Die Amtskirchen, islamistische Organisationen und die religionspolitische Ordnung

Ökumene mit den Muslimbrüdern

Vertreter der Amtskirchen kooperieren mit deutschen Moscheen und Islamverbänden, die der Muslimbruderschaft und dem iranischen Mullah-Regime nahestehen.

Martin Germer und Taha Sabri sind zwei religiöse Menschen, die sich gut leiden können. Der eine ist Pfarrer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, vor der der islamistische Attentäter Anis Amri vor einem knappen Jahr mit einem Sattelschlepper elf Weihnachtsmarktbesucher ermordete, nachdem er zuvor bereits den Fahrer des LKW getötet hatte. Der andere trägt den Verdienstorden des Landes Berlin und steht als Imam der Neuköllner Dar-as-Salam-Moschee vor. Dort trafen sich am 12. März 2016 muslimische Geistliche aus dem In- und Ausland, um den »Fatwa-Ausschuss Deutschland« zu gründen. Unter ihnen: Vertreter von Millî Görüş und der Internationalen Union Muslimischer Gelehrter aus Katar. Beide Organisationen streben eine Islamisierung der deutschen Gesellschaft an.

Als der RBB über diese und andere Verstrickungen der Dar-as-Salam-Moschee mit Islamisten berichtete, fand der evangelische Kirchenmann Germer das nicht gut. In einem Brief an den Sender habe er sich der Welt zufolge darüber beschwert, dass die Moschee als »salafistisch« bezeichnet worden sei. Dies sei »unzutreffend« und »diffamierend«. Schließlich habe das Gebetshaus von Imam Sabri »mehr als jede andere Moschee« für ein friedliches Zusammenleben in Berlin getan. Damit dürfte der Pfarrer auf die Demonstra­tion mit dem Titel »Religionen für ein weltoffenes Berlin« im März angespielt haben. An der nahmen zum Gedenken an die Opfer des Anschlags auf dem Breitscheidplatz er selbst und Sabri teil – allerdings auch Vertreter von drei anderen Moscheen, die wie die Dar-­as-Salam-Moschee vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet werden.

Die Bruderschaft zwischen Germer und Sabri wirft ein Licht auf das Verhältnis der deutschen Amtskirchen zu Vertretern von Moscheen, die dem politischen Islam nahestehen. Die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) mit ihren Regionalkirchen sowie die katholischen Bistümer, die in der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zusammen­geschlossen sind, geben an, 21 Millionen Protestanten und 23 Millionen Katho­liken zu vertreten. Einen Leitfaden für den Umgang mit islamistischen Moscheevereinen gibt es bei der katholischen Kirche nicht. »Im Bereich des interreligiösen Dialoges agieren die Bis­tümer selbständig«, sagte der DBK-Sprecher Matthias Kopp der Jungle World. Gleichwohl sei die Bischofskonferenz über eine Unterkommission mit »führenden überregionalen muslimischen Verbänden seit vielen Jahren« im Gespräch. Einer dieser Verbände dürfte der Zentralrat der Muslime (ZdM) sein. Der Islamwissenschaftler Guido Steinberg bezeichnet ihn als Projekt der syrischen und ägyptischen Muslimbruderschaft.

Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied, dass der Zentralrat der Muslime und der Islamrat keine Religions­gemeinschaften sind.

Auch bei der EKD heißt es, ihre Kirchengemeinden seien beim Dialog mit islamischen Organisationen autonom. Ein Sprecher betonte jedoch: »Wer zur Gewalt aufruft, sie unterstützt oder befördert, ist für die EKD und ihre Gliedkirchen ganz klar als Gesprächspartner für die Kirche inakzeptabel.« In Hamburg zeigt sich, wie schwerlich der regionale EKD-Ableger, die sogenannte Nordkirche, diesen Grundsatz einlösen kann. Grund ist der Staatsvertrag, den der Stadtstaat 2012 als erstes Bundesland mit drei muslimischen Verbänden sowie der Alevitischen Gemeinde geschlossenen hat. Der gibt ihnen unter anderem das Recht, den islamischen Religionsunterricht an Schulen zu gestalten. Einer der muslimischen Verbände ist die Schura Hamburg. Ihr Vorsitzender ist Ayatollah Reza Ramezani vom Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), das als verlängerter Arm des iranischen Mullah-Regimes in Deutschland gilt. Zudem war das IZH jahrelang Hauptorganisator des anti­semitischen al-Quds-Marsches. Ein weiterer Vorsitzender der Schura ist der Millî-Görüş-Funktionär Mustafa Yoldaş. Er führte den Verein »Internationale Humanitäre Hilfsorganisation«, der 2010 vom Bundesinnenministerium verboten wurde, weil er die Hamas im Gaza-Streifen unterstützte.

»Die Nordkirche arbeitet nicht mit islamistischen Vereinen zusammen«, sagte Stefan Döbler, Pressesprecher der Nordkirche, der Jungle World. »Für die Nordkirche ist es dabei maßgeblich, dass die Verbände und ihre führenden Vertreter sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und abweichende Tendenzen und ex­tremistische Entwicklungen in den ­eigenen Reihen klar ablehnen und diesen entgegenwirken.« Er räumte allerdings ein, dass seine EKD-Gliedkirche in Fragen des Religionsunterrichts mit den Islamvereinen kooperiere, die den Hamburger Staatsvertrag unterschrieben haben. Zudem ist die Nordkirche Mitglied im »Interreligiösen Forum Hamburg«, wo die islamistischen Schura-Vorsitzenden Yoldaş und Ramezani ebenfalls vertreten sind. Döbler betont jedoch, die Schura habe sich in öffent­lichen Mitteilungen vom Antisemitismus und dem al-Quds-Marsch distanziert.

Die Amtskirchen haben ein Eigen­interesse am Fortbestand der geltenden religionspolitischen Ordnung in der Bundesrepublik. Die Kooperation ergibt sich aus den Staatsverträgen, die die Bundesrepublik mit dem Vatikan und der EKD geschlossen hat. Kirchliche Funktionäre und Bischöfe sitzen in vielen einflussreichen politischen Gre­mien. In den Rundfunkräten bestimmen sie über die inhaltliche Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen Sender mit. Als Mitglieder von Ethikkommissionen beraten und beaufsichtigen sie Wissenschaftler, die potentiell moralisch umstrittene Forschungsprojekte planen. Sie schlichten bei Arbeitskämpfen zwischen den Tarifparteien und legen die Inhalte des Religionsunterrichts an Schulen fest.

Für die Vertreter des Islam als zweitgrößter Religionsgemeinschaft in Deutschland sind ­solche Posten und Sonderrechte ähnlich reizvoll. Nur ist der Organisationsgrad der etwa 4,7 Millionen Muslime extrem gering. Der ZdM beispielsweise vertritt lediglich 10 000 bis 20 000 Menschen. Eine juristische Niederlage erlitt der Verband indessen vergangene Woche beim Oberverwaltungsgericht in Münster. Zusammen mit dem »Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland« klagte der ZdM für die Einführung eines allgemeinen islamischen Religionsunterrichts in nordrhein-westfälischen Schulen. Doch das Gericht entschied, dass beide Verbände keine Religionsgemeinschaften sind. Eine tatsächliche Durchsetzung verbindlicher religiöser Lehren bis in die unterste Ebene der Moscheegemeinden hinein sei nicht gegeben. Hinzu komme, dass der Zentralrat nicht als zuständig angesehen werde könne, »identitätsstiftende Aufgaben« wahrzunehmen. Beide Kriterien waren zuvor vom Bundesverwaltungsgericht als ­Voraussetzung für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft definiert worden.