Beim IWF denkt man über eine globale Vermögensabgabe nach, doch eine Umverteilung des Reichtums ist nicht in Sicht

Kommunismus à la IWF

Der Vorschlag einer globalen Vermögensabgabe ist Ausdruck wachsender Verzweiflung der globalen Krisenverwalter. Vor ­einer Umverteilung der Gelder schreckt der IWF jedoch zurück.

In seinem jüngsten Fiskalbericht wartet der IWF mit einem Gedankenspiel auf, das man von dieser Seite nicht unbedingt erwartet hätte. Ausgerechnet die Institution, die sich in den vergangenen Jahrzehnten wie keine andere als Avantgarde des Markttotalitarismus bewährt hat, schlägt zum Abbau der überbordenden Staatsverschuldung eine einmalige allgemeine Vermögensabgabe von zehn Prozent vor. Ein Aprilscherz mitten im Herbst? Eher treibt den IWF Panik um. Die Staatsschuldenblase schwillt immer weiter an. 2007 lag die öffentliche Schuldenquote im Durchschnitt aller Länder noch bei 75 Prozent, inzwischen ist sie auf 110 Prozent hochgeschnellt. Damit die Blase nicht platzt, muss Druck aus den Staatspapiermärkten genommen werden – zur Not auch mit unkonventionellen Maßnahmen.
Lässt man die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre Revue passieren, ist dieser Vorschlag auf seine Weise durchaus folgerichtig. Zur Rettung des maroden Bankensystems und der Weltkonjunktur haben sich die Staaten seit dem Beginn der Krise 2008 exzessiv verschuldet. Diese Vorgehensweise war insofern von Erfolg gekrönt, als sie in Kombination mit einer extremen Niedrigzinspolitik die Dynamik fiktiver Kapitalschöpfung insgesamt wieder auf Hochtouren brachte. Ablesen lässt sich das unter anderem daran, dass Aktienindizes wie der Dow Jones und der Dax derzeit historische Höchststände erreichen. Allerdings ist die horrende Staatsverschuldung zum Schwachpunkt des vom beständigen Anzapfen künftigen Werts abhängigen kapitalistischen Weltsystems geworden. Warum jetzt also – so wird man sich beim IWF denken – nicht das gerettete private fiktive Kapital wiederum zur Stützung des Staatspapiersektors heranziehen?

Rein theoretisch könnte die Rechnung, die diesem präventiven Krisenmanagement zugrunde liegt, sogar zunächst einmal aufgehen. Das würde allerdings zweierlei voraussetzen. Zum einen müsste die Requirierung damit einhergehen, dass die Zentralbanken synchron die Geldschleusen noch weiter öffnen. Denn eine globale Sondersteuer auf private Finanzvermögen würde die Masse des im Finanzüberbau akkumulierten Kapitals schrumpfen lassen und das würde den Crash auslösen, um dessen Verhinderung es ja gerade geht. Deshalb müssten die eingezogenen Geldvermögen sofort durch neues fiktives Kapital ersetzt werden. Zum anderen müsste der Vermögenseinzug überfallartig und im Weltmaßstab vonstatten gehen – was im Planspiel des IWF zwar vorgesehen ist, aber wenig realistisch sein dürfte. Krise und Krisenmanagement haben dazu geführt, dass die Länder wirtschaftlich immer weiter auseinanderdriften. Für die Bundesrepublik etwa stellt die eigene Staatsverschuldung entgegen dem Trend bis auf Weiteres kein ernsthaftes Problem dar. Aufgrund der exportinduzierten Sonderkonjunktur war die Staatsschuld, nachdem sie 2009/2010 auf 81 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angestiegen war, in den vergangenen Jahren gemessen am BIP sogar leicht rückläufig. Und angesichts der Kapitalflucht aus anderen Ländern kommt der deutsche Staat außerdem so billig wie nie zuvor zu Frischgeld. Umso dramatischer ist die Situation in Südeuropa und den USA. Dort ist die Außenhandelsbilanz negativ und für Staatskredite werden hohe Zinsen verlangt. Angesichts dieser disparaten Interessenlagen – von ideologischen Vorbehalten ganz zu schweigen – ist es höchst unwahrscheinlich, dass sich die Staatenwelt auf das vom IWF in die Diskussion gebrachte gemeinsame präventive Krisenmanagement einigen kann.
Darüber hinaus hat das IWF-Konzept einen grundsätzlichen Fehler. Es sieht nur die Schröpfung der Vermögenden zugunsten des je eigenen Staats vor. Damit brächte die Maßnahme gerade jenen Ländern nur wenig, bei denen die Verringerung der Altlasten besonders dringend wäre. Um wirklich Druck aus dem Kessel zu nehmen und durch gezielte Vermögensrequirierung dem auf fiktiver Kapitalschöpfung basierenden Weltsystem Zeit zu erkaufen, müsste der IWF eine massive Umverteilung der eingezogenen Gelder zugunsten der schwächsten Länder ins Auge fassen. Wohlwissend, wie es um die politische Durchsetzbarkeit eines solchen Schritts bestellt ist, schreckt der IWF jedoch selbst in seinen verwegensten Planspielen davor zurück, diese unerlässliche Komponente ins Auge zu fassen.

Die Rettungspläne haben etwas Paradoxes. Auf der einen Seite geht es dem IWF darum, ein System vor dem Zusammenbruch zu retten, das nichts anderes kennt als die gnadenlose Verfolgung des privaten Profitinteresses. Auf der anderen Seite spielt man angesichts der prekären Lage offenbar ernsthaft mit dem Gedanken, dieses System durch die Aufhebung seiner eigenen ehernen Grundprinzipien zu retten und den fiskalischen Ausnahmezustand auszurufen. Die Staaten sollen nicht nur wie üblich Gewinne und Einkommen besteuern, sondern zum Wohle des kapitalistischen Ganzen einen Teil des Vermögensstocks beschlagnahmen. Selbstredend hat dieser Kommunismus à la IWF nichts mit gesellschaft­licher Emanzipation zu tun, sondern ist Ausdruck wachsender Verzweiflung der globalen Krisenverwalter. Und dennoch: Gäbe es eine antikapitalistische Bewegung, die diesen Namen verdient, sie müsste den geplanten Tabubruch entschicken begrüßen. Wenn schon die Verteidiger der kapitalistischen Ordnung die Heiligkeit des Privateigentums zur Disposition stellen, dann ist es höchste Zeit, genau diese Forderung aufzugreifen und zu radikalisieren. Nicht, um dem kapitalis­tischen Weltsystem noch einmal eine Atempause zu verschaffen, sondern um gegen die unerträg­lichen Zumutungen der Krisenverwaltung ein gutes Leben für alle zu erkämpfen.