Die Probleme der Bundeswehr

Pazifistischer Traum

Die Bundeswehr hat ein Problem mit der Ausrüstung.

Vielleicht macht man sich als Zivilist einfach falsche Vorstellungen über die Zustände bei der Bundeswehr. Jedenfalls sorgt die Lektüre der militärischen Fachpresse (Bild, FAZ, Spiegel) für Erstaunen. Unsere Soldaten treffen nicht richtig. »Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, ist die Badehose schuld«, hat mein Vater früher immer gesagt. Die soldatische Badehose heißt G36, und Bild diagnostiziert militärisch knapp: »Problem: Das Gewehr schießt schief!« Seit 1997 laufen die Soldaten damit herum, 170 000 davon sind im Einsatz. Und nun stellt sich heraus, das G36 schießt nur in 50 Prozent der Fälle ordnungsgemäß. Das bedeutet doch im Umkehrschluss, dass immerhin jeder zweite Schuss sein Ziel findet. Dann müssen die Soldaten eben öfter schießen.
Aber die Tücke steckt im Detail. Die Trefferquote sinkt, je häufiger geballert wird. Beim fünften Magazin in Folge trifft nur noch jeder zehnte Schuss. Und wenn es warm ist, wird es noch schlimmer. Deshalb sieht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen »keine Zukunft« mehr für die Knarre. Ist das nicht voreilig? Jede Maschine ist immer nur so gut wie der Mensch, der sie bedient. Vielleicht zeigt das G36 Schwächen beim Schießen, aber wenn man damit zuschlägt, sind Trefferquoten von 100 Prozent drin. Kein Wunder, dass der Hersteller Heckler & Koch der Regierung nun Geschäftsschädigung und Rufmord vorwirft. Was also tun? Gibt es im Krieg bald hitzefrei? Nein, Bild weiß: »Es gibt drei Möglichkeiten: verschrotten, ausschlachten, verkaufen. Ein kleiner Teil könnte als Ersatzteillager dienen.«
Bei ordentlichem Teamwork geht das bestimmt ruckzuck: Einer schraubt im Gefecht die Knarre auseinander und wechselt ein paar Teile, der andere pustet, damit sie sich abkühlt. Bild weiter: »Der Rest würde an befreundete Staaten verkauft oder verschenkt.« Dafür werden die Deutschen überall auf der Welt so geliebt: für ihre Großherzigkeit und Hilfsbereitschaft. Und dass sie funktionsuntüchtigen Schrott verkaufen. Bild zufolge muss die Bundeswehr nachrüsten: »Eine Alternative zum umstrittenen Sturmgewehr (G36) ist bereits jetzt auf dem Markt.« Können die Deutschen dann endlich wieder vernünftig Krieg führen? Man muss skeptisch sein, denn »ernste Probleme« gebe es auch sonst, weiß die FAZ: »So fuhren Marder-Besatzungen in Afghanistan ab 2008 in Unterwäsche in ihren saunaheißen Schützenpanzern, Schuhsohlen von Militärstiefeln lösten sich ab, in Spähwagen fehlte Stauraum für Wasservorräte.« Die Welt vermeldet: »Mit dem Leopard 2 verfügt die Bundeswehr zwar über einen der besten Kampfpanzer weltweit. Doch die Soldaten haben nicht genug schlagkräftige Munition. Heißt: keine Chance gegen russische Panzer.«
Hoffentlich liest Wladimir Putin keine Zeitung. Es klingt wie ein pazifistischer Traum: Ausgerechnet die Deutschen ziehen in Unterwäsche und mit von den Stiefeln abfallenden Sohlen in den Krieg, mit Panzern ohne taugliche Munition und Gewehren, die nicht geradeaus schießen, wenn die Sonne scheint. Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Rund 30 Milliarden Euro im Jahr reichen nicht, um den Soldaten vernünftige Stiefel zu kaufen und Gewehre, die treffen? Weshalb dringend mehr Geld in die Verteidigung fließen muss? Da könnte der angebliche Rufmord sich rasch als Renditesteigerungsprogramm für die Rüstungsindustrie entpuppen.