Samstag, 22.01.2022 / 09:14 Uhr

Extremkälte im Nahen Osten

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Straße in Halabja, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Regen, Kälte und andauernder Schneefall verschärfen die Situation der schon jetzt in katastrophalen Zuständen lebenden Vertriebenen. Die internationalen Geldgeber reagieren auf die verschärfte Situation mit einer Reduktion der Finanzmittel.

 

Der Nahe Osten erlebt dieser Tage einen heftigen Wintereinbruch mit extremem Schneefall und seit Jahrzehnten nicht mehr gemessenen Minustemperaturen. Straßen sind gesperrt, Flüge wurden storniert und laut Meteorologen soll es auch in der nächsten Woche keine Entwarnung geben.

Nach Jahren der Dürre und Hitze gab es in den letzten Monaten starke Regenfälle, die dazu geführt haben, dass etwa im Irak die für Strom- und Wasserversorgung des Landes wichtigen Staudämme im Norden erstmals wieder einen ausreichenden Wasserstand haben. 2021 war der Wasserspiegel von Euphrat und Tigris um über fünfzig Prozent gesunken, ein wichtiges Wasserreservoir in Syrien trocknete sogar ganz aus.

Anders als in der Vergangenheit handelte es sich aber nicht um einen kontinuierlichen Winterregen, sondern um sintflutartige Starkregen, die schon mehrmals in den vergangenen Monaten zu schweren Überschwemmungen im Nordirak und Syrien geführt haben.

Während sich die meisten Kinder in der Region über den Schneefall und in Irakisch-Kurdistan auch darüber freuen, schulfrei zu haben, hat das Extremwetter erneut fatale Konsequenzen für die Millionen von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen.

Kürzung der humanitären Hilfe

In Zelten oder Notunterkünften versuchen Menschen im Nordirak, in Syrien oder dem Libanon der Kälte irgendwie standzuhalten. Erneut sind die Menschen in Syrien besonders hart betroffen, denn schon zu Beginn des Winters wurde klar, dass für die drei Millionen in Idlib lebenden Binnenvertriebenen die Hilfe erneut gekürzt werden würde und sie keine Möglichkeit haben werden, Brennmaterialien zu besorgen.

 

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Erschwerend kommt der Verfall der türkischen Lira hinzu, die im von der Opposition kontrollierten Nordosten des Landes inzwischen die wichtigste Währung ist. Da Öl und Kerosin aus der Türkei importiert werden müssen, sind die Preise um ein Vielfaches gestiegen.

Die Lage in den Camps sei verheerend, berichtet der Regionaldirektor von CARE, Jolien Veldwijk:

»Dies ist ein weiterer Schlag für die Menschen, deren Leben bereits mehr als unerträglich ist. Die Menschen können ihren eigenen Atem sehen, wenn sie auf ihren dünnen Matratzen liegen; man sieht Kinder in Flip-Flops und zerrissenen Hemden herumlaufen. Die Familien haben Angst, dass sie erfrieren werden.«

Und Hoffnung auf Besserung sei nicht in Sicht:

»Die Krisenhilfe ist nach wie vor stark unterfinanziert. In diesem Jahr haben wir nur einen Bruchteil der Mittel erhalten, die wir benötigen, um die Menschen auf den Winter vorzubereiten und sie vor der Kälte zu schützen. Derzeit stehen nur 46 Prozent der für die Unterstützung der Syrer erforderlichen Mittel zur Verfügung.

 

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Der Konflikt in Syrien dauert nun schon seit fast elf Jahren an und wir befürchten, dass die Geber langsam müde werden, humanitäre Hilfe zu finanzieren. Leider ist der Bedarf in den letzten Jahren nur noch größer geworden und jetzt sehen wir, wie Menschen befürchten, zu erfrieren, weil dringend benötigte Mittel nicht zur Verfügung stehen.«

Auch im Libanon und in Jordanien ist die Lage ähnlich, während im Irak Hunderttausende von Jesidinnen und Jesiden, die den versuchten Völkermord durch den Islamischen Staat im Jahr 2014 überlebt haben, ebenfalls weiterhin in Camps leben müssen, in denen die Lage wenig besser ist.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch