ისტორია - Wie georgische Helden die EU retten könnten

Sechs für Europa

Seit langem will Georgien der EU beitreten, aber diese ziert sich. Man schätzt in Brüssel die Bedeutung des kleinen Landes als gering ein, doch das ist ein großer Irrtum. Denn Georgien verfügt über unsterbliche Heldinnen und Helden, die der EU überaus nützlich sein könnten. Die »Jungle World« stellt sie vor.

Medea

Die zauberkundige Tochter des Königs Aietes von Kolchis half dem Argonauten Jason aus Liebe, das Goldene Vlies zu stehlen. Das war ein Fehler, Liebe hin oder her. Man sollte goldgierigen Schlawinern nicht trauen, auch wenn sie einem schöne Augen machen, und sie schon gar nicht heiraten. Aber Medea lernte dazu. Auf der Rückreise tötete sie zwar noch ihren Bruder, zerstückelte ihn und warf die Leichenteile ins Wasser, um die Verfolger abzulenken. Zudem entsorgte sie für Jason König Pelias. Als ihr Gatte sich aber mit der Tochter des korinthischen Königs vermählen wollte, hatte sie den Kanal voll. Sie webte ein hübsches Zauberkleid, das in Flammen aufging, als Jasons zukünftige Gattin es anzog, und tötete die gemeinsamen Kinder. Die Griechen, sonst nicht zimperlich in Sachen Mord und Totschlag, waren entsetzt und verfolgten sie. Medea floh mit einem Drachenwagen und heiratete in Athen König Aigeus. Sie verpatzte den Mord an dessen Sohn Theseus, floh erneut und zog sich ins Elysium zurück.

Popularität in Georgien: Umstritten. Einige ihrer Taten gelten als ethisch bedenklich und deuten auf einen Mangel an Familiensinn hin. Aber in Batumi steht eine Statue von ihr.

Besondere Kräfte: Tatkraft, Vorurteilslosigkeit und ein klarer Sinn für die eigenen Interessen. Und natürlich allerlei Zauberkräfte, aber die haben ja auch andere.

Nutzen für die EU: Sie ist ein Bootsflüchtling und schloss eine Aufenthaltsehe. Da muss die EU mal über ihren Schatten springen. Denn was ist das größte Problem der EU? Man fürchtet sie nicht. Wenn aber die EU-Außenbeauftragte Medea mit fire and fury droht, reißen sich alle vorsichtshalber die Kleider vom Leib.

 

Sankt Georg

Nicht nur Georgien beansprucht diesen Schutzheiligen, aber Land und Märtyrer tragen fast den gleichen Namen – das kann ja kein Zufall sein. Georg ertrug im Jahr 303 mit Freuden 20 verschiedene Foltern der Römer, bevor er den Märtyrertod starb. Das geschah irgendwo in Kleinasien (heute Türkei). Sein Leichnam fand den Weg nach Georgien und wurde dort in 365 Stücke zerteilt, die über das ganze Land verteilt wurden, um mehr Segen stiften zu können. Bekannt ist St. Georg vor allem für seinen rabiaten Umgang mit Drachen und Andersgläubigen. Mag die Drachentötung zwecks Rettung jungfräulicher Königstöchter als angemessenes Verfahren erscheinen, scheiden sich beim Massakrieren von Heiden die Geister. In Georgien engagierte er sich nach seinem leiblichen Tod immerhin nur in Verteidigungskriegen (1121 gegen die Seldschuken, 1659 gegen die Perser). Dem Krieg 2008 blieb er wegen eines Loyalitätskonflikts (orthodoxe Christen vs. orthodoxe Christen) fern.

Popularität in Georgien: Sehr hoch. Jeder dritte Georgier ist nach ihm benannt. Dass er im Kampf gegen Putin kneift, wird ihm offenbar nicht übelgenommen.

Besondere Kräfte: Man kommt so einem Drachen, wenn das Biest erwachsen ist, nur mit ein bisschen Zauberei bei. Zudem die Fähigkeit, sich bewaffnet zur passenden Zeit am richtigen Ort zu materialisieren.

Nutzen für die EU: An seiner political correctness in Sachen Tierschutz und religiöser Toleranz muss St. Georg noch arbeiten. Seine Fähigkeit, plötzlich beritten und in voller Rüstung am Himmel zu erscheinen, kann jedoch bei Verhandlungen mit schwierigen Partnern einen nützlichen shock and awe-Effekt erzielen.

 

Nino

Die Erleuchterin Georgiens war mit St. Georg verwandt. Auf Anweisung der Jungfrau Maria, die ihr ein Weinrebenkreuz überreichte, zog sie im frühen 4. Jahrhundert mit 35 Jungfrauen nach Georgien, um die Heiden zu bekehren. In Armenien wurden alle außer ihr enthauptet. Nach diesem vielversprechenden Auftakt erreichte sie die damalige Hauptstadt des Gebietes, das heute Georgien ist, ­Mzcheta. Drachen hatte sie keine, aber sie kannte andere Tricks. Im Probelauf der Wunderheilungen machte sie ein sieches Kind gesund, um sich sodann dem lohnenderen Geschäft der Rettung der todkranken Königin Nana zu widmen. Deren anschließende Konversion verärgerte Nanas Gatten, König Mirian. Doch eines Tages senkte sich im Wald tiefe Finsternis über ihn, der er nicht entrinnen konnte, bis er schließlich zu Ninos Gott betete – und siehe, es ward Licht und der König fand den Weg nach Hause. Nun konvertierte auch Mirian, und es versteht sich von selbst, dass alle Untertanen seinem Beispiel freudig folgten. Nino hatte ihre Aufgabe erledigt und zog sich in die Berge zurück.

Popularität in Georgien: Ninos Weinrebenkreuz ist ein Symbol der Georgischen Orthodoxen Kirche, Nino ist der beliebteste Frauenname in Georgien.

Besondere Kräfte: Wunderheilungen. Aber die Nummer mit der Verdunkelung ist sogar noch besser.

Nutzen für die EU: Mehr noch als St. Georg kann Nino der Joker bei schwierigen Verhandlungen sein. Heilt sie Wladimir Putin von seiner Gesichtsstarre, wird er freundlicher. Sitzt Donald Trump lange genug im Dunkeln und kann nicht twittern, sind ihm die Zölle gar nicht mehr so wichtig.

 

Tamara die Große

Anania Gachechiladze (siehe Dschungel-Seite 7) gilt Tamara als Cersei Lannister Georgiens, für die meisten aber ist sie eher die Daenerys Targaryen des Landes. Das geschulte Auge des kontrafaktischen Historikers erkennt hier eine verpasste Chance. Hätte St. Georg, statt die Drachen unbedacht zu töten, ein paar für Tamara gezähmt, wäre Georgien zur Weltmacht aufgestiegen. So musste sie sich damit begnügen, dem Land ein Goldenes Zeitalter zu bescheren. Sie übernahm 1184 die Staatsgeschäfte und begann umgehend, unfähige Männer aus hohen Posten am Hof und in der Kirche zu entfernen. Da es ziemlich viele waren, drohte bald ein Aufstand des Adels. Um dem zuvorzukommen, heiratete sie einen russischen Fürsten und Trunkenbold. Too drunk to fuck kam dieser seinen ehelichen Pflichten nicht nach, das Paar blieb kinderlos, Tamara feuerte den Fürsten. Sie hielt sich ohne St. Georg gegen die Seldschuken und dehnte das georgische Territorium sogar aus – ohne das Land zu ruinieren. Die Wirtschaft florierte, Tamara selbst lebte asketisch und trug oft nicht einmal Schuhe.

Popularität in Georgien: Sehr hoch. Alle möchten ein Bild von ihr in den Händen halten, etwa eine Ikone, oder auch den 50-Lari-Schein, auf dem sie abgebildet ist.

Besondere Kräfte: Nüchternheit, im Mittelalter noch seltener als heute.

Nutzen für die EU: Tamara schafft es, unfähige Männer loszuwerden – eine Merkel des Mittelalters, nur erfolgreicher. Sie kann die EU-Bürokratie auf Trab bringen (tschüss, Herr Oettinger!) und zudem den Bürgerinnen und Bürgern ein Vorbild des Lebens in umweltfreundlicher und nachhaltiger Askese sein.

 

Josef Stalin

Der bekannteste Sohn Georgiens sollte eigentlich die geistliche Laufbahn einschlagen und besuchte ein Priesterseminar. Dort gefiel es ihm nicht, aber die Idee der Inquisition faszinierte ihn so sehr, dass er sich entschloss, den hinterwäldlerischen Pfaffen zu zeigen, wie man so etwas konsequent durchzieht. Dann kann man sich selbst wie einen Gott verehren lassen. Stalin wusste, wie man sich unentbehrlich macht, um im richtigen Moment alle Konkurrenten zu beseitigen. Erst verschaffte er den Bolschewiki mit einem Banküberfall richtig Knete, dann übernahm er die unbequemen Verwaltungsarbeiten, für die sich die Intellektuellen zu schade waren, knüpfte Verbindungen, intrigierte sich an die Spitze, begann die Moskauer Prozesse und beendete sie gerade noch rechtzeitig, bevor er sich selbst wegen Sabotage, Terrorismus und Agententätigkeit wie einen tollwütigen Hund hätte erschießen lassen müssen, weil sonst kaum noch jemand übrig war. Aber wer braucht schon Freunde? Er könnte als Don Corleone des Kommunismus gelten, wenn er etwas sanftmütiger gewesen wäre.

Popularität in Georgien: Steigt wieder. Selbst der georgische Patriarch lobt Stalin, der peu à peu zum Nationalheiligen aufsteigt.

Besondere Kräfte: Organisationstalent. Versuchen Sie mal, alle Leute, mit denen Sie jemals zusammengearbeitet haben, erschießen zu lassen. Man muss es nicht schön finden, aber es ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Nutzen für die EU: Vergessen wir jetzt mal das Gutmenschen-Gedöns. Was braucht die EU gerade am dringlichsten? Organisations­talent! Und wäre Stalin Kommissionspräsident, würden sich die Briten die Sache mit dem Austritt nochmal überlegen.

 

Micheil Saakaschwili

Der smarte Rechtswissenschaftler ist so etwas wie ein wirtschaftsliberaler Stalin der Fliegengewichtsklasse. Soweit bekannt, hat Saakaschwili keine Bank ausgeraubt, aber er machte sich in den neunziger Jahren unentbehrlich, war Abgeordneter, Justizminister und Bürgermeister von Tiflis. Er wartete auf seinen Moment. Der kam mit der »Rosenrevolution«, Saakaschwili wurde 2004 Präsident – und bald übermütig. Seine autoritäre Herrschaft endete, nachdem er einen Krieg mit Russland provoziert hatte. Aber er reformierte mit Massenentlassungen die Polizei, minderte die Korruption und schmückte Tiflis mit architektonischem Trash, der weltweit seinesgleichen sucht. Seine zweite Karriere in der Ukraine endete mit einer Abschiebung, nachdem ihm die Flucht über ein Hausdach misslungen war. Für James Bond reicht es nicht, aber immerhin für eine Rolle in »Catch Me If You Can«. Da muss man gut aussehen, klein­liche georgische Ermittler bemängeln aber, dass er sich mit Botox und anderen Hilfsmitteln auf Staatskosten verschönern ließ.

Popularität in Georgien: Erstaunlich hoch. Neben Trash ließ Saaka­schwili auch viel Nützliches wie etwa Straßen bauen. Es gibt geor­gische Politiker, die weniger geleistet haben: alle anderen.

Besondere Kräfte: Durchtriebenheit. In Georgien und der Ukraine liegen Haftbefehle gegen ihn vor, aber er ist immer davonge­kommen und trägt stolz den Preis für die Stärkung von Recht und Ordnung der American Bar Association.

Nutzen für die EU: Nicht viele Politiker sind so skandalresistent und machen in zwei Staaten Karriere – Talente, die die EU nutzen könnte. Saakaschwili sollte zunächst die Polizei in Sachsen reformieren und dafür so viel Botox bekommen, wie er will.