Samstag, 24.04.2021 / 09:31 Uhr

"Brutal aber effizient" - Zehn Jahre danach

Von
Thomas von der Osten-Sacken
Protest in Kafranabel

Kafranabel im Februar 2012

Vor zehn Jahren war klar, um was es bei den Demonstrationen und Protesten ging, die vom "Entweder Assad oder wir brennen das Land nieder"- Regime brutal zusammengeschossen wurden.

Am 23.04.2011 meldete Al-Jazeera den "bislang tödlichsten Tag der Proteste" mit 75 Toten. Damals ahnte niemand, dass ihnen noch Hunderttausende folgen sollten, so viele, bis die UN irgendwann mit dem Zählen aufhören würde.

Diesen Kommentar schrieb ich damals über die absehbare Entwicklung in Syrien und welche Rolle das Assad-Regime für die iranische Nahostpolitik spielte und spielt.

Als Saddam Hussein vor 20 Jahren die Aufständischen im Südirak niedermetzeln ließ, schaute die Welt weitgehend ungerührt zu. Auch das iranische Regime konnte 2009 ungestört die Grüne Bewegung zerschlagen. Tödliche Effizienz zahlt sich eben aus. Wenn sich nun die »internationale Gemeinschaft« immer deutlicher vom Vorgehen des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad distanziert, so keineswegs, weil irgendwem das Schicksal der Syrer besonders am Herzen läge, sondern weil das Regime seine Unfähigkeit unter Beweis gestellt hat, für Stabilität, sprich Friedhofsruhe, zu sorgen. Überdies haben arabische Despoten immer wieder gezeigt, dass sie die von ihnen regierten Länder als ihr Privateigentum betrachten und lieber alles mutwillig zerstören, als ihre Posten zu räumen.

Dieses Szenario fürchtet man nun. Der Abnutzungskrieg des Regimes gegen die Demonstranten könnte zu einem Bürgerkrieg führen und das Land in einen failed state verwandeln. Syrien nimmt eine Schlüsselstellung im Nahen Osten ein, das ist auch den verbliebenen Alliierten Assads klar, die ihn deshalb umso solidarischer unterstützen. Kürzlich meldete der Fernsehsender al-Arabiya, sowohl iranische Revolutionsgardisten als auch Mitglieder der libanesischen Hizbollah hätten bei der Exekution von Deserteuren der syrischen Armee geholfen.

Ein Sturz Assads würde die bisherige iranische Nahost-Politik in Frage stellen, die Zukunft der Hizbollah hängt vom politischen Überleben ­Assads ab. Damit stellt sich jeder Demonstrant in Syrien, egal was seine persönlichen Motive sein mögen, faktisch gegen die wohl gefährlichste Allianz in der Region. Die todesmutigen Menschen auf den Straßen Syriens haben dem iranischen Hegemonialstreben größeren Schaden zugefügt als alle verhängten Sanktionen.

Sollte man im Iran allerdings zu der Überzeugung gelangen, dass Assad keine Zukunft hat, werden die dortigen Machthaber wohl alles unternehmen, um Syrien ins Chaos zu stürzen. Denn ein Bürgerkrieg ist für das iranische Regime immer noch eine bessere Option als ein stabiles System außerhalb seines Einflussbereichs. Entweder Assad oder das Chaos – dieser Drohung haben weder die USA noch Europa etwas entgegenzusetzen. Im Iran hingegen weiß man sehr genau, dass über die Zukunft des Nahen Ostens maßgeblich in Syrien entschieden wird.