Magdeburger Antifada

In Magdeburg gehen Antiimperialisten immer brutaler gegen linke Veranstaltungen vor, die ihnen nicht in das Weltbild passen. von jan gerber

Mit einer gewissen Verzögerung hat der Antisemitismusstreit in der Linken, die Auseinandersetzung um die Frage der Solidarität mit Israel, auch Magdeburg, die Landeshauptstadt von Sach­sen-Anhalt, erreicht. Am 27. Juni griffen Mitglieder der »Gruppe Internationale Solidarität«, der »Autonomen Antifa Magdeburg« und der »Frauengruppe Magdeburg« eine Diskussionsveranstaltung mit Pflastersteinen an und versprühten Reizgas. Mehrere Scheiben des Veranstaltungsorts, des Eine-Welt-Hauses, wurden zerstört; mindestens vier Teilnehmer der Veranstaltung, die in Kontakt mit dem Reizgas gekommen waren, mussten von einem Notarzt behandelt werden. Das Motto der Veranstaltung, die verhin­dert werden sollte, hieß: »Solidarität mit Israel!«

Bereits zwei Wochen zuvor hatte derselbe Personenkreis einen Vortrag gestört, in dem die linke Szene der Landeshauptstadt mit der Kritik des antiimperialistischen Weltbildes konfrontiert werden sollte. Etwa 15, teilweise mit Mundschutz und Handschuhen ausgestattete Angehörige der autonomen und antiimperialistischen Szene waren vor dem Veranstaltungsort erschienen und hatten versucht, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Zwei Personen aus dem Umfeld der Veranstalter, des »Antifa-Infoportals« in Magdeburg, wurden mit Schlägen traktiert.

Bereits im Januar hatten Mitglieder der »Autonomen Antifa Magdeburg« gemeinsam mit Angehörigen der »Gruppe Internationale Solidarität« und der »Frauengruppe Magdeburg« einen mit Israel solidarischen Antifa aus Leipzig angepöbelt und mit Fausthieben traktiert. Sie schrieben dazu später in einer Stellungnahme: »Wir werden es nicht dulden, dass Antideutsche versuchen, israelsolidarische Politik in Magdeburg zu propagieren!« Wer eine is­raelische oder US-amerikanische Fahne trage, sei kein Antifaschist. Er stehe vielmehr »für Ausbeutung und Unterdrückung« und akzeptiere »den täglichen Mord von Tausenden Menschen (vor allem Kindern) in Palästina, Irak, Afghanistan, Nepal usw.«

Der Angriff vom Januar und die jüngsten Überfälle sind nur die Höhepunkte einer langen Reihe von Übergriffen auf Linke, die den Magdeburger Antiimperialisten als »antideutsch« oder israelsolidarisch gelten. Während die entsprechenden Auseinandersetzungen in anderen Städten vor allem während des Irak-Kriegs geführt wurden, begannen sie in Magdeburg erst vor etwa zwei Jahren. Zu dieser Zeit distanzierten sich einzelne Angehörige der Magdeburger Szene erstmals zaghaft vom bis dahin existierenden antizionistischen Konsens in der Szene.

Die Antiimperialisten reagierten damals schon mit Methoden, die an das Vorgehen stalinistischer Parteien gegen Abweichler erinnerten. Ende 2004 suchten Mitglieder der »Gruppe Internationale Solidarität« einen früheren Genossen in seiner Wohnung auf, bedrängten ihn und drohten ihm für den Fall, dass er weiter israelische Symbole an seiner Kleidung trage, Schläge an. In einem Schreiben, das sie kurz darauf in Magdeburg zirkulieren ließen, rechtfertigten sie ihr Vorgehen und kündigten weitere Übergriffe an: »Im konkreten Fall war und wird auch immer wieder in anderen Fällen die Anwendung von Gewalt legitim sein, um unsere Politik zu verteidigen.«

Diese Drohung wurde seither immer wieder in die Tat umgesetzt. Jens Schneider vom »Antifa-Infoportal« in Magdeburg, einer kleinen Gruppe, die sich an den bundesweiten Antifa-Debatten orientiert, berichtet von Einschüchterungsversuchen, die vom Zerstechen von Autoreifen über das Abschießen von Feuerwerksraketen auf eine Wohngemeinschaft bis hin zu Aufklebern mit Mordaufrufen (»Töte den Antideutschen!«) reichen.

Im Januar ließ die »Gruppe Internationale Solidarität« den Mitgliedern des »Antifa-Infoportals« schließlich über einen gemeinsamen Bekannten ausrichten, dass sie auch nicht davor zurückschrecken werde, mit Eisenstangen auf sie ein­zuschlagen. »Wer als ›antideutsch‹ gilt«, so resümiert Schneider, »wird mit einer Vehemenz bekämpft, die nicht einmal Nazis gegenüber an den Tag gelegt wird.«

Als »antideutsch« scheinen die örtlichen Antiimperialisten all das zu begreifen, was von dem abweicht, das immer wieder als »Magdeburger Linie« bezeichnet wurde; diese ist gekennnzeichnet vom antizionistisch modernisierten Antisemitismus, der seinen konsequenten Ausdruck in der Parole »Israel verrecke!« findet, einer Parole, die Mitglieder des »Antifa-Infoportals« Anfang des Jahres an der Wand ihres Wohnhauses entdeckten.

Diese »Magdeburger Linie« wird vom Großteil der örtlichen Szene toleriert. Als das »Antifa-Info­portal« im Januar einen Offenen Brief an andere linke Gruppen der Landeshauptstadt verschickte und sie aufforderte, Konsequenzen aus dem Vorgehen der antizionistischen Schläger zu ziehen, war die Resonanz gering. Die Mehrheit der Magdeburger Linken konnte sich nicht dazu entschließen, den Kontakt zur »Gruppe Internationale Solidarität«, der »Autonomen Antifa Magdeburg« und der »Frauengruppe Magdeburg« abzubrechen.

Ähnlich verhielt sich auch eine Antifa-Gruppe mit überregionaler Bedeutung. Noch im Januar unterstützte die »Antifaschistische Linke Berlin« (ALB) eine Anti-Nazi-Demonstration, die von der »Autonomen Antifa Magdeburg« organisiert wurde. Obwohl sie über die Aktionen ihrer Magdeburger Bündnispartner informiert worden war, sah sich die ALB nicht veranlasst, ihre Unterstützung zurückzuziehen. Die gemeinsame Gegnerschaft zu Neonazis schien schwerer zu wiegen als die Kritik des Antisemitismus.

Dieses Verhalten stärkt das Selbstbewusstsein der Magdeburger Antiimperialisten. In einem Interview, das kurz nach dem jüngsten Überfall in der Tageszeitung junge Welt veröffentlicht wurde, kündigte die »Gruppe Internationale Solidarität« an, das »Antifa-Infoportal« auch bei zukünftigen Vortragsveranstaltungen »demaskieren« zu wollen.