Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma musste zurücktreten. Sein Nachfolger Cyril Ramaphosa ist ein unternehmerfreundlicher Technokrat

Technokrat ohne Leopardenfell

Der Rücktritt des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma erlaubt es der Regierungspartei ANC, noch einmal ihre Macht zu konsolidieren.

Zunächst hatte sich Jacob Zuma geweigert. Am Mittwoch vergangener Woche trat der südafrikanische Präsident schließlich doch zurück und kam damit einem für den 15. Februar anberaumten Misstrauensvotum im Parlament zuvor. An seiner Stelle wurde der 65jährige Geschäftsmann Cyril Ramaphosa zum Präsidenten gewählt. Bereits einige Tage vor Zumas Rücktritt hatte der Vorstand seiner Partei African National Congress (ANC) Zuma aufgefordert, sein Amt aufzugeben. In Südafrika machte sich nach dem Rücktritt des vierten Präsidenten seit der Abschaffung der Apartheid 1994 Erleichterung breit, denn während Zumas Amtsperiode hatte sich der einstige ökonomische Vorreiter Afrikas zu einer ausgeprägten Kleptokratie entwickelt.

 

Ramaphosa stellte sich in die Tradition Mandelas und des Antiapartheidkampfs – ein Erbe, dem er mit der Beschwörung einer meritokratischen Gesellschaft eine klar neoliberale Interpretation gab.


Schon vor Zumas Amtsantritt 2009 hatte es neben Vergewaltigungsvorwürfen zahlreiche Verdachtsfälle von Betrug, Korruption und Geldwäsche gegen ihn gegeben. Alle Anklagen wurden damals jedoch mit teilweise rechtlich fragwürdigen Begründungen fallengelassen. Die Serie der Skandale riss während seiner Amtszeit nicht ab. So gab es einen langen juristischen Streit um die Freigabe von Bändern mit abgehörten Telefonaten, die Zuma als Beteiligten eines illegalen Waffenhandels belasten sollen. Vergangenen ­November wurde nun beschlossen, diese als Beweismittel zuzulassen und erneut Anklage zu erheben. Ein anderes Dauerthema waren die Umbauten an Zumas Privatresidenz in seiner Herkunftsprovinz KwaZulu-Natal, wo auf Staatskosten unter anderem diverse Gästehäuser, ein kleines Amphitheater und ein Rindergehege errichtet wurden – deklariert wurden die Bauten als sicherheitsrelevant, ein Swimmingpool etwa firmierte als Löschteich. 2016 entschied das südafrikanische Verfassungsgericht, dass Zuma die entstan­denen Kosten nicht der Staatskasse aufbürden darf. Ausschlaggebend für ­seinen Rücktritt war jedoch die umfangreiche Verfilzung staatlicher Institu­tionen mit Unternehmen, insbesondere denen der mit Zuma befreundeten ­Familie Gupta. Deren Einfluss hatte sich dank der Unterstützung des Präsidenten und loyaler ANC-Kreise nicht nur auf diverse ökonomisch wichtige ­Bergbauunternehmen erstreckt, sondern reichte bis in das staatliche Energieversorgungsunternehmen Eskom und die öffentlich-rechtlichen Medien. Auch bei der Neubesetzung des Finanzministeriums hatten Angehörige der Familie Gupta offenbar die Hand im Spiel.

Es bedurfte eines Urteils des Obersten Gerichtshofs, um einen Bericht der ehemaligen Antikorruptionsbeauftragten, Thuli Madonsela, in ungekürzter Form öffentlich zu machen. Da schien sich ein Ende der Ära Zuma bereits abzuzeichnen, doch sein immer noch erheblicher innerparteilicher Einfluss gestattete es ihm, alle Vorwürfe auszusitzen, so dass er vergangenes Jahr noch ein parlamentarisches Miss­trauensvotum überstand. Doch Ende 2017 wurde auf der im Fünfjahres­turnus stattfindenden ANC-Konferenz nicht Zumas favorisierte Kandidatin – pikanterweise seine Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma – sondern Ramaphosa zum Parteivorsitzenden gewählt. Der Stimmungsumschwung hatte nicht zuletzt auch damit zu tun, dass ein von Zuma geführter ANC bei den Parlamentswahlen 2019 erstmals die absolute Mehrheit hätte verlieren können. Mit Zumas Rücktritt hat die Partei nun ein schweres PR-Problem weniger.

Ramaphosa ist ebenso wie Zuma ein Veteran aus den Zeiten des Befreiungskampfes gegen das Apartheidsregime. In den achtziger Jahren war er Anführer der Bergarbeitergewerkschaft NUM, die mit ihren umfangreichen Streiks entscheidend zum Sturz des weißen Minderheitsregimes beitrug. Dank der Kontakte aus dieser Zeit und mit Hilfe günstiger staatlicher Kredite zur Förderung ökonomischer Aktivitäten der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, gelang es Ramaphosa in den neunziger Jahren, zu einem der erfolgreichsten Geschäftsleute des neuen Südafrika ­aufzusteigen. Nachdem er auf der ANC-Konferenz 1999 in der Abstimmung um die Nachfolge Nelson Mandelas als Staatspräsident Thabo Mbeki unter­legen war, zog er sich vorübergehend aus der Politik zurück, auch wenn er nach wie vor über großen Einfluss innerhalb des ANC verfügte. Einen erheblichen Schatten auf diese, immer von Gerüchten über fragwürdige Geschäftspraktiken begleitete, südafrikanische Erfolgsstory wirft Ramaphosas indirekte Beteiligung am Massaker in Marikana im Jahr 2012. Beim größten staatlichen Gewaltakt gegen die Zivilbevölkerung seit dem Ende der Apartheid erschossen Polizisten 32 streikende Minenarbeiter (Jungle World 28/2015). Ramaphosa war damals Mitglied des Aufsichtsrats der bestreikten Minengesellschaft Lonmin und hatte seinen Einfluss im Staatsapparat geltend gemacht, um eine entschiedene Reaktion auf die ihm zufolge »offensichtlich kriminellen Praktiken« der streikenden Arbeiter zu erwirken.

Dem Enthusiasmus, der seinen Amtsantritt in der südafrikanischen und internationalen Presse begleitete, tut dies freilich keinen Abbruch. Im Gegensatz zum Traditionalisten Zuma, der gerne im Gewand des Zulu Chief mit Leopardenfellschärpe auftrat, gilt Ramaphosa als moderner, wirtschaftsfreundlicher Technokrat, von dem man sich eine Wahrung internationaler Standards und Verfassungstreue erhofft.

 

Eine von vielen Krisen

 

Dieses Image pflegte Ramaphosa auch bei der jährlichen Ansprache zur Lage der Nation, die aufgrund der Querelen um Zumas Rücktritt verschoben worden war. Dort rief er zur nationalen Einigung auf und kündigte umfangreiche Wirtschaftsförderungsmaßnahmen an sowie die Schaffung eines investorenfreundlichen Klimas und ein umfangreiches Antikorruptionsprogramm. Dabei stellte er sich in die Tradition Mandelas und des Antiapartheidkampfs – ein Erbe, dem er mit der Beschwörung einer meritokratischen Gesellschaft, in der Leistung ohne Ansehung von Hautfarbe oder Geschlecht zählt, eine klar neoliberale Interpre­tation gab.

Gleichzeitig kündigte er eine Reihe von Maßnahmen an, mittels ­derer er die endemische Armut und die hohe Arbeitslosigkeit – nach offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenquote über 27 Prozent – bekämpfen will. So sollen etwa die Umverteilung von Land beschleunigt und ein nationaler Mindestlohn eingeführt werden. Auch die Abschaffung von Studiengebühren – ein spätes Projekt Zumas, mit dem er sich noch einmal Zustimmung sichern wollte – will Ramaphosa in Angriff nehmen, allerdings soll dies nur für Kinder aus armen Familien gelten.

In den vergangenen Jahren war die symbolträchtige Rede zur Lage der Nation stets von Scharmützeln im Parlament begleitet worden, weil Abgeordnete der zweitgrößten Oppositionspartei, der linkspopulistischen Eco­nomic Freedom Fighters, lautstark gegen Zumas Korruption protestierten. Doch dieses Jahr blieb es ruhig.

Allerdings werden sich die Oppositionsparteien, die sich in den vergangenen Jahren vor allem durch ihre Gegnerschaft zu Zuma definierten, grundlegend umorientieren müssen. Insbesondere die Selbstinszenierung der größten Oppositionspartei der Democratic Alliance (DA), als Stimme des ökonomischen Sachverstands hat in den vergangenen Monaten an Glaubwürdigkeit verloren. Zuerst hatte die Ministerpräsidentin der einzigen von der DA regierten Provinz, Helen Zille, Tweets über die vermeintlich positiven ­Seiten des Kolonialismus geschrieben und so den Versuch, das Image der »weißen Partei« loszuwerden, konterkariert. Gleichzeitig wurde bekannt, dass jahrelang Warnungen zur gefährdeten Trinkwasserversorgung der Provinz in den Wind geschlagen worden waren. Nun wird rationiert und es ist davon auszugehen, dass Kapstadt im Juni das Trinkwasser ausgeht.

Das ist nur eine der zahlreichen Krisen, mit denen sich das Land in dem extreme soziale Ungleichheit herrscht, in den nächsten Jahren herumschlagen muss. Viele davon sind struktureller Natur und auch wenn unter Zumas Patronagesystem einiges schlimmer geworden ist, wäre es naiv zu glauben, dass diese Probleme sich unter anderer Führung, erst recht unter der eines ­Cyril Ramaphosa, in Wohlgefallen auflösen werden.