Erwartungen an Elternschaft und feministische Kritik

Die Eingrenzung der Freiheit

Die althergebrachte Arbeitsteilung zwischen Müttern und Vätern ruft Unzufriedenheit hervor. Das stellt immer häufiger Paarbeziehungen in Frage, nicht aber das Wirtschaftssystem, in das diese Arbeitsteilung eingebunden ist.

Auf dem Spielplatz in der Sonne entspannt ein Eis essen, mit Freunden und den Kindern ins Grüne fahren, danach zum Puppentheater und vor dem Einschlafen noch gemeinsam eine Gutenachtgeschichte lesen – so oder ähnlich stellen sich werdende Eltern ihre harmonische Zukunft vor. Elternschaft erscheint ihnen dann oft als zumindest temporäre Erlösung von den Zumutungen des Kapitalismus. Denn der verlangt schließlich tagtäglich die Verleugnung vieler Bedürfnisse. Der Familie kommt dadurch eine spezifische Funktion zu, denn auf die Familie werden diese unbefriedigten Bedürfnisse häufig projiziert. Man verspricht sich Erholung von dem auf Optimierung getrimmten Alltag. Die Familie soll Raum schaffen für Kuscheligkeit, Paarromantik und intergenerationelles Eisessen. Und weil die Familie Projek­tionsfläche so vieler Bedürfnisse ist, ist sie auch die Quelle vieler Enttäuschungen und Konflikte, die schlimmstenfalls zu Gewalt oder Vereinsamung führen.

Als Eltern übernehmen Menschen elementare Verantwortung für andere, die abhängig davon sind.

Zu Recht hat aus feministischer Sicht diese patriarchale Form der Vaterschaft einen schlechten Ruf, ebenso wie die damit einhergehende Aufteilung in finanzielle und Fürsorgeverantwortung. Wie es anders gehen soll und vor allem, wie Elternschaft feministisch gestaltet werden kann, ist auch im Feminismus eine offene Frage.

Elternschaft ist in gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaften ein Verhältnis, das die Versorgung abhängiger durch unabhängige Mitglieder einer Gesellschaft organisiert. Dazu gehört etwa die finanzielle Verantwortung für Personen, die sich nicht selbst finanzieren können. Sobald Menschen unter diesen Bedingungen Kinder bekommen, erfahren die Eltern zumeist eine Einschränkung dessen, was sie gewohnt sind, als ihre hart erkämpfte Autonomie zu betrachten. Zeit und Ressourcen, die ab diesem Zeitpunkt für Kinder aufgebracht werden müssen, stehen nicht mehr für andere Dinge zur Verfügung. Zugleich ist Elternschaft das heiß begehrte Ticket in ein anderes Leben, in dem man der Kinder wegen auf Dinge verzichten darf, die einem ohnehin nur Stress bereitet haben. Die gewünschte Elternschaft ist immer auch Selbstverwirklichung, jedoch für Mütter und Väter in unterschiedlicher Weise. Und dieser Unterschied ist, wie alle so­zialen Verhältnisse, historischen Ursprungs.

Eltern sind die Personen, denen Kinder zugeordnet werden. Dazu braucht es Regeln, die geographisch und historisch variieren. So war es in Frankreich bis ins 19. Jahrhundert verboten, den genetischen Vater eines unehelichen Kindes zu benennen. Heutzutage wird Frauen in Deutschland der Unterhaltsvorschuss verwehrt, wenn sie den Namen des Erzeugers ihres Kindes nicht nennen – weil sie ihn nicht kennen oder den Namen nicht preisgeben wollen. Obgleich als naturgegeben betrachtet, obliegt auch Mutterschaft enormer staatlicher Regulierungen. Hier­zulande ist Mutter eines Kindes die Frau, die es geboren hat. Das ist in Italien und Frankreich anders. Dort ist Mutter eines Kindes nur dann die Frau, die es geboren hat, wenn sie verheiratet ist. Wenn sie ledig ist, muss sie das Kind erst annehmen, so wie der Vater auch.

Vater eines Kindes ist hierzulande der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist.

Ist sie nicht verheiratet, wird diejenige Person zum anderen Elternteil, der oder dem die Mutter die Elternschaft überträgt. Auf diese Art können Personen durch Anerkennung Eltern werden, die biologisch nicht an der Erzeugung beteiligt waren. Allerdings können in Deutschland nur jeweils höchstens zwei Personen die Elternschaft ausüben.

 

Unabhängig von der Zuordnung der Elternschaft hat die schwangere Person eine Machtposition gegenüber anderen Elternteilen. Diese Machtposition wird sozial reguliert. In früheren Zeiten wurde die Machtposition der Mutterschaft durch die Machtposition der Person reguliert, die Entscheidungen treffen und bestimmen durfte.

Letzteres oblag dem Vater, wie auch immer dieser zu seiner Vaterschaft gekommen war. Er durfte auch gegen den Willen der Mutter bestimmen und sie musste seinen Entscheidungen nachkommen. Vaterschaft bezeichnet demnach keine fürsorgliche Beziehung im Gegensatz zur Mutterschaft, die für die emotionale Handlungsebene verantwortlich war.

Zu Recht hat aus feministischer Sicht diese patriarchale Form der Vaterschaft einen schlechten Ruf, ebenso wie die damit einhergehende Aufteilung in finanzielle und Fürsorgeverantwortung. Wie es anders gehen soll und vor allem, wie Elternschaft feministisch gestaltet werden kann, ist auch im Feminismus eine offene Frage.

Einig ist man sich weitgehend darin, dass die derzeit vorherrschende Arbeitsteilung zwischen Eltern Müttern eine Rolle zuweist, die sie daran hindert, sich frei zu entfalten. Doch bei allem, was über diese Grundposition hinausgeht, unterscheiden sich die unterschiedlichen Strömungen des Feminismus stark voneinander.

Der liberale Gleichheitsfeminismus appelliert an Frauen, sich aus der zugewiesenen Rolle zu befreien. Damit einher geht eine Idealisierung der fürsorgebefreiten Vaterschaft. Gleichheit meint hier die Angleichung an die Entscheidungsposition der Vaterrolle. Der Gleichheitsfeminismus setzt insofern auf die Selbstbestimmung von Frauen.

Genau diese wird jedoch im Zuge der Familiengründung eingeschränkt, weil die Sorge um eine abhängige Person der elterlichen Selbstbestimmung Grenzen setzt. Daher haben Gleichheitsfeministinnen Familiengründung und Mutterschaft lange Zeit per se abgelehnt. Aus der Perspektive des liberalen Feminismus erwächst Frauen ein ökonomischer Nachteil, weil sie sich um Kinder kümmern müssen. Eine europäische Studie von Anfang Februar belegt, dass sich die Geburt eines Kindes negativ auf das Einkommen der Mutter auswirkt. Als child penalties, also Strafen für das Kinderbekommen, bezeichnet die Studie die Einkommenseinbußen der Frauen nach der Geburt des ersten Kindes. Männer haben diese Einbußen freilich nicht. Laut der Studie verdienen Frauen in Deutschland zehn Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes durchschnittlich 61 Prozent weniger Gehalt als im letzten Jahr vor der Geburt.

Fürsorge erscheint dem Gleichheitsfeminismus vor diesem Hintergrund als gesellschaftliches Problem, das Frauen lösen sollen, um ebenso erfolgreich wie Männer zu werden. Auch der Differenzfeminismus, der die weibliche Identität als Befreiung von den Zwängen einer androzentristischen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung betrachtet, erfährt in der Debatte eine Renaissance. Die differenzfeministische Antwort heißt: Sofern es gelingt, nicht mehr allen anderen gefallen zu wollen, werden die äußeren Einflüsse und all die Ungerechtigkeiten gleichgültig.

Der konstruktivistische Feminismus fordert hingegen die individuelle Dekonstruktion der sozialen Verhältnisse von Familie und Elternschaft. Die herrschende Geschlechterordnung, in der Frauen durch die Übernahme von Fürsorge benachteiligt werden, ist demnach der sozialen Konstruktion der Lebenswelt geschuldet. Die auf diese Art fröhlich suggerierte Gestaltbarkeit des eigenen Lebens verbreitet zwar gute Laune, macht aber letztlich die Mütter nur wieder selbst für die Organisation der Fürsorge verantwortlich.

Vielleicht aber ist Fürsorge gar nicht das Problem, sondern eine Gesellschaft, in der ausgerechnet die Menschen ein Problem bekommen, die Fürsorge leisten. Eine wohlfahrtstaatliche Umorganisation hin zu einer Fürsorge begünstigenden Gesellschaft ist innerhalb eines kapitalistischen Wirtschaftssystems jedoch schwer zu bewirken. Möglich wäre es, Fürsorgetragenden Ausgleichszahlungen für entgangene Erwerbs­tätigkeit anzubieten. Doch wirkt sich eine Lücke in der Erwerbsbiographie später nachteilig auf Karriere und Rente aus.

Wird die gegenteilige Strategie verfolgt, die von Frauen in gleichem Maße wie von Männern eine lücken­lose Vollerwerbstätigkeit verlangt, ohne deren überproportionale Fürsorgeverantwortung zu berücksichtigen, bleibt die Zuständigkeit der Frauen für den Bereich der Versorgung bestehen und führt zu einer Doppelbelastung.

Um soziale Ungleichheit zwischen Müttern und Vätern zu beseitigen, genügt es nicht, dass die Eltern sich die Fürsorge gleich aufteilen. Es bedarf vielmehr einer Aufwertung der mit Mutterschaft assoziierten Fürsorge. Die Spannung zwischen dem Rekurs auf die Verschiedenheit von Geschlechtern und der Forderung nach Gleichberechtigung verdeutlicht die Schwierigkeit, einerseits um Rechtsgleichheit mit dem Mann zu streiten, andererseits die Angleichung an hegemoniale Männlichkeit abzulehnen. Wie bereits die Philosophin Mary Wollstonecraft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts formulierte, ist es das scheinbare Paradox, auf dem Recht auf Gleichheit zu bestehen und zugleich die Berücksichtigung von Differenzen einzufordern.