უცხოეთი- Der Konflikt in Katalonien flammt erneut auf

Das Spektakel um die gelben Schleifen

Von Jan Marot

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez schlägt ein Referendum für Katalonien vor. Ob er damit die aufgeheizte Stimmung in Katalonien beruhigen kann, ist fraglich.

Die Lösung des Konflikts um die Unabhängigkeit Kataloniens liegt für den spanischen Ministerpräsidenten nahe. In einem Interview mit dem Radionetzwerk Cadena SER schlug Pedro Sánchez von der sozialdemokratischen PSOE am Montag ein Referendum vor, in dem es um mehr Autonomie gehen könne – nicht aber um die Unabhängigkeit vom spanischen Staat, wie es die separatistischen Parteien in Katalonien fordern. Sánchez solle »mutiger sein«, entgegnete Marta Vilalta, die Sprecherin der linksseparatistischen Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), postwendend.

Ein Referendum sei politisch unproblematisch, sagte Sánchez, denn »Kata­lonien hat derzeit ein Statut, über das es nicht abgestimmt hat.« Er bezog sich damit auf eine Änderung des zuvor von der katalonischen Bevölkerung ­angenommenen Textes durch das Verfassungsgericht im Jahr 2010. Anfang Juni hatte Sánchez ein Misstrauens­votum gegen den konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy gewonnen, seitdem führt er eine Minderheitsregierung, die unter anderem auf Stimmen katalanisch-separatistischer Gruppen angewiesen ist.

Für den 11. September, den katalanischen Nationalfeiertag, rufen die Separatisten abermals zu einer Großdemonstration auf. Die sogenannten Komitees zur Verteidigung der (katalanischen) Republik (CDR) planen, mit Straßensperren Barcelona lahmzulegen, Zugtrassen und Autobahnen zu blockieren und Rathäuser zu besetzen.

Sánchez drohte zugleich mit dem Artikel 155 der spanischen Verfassung, sollten die katalanischen Separatisten unter dem Regionalpräsidenten Quim Torra ihren »unilateralen Weg« weiterverfolgen. Sánchez behält sich also vor, wie bereits sein Vorgänger die Autonomie Kataloniens aufzuheben und das Regionalparlament aufzulösen. Seinen Einfluss bei der Staatsanwaltschaft geltend zu machen, damit diese den Anklagepunkt der Rebellion gegen teils in Untersuchungshaft sitzende, teils in andere europäische Länder geflohene separatistische Politiker fallenlassen, lehnte Sánchez unter Verweis auf die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft ab.

Ob Sánchez’ Vorschlag die aufgeheizte Stimmung in Katalonien beruhigen kann, ist unklar. Für den 11. September, den katalanischen Nationalfeiertag, rufen die Separatisten abermals zu einer Großdemonstration auf. Die sogenannten Komitees zur Verteidigung der (katalanischen) Republik (CDR) planen, mit Straßensperren Barcelona lahmzulegen, Zugtrassen und Autobahnen zu blockieren und Rathäuser zu besetzen.

Für die katalanischen Separatisten ist Gelb seit Monaten Trumpf – gelbe Schleifen an Geländern und Laternen, am Sakko oder überdimensional an Rathäusern. Gelb dient als Zeichen des Protests gegen die U-Haft, die vor zehn Monaten über katalanische Politiker und Aktivisten verhängt wurde. Auch die Strände Kataloniens sind umkämpft: gelbe Kreuze, »Estelada«-Flaggen und gelbe Handtücher gegen Spanien-Flaggen und rot-gelbe Handtücher.

Um das spanische Katalonien von den »ideologischen Symbolen« zu säubern, legten Albert Rivera, der Vor­sitzende der rechtsnational-unionistischen Ciudadanos (abgekürzt Cs), und die katalanische Vorsitzende der Cs, Ines Arrimadas, selbst Hand an. Vor laufenden Fernsehkameras und Pressefotografen entfernten sie gelbe Schleifen aus dem Stadtbild Barcelonas.

Zweifelhafte Nachrichten über ­Angriffe von »gewaltbereiten Separatisten« schafften es aus sozialen Netz­werken in die großen Tageszeitungen Spaniens. Ein dubioser Vorfall genügte, und Cs rief für den Donnerstag voriger Woche zur »Demonstration gegen ­Gewalt« in Barcelona im Parc de la Ciudatella vor dem Regionalparlament. Rund 1 000 Protestierende, darunter wütende Rechtsextreme, mit einer Vielzahl spanischer Flaggen fanden sich ein. Ein Kameramann des Fernseh­senders Telemadrid wurde attackiert, weil man ihn für einen Mitarbeiter des katalanischen TV3 hielt. Grund für den Protest war ein tätlicher Angriff auf eine russischstämmige Frau – ihr Mann ist Mitglied der Cs –, die beim Schleifenentfernen von einem Nachbarn mit den Worten »Scheiß Auslän­derin, gehe zurück in dein Land!« attackiert worden sein soll. Sowohl der mutmaßliche Täter, arbeitslos und wegen Depressionen in Behandlung, als auch das Opfer erstattete Anzeige.

Über soziale Netzwerke lancierte die Journalistin Cristina Fallarás von der Online-Zeitung Publico am Tag danach das ironische Hashtag: #RiveraQuitameEste (Rivera, entferne mir das). Gelbe Schleifen zierten tags darauf emblematische Orte landesweit, sei es in Sevilla, Madrid oder Bilbao. Nachts ziehen hingegen Gruppen Vermummter durch Städte, Kleinstädte und Dörfer, um ­gelbe Schleifen abzunehmen. Es handelt sich oft um Cs-Mitglieder, aber auch um Neofaschisten der Democracia Nacional (DN) und anderer Neonazigruppen. Über 80 Personen mit weißen Staubschutzkitteln marschierten am Mittwoch voriger Woche durch die Kleinstadt La Bisbal d’Empordà. Über soziale Netzwerke organisieren sich auch die »Putzbrigaden für gelbe Schleifen« und die »Resistencia Civil Catalana«. Nicht selten kommt es dabei zu verbalen Auseinandersetzungen, von Balkonen wird »Faschisten raus!« gerufen. Das unionistische Lager lädt für solche Säuberungsaktionen nun auch »Freiwillige aus Europa« ein. Auf Anweisung der katalanischen Regionalregierung verhängen die Mossos, die katalanische Polizei, indes Bußgelder über jene, die Schleifen entfernen, unter Berufung auf das umstrittene sogenannte Knebel­gesetz. Die katalanische Staatsanwaltschaft ermittelt im Gegenzug gegen die Mossos.

Der Vorsitzende des konservativen Partido Popular, Pablo Casado, sagte kürzlich, er wolle »die soziale Spaltung nicht noch weiter auf den Straßen vertiefen«. Er forderte zugleich, per Gesetz die gelben Schleifen zu verbieten. »Es darf nicht so weit kommen, dass auf die gelben gar die schwarzen Schleifen ­folgen«, warnte er. Vereinzelt klagen Gastwirte und Barbesitzer, die keine gelben Schleifen aufhängen lassen wollten, über anti-spanische Boykott­aktionen.

Zudem haben die Anwälte von Kata­loniens ehemaligem Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und anderen vor der spanischen Justiz flüchtigen katalanischen Politikern in Belgien ­gegen den für die Strafverfolgung verantwortlichen Richter Pablo Llarena Klage eingereicht, weil er die Unschuldsvermutung nicht respektiert habe. ­Spanien stehe »an der Seite Kasachstans unter den kriminellen Staaten, die sich weigern, sich den universellen Grundrechtsprinzipien zu unterwerfen«, heißt es darin. Ministerpräsident Sánchez beauftragte eine Kanzlei mit der Verteidigung des Richters. Am 25. September soll die erste Anhörung vor ­einem Brüsseler Gericht stattfinden.