobäume stehen im Schatten großer Edelholzbäume neben Ba­nanenstauden und Obstbäumen. »Wir setzen auf Vielfalt, auf diversen statt monokulturellen Anbau und produzieren ausschließlich bio«, sagt der Bauer. Biobananen sorgen für ein regelmäßiges Einkommen, sie werden einmal pro Woche geerntet und gehen noch am selben Tag im Kühlcontainer über den Hafen von Machala nach Deutschland. Beim Kakao sieht es deutlich anders aus. »Den verkaufe ich nicht an faire Bioimporteure, sondern an Zwischenhändler. Die bieten derzeit etwa 15 US-Dollar für rund 23 Pfund – das passt etwa in einen Eimer. Da bleibt nicht viel übrig«, meint Janzaguano und stochert nach der nächsten Schote. Die Preise in Ecuador hängen auch davon ab, wie weit und gut die dunkelbraunen Bohnen verarbeitet sind. ­Janzaguano verkauft seine Ernte direkt, ohne die Bohnen in Holzboxen drei bis fünf Tage zu fermentieren und anschließend in der Sonne weitere acht bis 14 Tage trocknen zu lassen.

In Tena, einer Kleinstadt im ecudorianischen Amazonas, hat die Genossenschaft Kallari ihre Zentrale. Hinter einem bunt bemalten Tor arbeitet ­Kleber Grefa und wendet die dunklen Kakaobohnen in einem Trockenzelt. »Jeden Tag liefern unsere Genossen hier an. Dann lassen wir die frische Ware in unseren Boxen aus Lorbeerholz für fünf Tage fermentieren. Anschließend landen die Bohnen in den Trockenzelten, werden regelmäßig gewendet und danach klassifiziert – nach Größe und Qualität«, erklärt der 45jährige. Er gehört der indigenen Bevölkerungsgruppe der Kichwa an, ebenso wie alle anderen der rund 850 Genossinnen und Genossen. In der Region des Río Napo bewirtschaften sie kleine Farmen, auf denen sie neben Kakao unzählige ­weitere Pflanzen anbauen. »Maniok, Bananen, Zitrusfrüchte, medizinische Kräuter, weitere Obstbäume, aber auch Edelhölzer«, zählt Grefa auf. »Sistema Chakra nennen wir diese Anbaustruktur und fast alle Genossen sind mit einem Bio-Siegel zertifiziert.« Seine eigene Farm lässt er von seinen Kindern bewirtschaften, während der Ernte arbeitet er am Sitz der Genossenschaft.

Neuanfang als Erfolgsgeschichte

Die gibt es seit 1997, seit Dezember 2003 mit neuen Strukturen und unter dem heutigen Namen. Mit dem Neuanfang begann auch die Erfolgsgeschichte der Kichwa-Genossenschaft. Sie hat mittlerweile auch international auf sich aufmerksam gemacht und gerade ihre erste Tonne Kakao und Edelschokoladen nach Japan geliefert. Derzeit produziert sie im Jahr 400 bis 500 Tonnen Kakaobohnen und verarbeitet sie zu knapp 20 Edelschokoladensorten mit unterschiedlichen Zutaten.

Im Vergleich mit den großen Unternehmen der Bioschokoladenbranche wie Pacari und República de Cacao, die in den vergangenen Jahren international auf sich aufmerksam gemacht haben, ist das nicht viel. Diese Unternehmen haben das traditionelle Produkt wiederentdeckt und sich entschieden, Kakao selbst zu verarbeiten und nicht als Rohware an Nestlé, Lindt oder Hachez zu verkaufen.

Die ältesten Belege für Kakaoanbau stammen aus dem ecuadorianischen Amazonas.

2002 gründete der in Portugal ausgebildete Jurist Santiago Peralta zusammen mit seiner Frau Carla Barbotó Ecuadors erste ökologische Schokoladenmarke. »Wenn wir den besten Kakao der Welt produzieren, warum stellen wir dann nicht auch die beste Schokolade der Welt her?« hätten sie sich gefragt, so Peralta, und daran gemacht, die Idee gemeinsam zu verwirklichen. Alle Verarbeitungsschritte bis hin zur Auslieferung der fertigen Tafeln finden in Ecuador statt. Das schafft Arbeitsplätze – derzeit sind rund 80 Menschen bei Pacari angestellt – und sorgt für eine höhere Wertschöpfung. Die kommt den rund 3 500 Bauernfamilien zugute, die Peralta zufolge mit Pacari zusammenarbeiten. Sie erhalten fast das Doppelte des derzeitigen Weltmarktpreises für Kakao: Statt 2 460 US-Dollar pro Tonne zahlt das in Quito ansässige Unternehmen rund 4 400 US-Dollar. Dafür fordert es aber auch Qualität, berät die Bauern bei der Qualitätssteigerung und will gemeinsam mit den Bauern wachsen.

Seit die erste Pacari-Schokolade 2012 bei den International Chocolate Awards in London ausgezeichnet wurde, wächst das Unternehmen kontinuierlich. Mittlerweile sind mehr als zwei Dutzend Sorten prämiert, die oft aus b­estimmten Regionen mit spezifischen geschmacklichen Charakteristika stammen. Dadurch ist die Nachfrage enorm gestiegen. Längst werden deutlich über eine Million Tafeln produziert, von denen gut die Hälfte in derzeit 40 Länder exportiert wird, der Rest wird in Ecuador verkauft – für Preise um die zwei US-Dollar pro Tafel. Der durchschnittliche Monatslohn in Ecuador beträgt 450 US-Dollar (rund 400 Euro). Doch wer es sich leisten kann, kauft die Tafeln, denn viele Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer sind stolz darauf, dass die ältesten Belege für den Kakaoanbau aus dem ecuadorianischen Amazonas stammen und dass es Edelschokolade nun vermehrt auch aus heimischer Produktion gibt. Pacari und Kallari sind dafür zwei Beispiele.

Gefahr der Kakaoschwemme

Wenn es nach der Regierung Ecuadors geht, die den Kakao ebenfalls wiederentdeckt hat, soll die Produktion weiter ausgebaut werden. Dabei geht es auch um den vermehrten Anbau der Edelsorten Super Árbol und Arriba, die Pacari und Kallari verwenden. Das kleine Ecuador ist noch vor Brasilien der größte Kakaoproduzent Lateinamerikas. Nun will es auch den beiden Weltmarktführern Konkurrenz machen, der Côte d’Ivoire und Ghana. Immer wieder wird über Sklaven- und Kinderarbeit auf den dorti­gen Feldern und die extreme Armut der Kakaobauern wegen niedriger ­Abnahmepreise berichtet. Die Regierungen der beiden Länder bemühen sich derzeit, einen Mindestpreis für Kakao von 2 600 US-Dollar pro Tonne durchzusetzen.

Ecuadors Regierung will dem im Mai vorgestellten Plan de Mejora Competitiva del Cacao y Derivados (PMC, Plan zur Steigerung der Konkurrenzfähigkeit des Kakaos und seiner Derivate) zufolge bis 2030 den Erlös aus dem Kakaoexport von derzeit 760 Millionen auf über 1,4 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Dafür hat das Land ein Förderprogramm mit einem Volumen von 600 Millionen US-Dollar aufgelegt, die von staatlichen und privaten Quellen und internatio­nalen Kooperationsfonds kommen sollen. Das Agrarministerium will die Arbeits- und Lebensbedingungen der 120 000 ecuadorianischen Kakaobauernfamilien, von denen etwa 80 Prozent in Armut leben, verbessern und zudem weitere 12 000 Arbeitsplätze in der Kakaoindustrie schaffen. Die Anbau­fläche soll um rund 2 000 Quadratkilometer vergrößert werden.

Die Frage ist, ob Kleinproduzenten unterstützt werden oder eher die großen Plantagen, die die in Ecuador verbrei­tete Hybridsorte Colección Castro Naranjal 51 (CCN 51) anbauen. Diese garantiert hohe Produktivität und ist gegen Pilzerkrankungen resistent, gilt aber unter Experten als arm an Aroma. Für die großen Abnehmer wie Nestlé, Mars oder Milka ist das aber nicht sonderlich relevant. Diesen Markt könnte die Regierung im Blick haben.

Der PMC könnte allerdings auch zu einer Kakaoschwemme auf dem Markt führen, die die Preise von derzeit 2 200 bis 2 600 US-Dollar pro Tonne sinken lassen würde. Damit wäre den Produzenten nicht geholfen. Kakaobauern wie Janzaguano sind hin- und hergerissen. Er hat in den vergangenen Jahren immer mehr traditionelle Kakaosor­ten auf seiner Farm angepflanzt und den Anteil der Kakaobäume der Sorte CCN 51 reduziert, um eine bessere Qualität anbieten zu können. Doch selbst für diese Bohnen wird er derzeit alles andere als gut bezahlt.