Der Umgang mit rechtsextremen Verlagen auf der Leipziger Buchmesse ist umstritten

Rechtsextrem und meinungsfrei

Mehrere rechtsextreme Unternehmen wollen sich an der Leipziger Buchmesse beteiligen. Die Ansichten über den Umgang mit ihnen gehen weit auseinander.

»Das Frühjahrsereignis der Buch- und Medienbranche für Leser, Autoren und Verlage« – so wirbt die Leipziger Buchmesse für sich. Ein Ereignis ist die vom 15. bis 18. März in Leipzig stattfindende Veranstaltung auch für rechtsextreme Unternehmen. Mindestens sechs Verlage wollen sich mit einem Stand beteiligen, einige von ihnen zudem täglich Diskussionsrunden veranstalten. Am bekanntesten sind wohl die NPD-Zeitung Deutsche Stimme, der Antaios-Verlag des neurechten Publizisten Götz Kubitschek und die Monatszeitschrift Compact.
In den vergangenen Jahren gab es bei der Buchmessen wiederholt Proteste gegen rechtsextreme Medien – sowohl in Leipzig als auch in Frankfurt. In Leipzig richteten sie sich vor allem gegen Compact, der Redaktionssitz des Magazins befand sich zeitweilig in der Stadt, bevor er zurück nach Berlin verlegt wurde. Neu ist, dass in diesem Jahr auch die Deutsche Stimme und der Antaios-Verlag an der Leipziger Buchmesse teilnehmen.

Die Auseinandersetzungen um Kubitscheks Verlag sorgten vor einigen Monaten bereits in Frankfurt für viel Aufsehen. Dort sah sich die Messeleitung dazu gezwungen, eine Veranstaltung von Antaios vorzeitig zu beenden, da die Gegner lautstark dagegen protestiert hatten. Am Rande kam es zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Antifaschisten und Sympathisanten des neurechten ­Verlags.

Einerseits dürfte die Anwesenheit dieser Medien auf der Leipziger Buchmesse für erhebliche Unmutsäußerungen sorgen. Andererseits fiel der Protest gegen Veranstaltung aus diesem Dunstkreis vor einigen Monaten enttäuschend aus. Nur etwa 300 Per­sonen demonstrierten im November gegen eine Compact-Konferenz in Leipzig. Dort sprachen neben Chefredakteur Jürgen Elsässer unter anderem der Pegida-Gründer Lutz Bachmann, Martin Sellner von der Identitären Bewegung Österreich und der AfD-Politiker Björn Höcke. Über den richtigen Umgang mit den Rechtsextremen auf der Buchmesse gab es zwar bereits lokal­politische Diskussionen, die Handlungsempfehlungen fallen jedoch erwartungsgemäß höchst unterschiedlich aus.

So diskutierte im Februar der Leipziger Stadtrat über einen Antrag, den die Fraktion der Linkspartei eingebracht hatte. Sie wollte die Stadtverwaltung per Beschluss dazu auffordern, als Gesellschafterin auf die Messebetreiber Druck auszuüben, mit dem Ziel, Unternehmen wie Compact von der Teilnahme auszuschließen. »Die Buchmesse ist ein kultureller, geistiger und bildnerischer Höhepunkt in dieser Stadt, der seit vielen Jahren von der Präsenz von Akteuren überschattet wird, die die Messe für menschenfeindliche, diskriminierende, völkische und rassistische Ansichten nutzen«, sagte Juliane Nagel, Stadträtin der Linkspartei. Diese Medien seien Stichwortgeber für Angriffe auf progressive Errungenschaften.

 

Der neurechte Antaios-Verleger Götz Kubitschek bezeichnete den Debattenbeitrag der Leipziger Gruppe »The Future Is Unwritten« auf der Homepage seiner Zeitschrift Sezession als »Aufruf zur Gewalt«. In den Kommentaren zu dem Artikel forderte daraufhin eine Person »maxi­male Präsenz« auf der Buchmesse.

 

Die Stadtverwaltung und die Leitung der Buchmesse lehnen seit Jahren die Forderungen nach einem Teilnahmeverbot für rechtsextreme Unternehmen ab. Dafür gebe es keine rechtliche Handhabe, so die Begründung. Die anderen Fraktionen im Stadtrat stellten sich ebenfalls gegen die Links­partei. »Als Demokraten müssen wir auch Meinungen zulassen, die sich ­gegen unsere Überzeugungen richten«, sagte etwa der CDU-Stadtrat Michael Weickert. »Die Linke« offenbare sich mit ihrem Antrag »als Partei, die weder tolerant noch demokratisch ist«.

 

Gegen Verbote

 

Politiker von SPD, Grünen und FDP tendieren ebenfalls zu der Meinung, dass die Messe wegen demokratischer Grundsätze die Beteiligung solcher Verlage aushalten müsse. Der FDP-Stadtrat René Hobusch sagte: »Ich habe schon in den neunziger Jahren meine Unterschrift dafür geleistet, dass die Junge Freiheit auf der Buchmesse ausstellen darf.« Eine erneute Unterschrift für die neurechte Wochenzeitung wird diesmal nicht nötig sein. In der vergangenen Woche sagte die Junge Freiheit ihre Teilnahme an der Buchmesse ab. Ihr Geschäftsführer Dieter Stein warf der Messeleitung vor, seine Zeitung absichtlich neben rechtsextremen Ver­lagen platzieren zu wollen und mit einer »linksradikalen Aktion« kooperiert zu haben.

Damit meinte er das Bündnis »Verlage gegen rechts«, das die Absage der Jungen Freiheit wiederum als »vollen Erfolg« wertete. Im Gegensatz zur Fraktion der Linkspartei lehnt das Bündnis jedoch Verbote ab. In einer Pressemitteilung heißt es: »Wir reagieren auf die Präsenz rechter Verlage mit Aufklärung und emanzipatorischen Inhalten. Wir laden die Buchbranche zu einer politischen und engagierten Diskussion über rechte Verlage auf der Leip­ziger Buchmesse ein.« So soll es zahlreiche Veranstaltungen zu Themen wie Rassismus, Feminismus und Meinungsfreiheit geben. Für den Abend vor der Eröffnung der Buchmesse wurde zudem eine Kundgebung in der Innenstadt angekündigt. Dem Bündnis gehören mehr als 200 Verlage, Personen und Initiativen an, darunter auch die Jungle World.

Eine dritte Wortmeldung gegen rechtsextreme Verlage auf der Buchmesse kam von der kommunistischen Leipziger Gruppe »The Future Is Unwritten«. Sie spricht sich ebenfalls gegen Verbote aus, hält es aber für un­zureichend, lediglich über das Problem zu reden. Stattdessen sollten engagierte Personen dafür sorgen, dass es »Stress gibt«, wie Pressesprecherin Hanna Fuchs im Gespräch mit der Jungle World sagt. »Alles, was wir gegen die Norma­lisierung des Rechtsrucks tun können, sollten wir auch tun.«

Dennoch hält die Gruppe die Frage der Meinungsfreiheit für wichtig und lehnt es ab, dass Behörden den Rechtsextremen dieses Grundrecht entziehen. Damit richtet sie sich gegen Ansichten, die in linken Kreisen durchaus verbreitet sind. In einem online veröffentlichten Debattenbeitrag schreibt »The Future Is Unwritten«: »Da wir ­keinen Staat wollen, der anfängt, Meinungsäußerungen auf Zulässigkeit zu prüfen, und da wir nicht erst seit dem Indymedia-Linksunten-Verbot wissen, dass sich staatliche Zensur jederzeit auch gegen uns richten kann, fordern wir in keinem Fall, dass der Staat diesen Bruch mit der Meinungsfreiheit vollzieht.«

Andererseits sei aber jeder rechtsextreme Präsenz bereits im Ansatz zu bekämpfen. Die Gruppe kommt angesichts des sich auftuenden Widerspruchs zu dem Schluss: »Wir verhindern rechte Kundgebungen, Demos und Stände – aber sind uns dabei im Klaren, dass wir dabei vorläufig mit unseren eigenen politsch-normativen Standpunkten brechen.«

Der neurechte Antaios-Verleger Götz Kubitschek bezeichnete diesen Text auf der Homepage seiner Zeitschrift Sezession als »Aufruf zur Gewalt«. In den Kommentaren zu dem Artikel forderte daraufhin eine Person »maxi­male Präsenz« auf der Buchmesse und empfahl: »Janker und Tweedsakko im Schrank lassen und lieber etwas Praktisches anziehen.« Kubitschek antwor­tete auf diesen Kommentar schlicht: »Das höre ich gern, sehr gern.«