Das »solidarische Grundeinkommen« wird Geschlechterungleichheiten weiter verstärken

Kleinfamilie in Stretchversion

Kommentar Von Viola Nordsieck

Hartz IV fördert ein Familienmodell, das Frauen benachteiligt– die diskutierte Alternative ändert daran wenig.

Mit dem Vorschlag eines »solidarischen Grundeinkommens« ­bemüht sich die SPD verzweifelt, aus Parolen politisches Kapital zu gewinnen. Nun soll die Solidarität herhalten. Mit dem Slogan »Solidarität ist keine Einbahnstraße« steht der Begriff nurmehr für eine postfeudal-demütige Staatsloyalität. Statt aber das Ehrenamt, auf das der Sozialstaat zur Kompensation seiner vielen Unzulänglichkeiten angewiesen ist, durch mehr anerkannte Lohnarbeit zu ersetzen, wird mit dem »solidarischen Grundeinkommen« eine neue Form der Abwertung geschaffen.

Die Agenda 2010 vertrat einen Gleichstellungsanspruch. Auch Frauen sollten über Lohnarbeit ihre Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten können – auch wenn die Arbeit schlecht entlohnt war. Das Konzept der Kleinfamilie blieb unberührt, aber war nicht länger von einem Ernährerlohn abhängig wie im Fordismus. Die allermeisten Familien mit Kindern brauchen heute mindestens anderthalb Gehälter, damit die Kosten des Lebens überhaupt getragen werden können. Das sogenannte Zuverdienermodell wird im Rahmen der Agenda 2010 nicht nur durch das nie abgeschaffte Ehegattensplitting gefördert, sondern auch durch Mini- und Midijobs.

Bei vielen Elternpaaren ist es der Mann, der mehr verdient. Zuverdienst und Sorgearbeit – das heißt Haushalt, Kinder und Pflege bleiben meist an der Frau hängen. Dem Rechercheverband Correctiv zufolge arbeitet jede fünfte Frau in Westdeutschland in Teilzeit. Das be­deutet geringe Rentenansprüche, Abhängigkeit vom Ehemann, keine Aussicht auf Karriere. Wie Zeitarbeitsfirmen dienen Minijobs zur Senkung der offiziellen Arbeitslosenzahlen. Daneben gibt es auch das Modell, in dem beide Eltern in Vollzeit arbeiten und, wenn sie es sich leisten können, die Sorgearbeit auf eine prekär lebende, meist weibliche dritte Person, eine Haushaltshilfe, einen Babysitter oder eine Au-pair-Kraft zu übertragen. Dazu wurde in der Agenda 2010 die Minijob-Beschäftigung auch in Privathaushalten eingeführt. Die Kleinfamilie gibt es als postfordistisch-flexible Stretchversion. Stretch bedeutet mehr Elastizität, mehr Druck auf alle Beteiligten, mehr Formbarkeit.

Der Verzicht auf die Kleinfamilie scheint für viele keine Option, die romantische Zweierbeziehung bleibt das Modell, von dem sich Menschen Wärme und Zuwendung erhoffen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Eheschließungen in Deutschland um etwa zehn Prozent gestiegen. Doch nach der Geburt des ersten Kindes müssen Eltern häufig feststellen, dass sie zu Konkurrenten ­geworden sind. In einer von der Agenda 2010 geprägten Arbeitswelt sind Flexibilität, Effizienz und Zumutbarkeit die entscheidenden Schlagworte. Zeit und Kraft werden zu knappen Ressourcen.

Das sogenannte solidarische Grundeinkommen wird die Lohnarbeit weiter entwerten und viele Frauen weiter prekarisieren. Wirklich solidarisch wäre es, das Gemeinwesen als etwas zu denken, das tatsächlich allen gehört, auf das alle einen Anspruch ­haben. Soziale Berufe, die diesem Gemeinwesen dienen und die immer noch in der Mehrheit von Frauen ausgeübt werden, könnten dann gesellschaftlich stärker anerkannt und besser bezahlt ­werden: als echte Arbeit, nicht als etwas, das Frauen sowieso auch zu Hause machen oder die Beamtengattin aus Langeweile im ­Ehrenamt tut. Statt der Ehepaare könnten Eltern finanziell gestärkt werden, und ein Rentenanspruch dürfte nicht daran gebunden sein, dass eine Frau unbezahlte Sorge- und Pflegearbeit geleistet hat. Diese Art der Solidarität wäre das Gegenteil dessen, was eine Modifikation der Hartz-Gesetze mit weiteren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bedeutet.