Platte Buch - Yves de Mey: Bleak Comfort

Hörenswerter Phrasendrescher

Kolumne Von Niklas Dommaschk

Latency Recordings ist ein kleines Label aus Paris, das die Welt seit ein paar Jahren in beeindruckender Konstanz mit außergewöhnlicher elektronischer Musik beglückt. Veröffentlicht haben hier zuletzt Robert Aiki, Aubrey Lowe, das Duo Bellows, Andrea Belfi oder Burnt Friedman.

Neueste Attraktion im Latency-Katalog ist nun ein Album des belgischen Klangkünstlers Yves de Mey. Der Infotext zu »Bleak Comfort« ­bemüht einmal mehr die Phrase von der »Dekonstruktion« gängiger Clubmusik, und natürlich steckt dahinter wohl auch der Versuch, Eingängigkeit und Tanzbarkeit bei einer Platte vorzutäuschen, die tatsächlich ziemlich abstrakt klingt. So ganz abwegig ist die Formulierung in diesem Fall dennoch nicht, denn unter dem Alias Eavesdropper oder mit der Gruppe Sendai ist Yves de Mey als Produzent von ast­reinem Techno bekannt. Mit seinen jüngeren Veröffentlichungen, vor allem jenen unter eigenem Namen, hat sich der Belgier zuletzt allerdings mehr und mehr vom Dance­floor weg in experimentelle Gefilde bewegt.

Die Phrase von der Dekonstruktion beschreibt das neue Album auch deshalb nicht schlecht, weil die Songs durchweg sehr transparent sind. ­Jeder Track kommt mit einer überschaubaren Zahl von Elementen aus, die dann wirkungsvoll arrangiert und so mit ihrem eigenwilligen Klangcharakter in Szene gesetzt werden. Im schlechteren Fall führt das dazu, dass die spärlichen Sounds etwas Mühe haben, einen Song über die ganze Länge zu tragen, wie beim achtminütigen »Vecto«. Überaus ­beeindruckend ist es aber, wenn es de Mey gelingt, wenige Sounds zu komplexen Rhythmen zu formieren, so dass die stärksten Stücke wie »Bleak Comfort« oder »Wearing Off« bei aller Fremdartigkeit der Klänge faszinierende Grooves entwickeln.

 

Yves de Mey: Bleak Comfort (Latency Recordings)