Mittlerweile stehen 38 hessische Polizisten im Verdacht rechtsextremer Umtriebe

Einzelfälle im Nazizimmer

Von Ian Stein

Gegen 38 hessische Polizisten wird wegen rechtsextremer Umtriebe ermittelt. Der Landesinnenminister agiert zögerlich.

Auf meterlangen Bannern zog sich der Reim gut sichtbar durch den Fanblock des 1. FC Magdeburg bei seinem Heimspiel gegen den SC Paderborn am 6. März: »Wir hörten die Kunde vom fernen Main, der Peter Beuth soll ein ­Ficker sein.« Was war geschehen, dass der hessische Innenminister Beuth (CDU) so grobe Beleidigungen aus dem fernen Sachsen-Anhalt ertragen musste?

Der Grund war der eskalierte Einsatz der hessischen Polizei beim Spiel der Eintracht Frankfurt gegen Schach­tar Donezk Ende Februar. Angesichts diverser Polizeieinsätze, unter anderem einer Hausdurchsuchung, waren die Eintracht-Fans schlecht auf Innenminister Beuth zu sprechen, was sie ihm beim Spiel gegen Donezk mit einem Banner mit der Aufschrift »Beuth, der Ficker, fickt zurück« mitteilten. Das Spruchband war allerdings nicht lange zu sehen, denn bereits kurz nach der Öffnung der Stadiontore stürmten Polizeieinheiten mit erheblicher Gewalt in den Fanblock und konfiszierten es.

Bei einer Durchsuchung im Wohn­haus eines der Polizisten stießen dessen Kollegen auf ein »museal eingerichtetes Zimmer«, in dem Nazidevotionalien ausgestellt gewesen seien.

Nicht nur die Magdeburger Fans ­solidarisierten sich anschließend mit den Ultras der Eintracht. »Beuth zurücktreten, Bullen aus der Kurve« stand kurz nach dem Vorfall beispielsweise auf einem Banner im Block des FC Bayern München. Selbst die im Unterschied zur Eintracht eher rechtslastigen Fans von Dynamo Dresden soli­darisierten sich mit dem Spruch »Wenn einer Frankfurt fickt, dann sind wir das«.

Trotz aller Grobheiten dürfte dem hessischen Innenminister die Sache ­gelegen kommen, denn im bürgerlichen Milieu kommt ein hartes Vor­gehen gegen Fußballfans meist gut an. Aber vor allem lenkt die Angelegenheit von ganz anderen Problemen ab, die Beuth derzeit beschäftigen. Mittlerweile wird gegen 38 hessische Polizisten wegen rechtsextremer Umtriebe ermittelt. Sechs Frankfurter Polizisten wurden vom Dienst suspendiert, weil sie über eine Whatsapp-Gruppe Bilder von Hakenkreuzen und Hitler sowie rassistische Videos geteilt haben sollen. Zudem scheint eine Polizistin aus d­ieser Whatsapp-Gruppe auch mit der Versendung rassistischer Drohbriefe an die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız zu tun zu haben. Eines der ins­gesamt vier Faxe enthielt nicht nur die Adresse der Anwältin, die in der Vergangenheit Angehörige von NSU-Opfern vertreten hatte, sondern auch den ­Namen ihrer zweijährigen Tochter. Diese Daten waren am Computer der Frankfurter Polizistin aus der Polizeidatenbank abgerufen worden. Erst nach monatelangen Ermittlungen wies Innenminister Beuth das Landeskriminalamt Hessen an, eine eigene Ermittlergruppe auf den Fall anzusetzen. In den Monaten zuvor hatte die Frankfurter Polizei selbst gegen ihre Kollegen ermittelt. Die Opposition im hessischen Landtag warf Beuth vor, dem Innenausschuss Informationen zu rechtsextremen ­Vorfällen bei der Polizei vorenthalten zu haben.

»Das sind keine Einzelfälle«, sagte kürzlich Meron Mendel, der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt. Es handele sich um ein strukturelles Rassismusproblem bei der hessischen Polizei. Weitere Schlagzeilen scheinen ihm recht zu geben. Zuletzt wurde über einen Fall aus Schlüchtern berichtet. Am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die ­Opfer des Nationalsozialismus, hatten Beamte vor dem Polizeipräsidium Südost­hessen die Flaggen Deutschlands und Hessens kopfüber aufgehängt. Der Staatsschutz ermittelt in der Sache, denn die umgedrehte Deutschland-Flagge dient unter anderem Reichsbürgern als Erkennungs­zeichen.

Zwei weitere Polizeibeamte aus Mittel- und Nordhessen stehen im Verdacht, volksverhetzende Nachrichten über ihre Mobiltelefone geteilt zu ­haben. Bei einer Durchsuchung im Wohnhaus eines der Polizisten stießen dessen Kollegen auf ein »museal eingerichtetes Zimmer«, in dem Nazidevotionalien ausgestellt gewesen seien, darunter auch er­laubnispflichtige Waffen und Munition. Dann gibt es noch den Fall eines ehemals in Hessen eingesetzten ­Polizisten, der mittlerweile nach Niedersachsen versetzt wurde. Er soll Informationen aus Polizeidatenbanken an ein Mitglied der Neonazigruppe Aryans weitergeleitet haben.

Alles Einzelfälle – das sagen die drei großen Polizeigewerkschaften und ­verweisen auf die Gesamtzahl von 14 000 Polizisten allein in Hessen. »Ein Generalverdacht ist nicht gerecht­fertigt«, ließ Dirk Peglow, der Landesvorsitzende des Bundes der Kriminal­beamten in Hessen vor kurzem den Hessischen Rundfunk wissen. Dem Innenminister dürfte diese Erklärung ­gefallen.