Montag, 31.08.2020 / 12:12 Uhr

Proteste in Libyen richten sich auch gegen türkische Präsenz

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Die Proteste in der Haupstadt Tripolis richten sich auch gegen die Türkei, die auf Seiten der Einheitsregierung in den libyschen Bürgerkrieg verwickelt ist.

 

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Bildquelle: Ahval

 

In der libyschen Hauptstadt Tripolis eskalieren seit Tagen Proteste bei denen Tausende gegen die dort herrschende so genannte Einheitsregierung auf die Straße gehen und ihr vorwerfen, was Demonstranten Regierungen in der ganzen Region vorwerfen: Sie sei unfähig, korrupt und nicht in der Lage, auch nur die minimalsten Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu decken.

Die wiederum reagierte, wie Regierungen in der Region auf Proteste in der Regel reagieren: Mit Gewalt, Repressionen und der Verhaftung unliebsamer Journalisten. Außerdem verhängte sie eine Ausgangssperre, schließlich grassiert auch in Libyen Corona und auch wenn – mit Ausnahme Tunesiens – keine Regierung in der ganzen Region sich bislang in der Lage zeigt, die Pandemie auch nur halbwegs unter Kontrolle zu bekommen, nutzt doch jeder Autokrat das Virus, um unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Ob in Ägypten, wo das Sisi-Regime gegen kritische Mediziner vorgeht oder in Algerien, wo die Interimsregierung reihenweise Journalisten hinter Gitter bringen lässt.

Entsprechend rechtfertigte die libysche Regierung ihr Vorgehen als Maßnahme zum Infektionsschutz. Die allerdings zeigte wenig Erfolg und die Proteste gingen unvermindert weiter. Deshalb begannen bewaffnete Kräfte scharf zu schießen. Offenbar hatte Innenminister Fathi Bashagha Milizen zu Hilfe gerufen, eine Entscheidung, die selbst innerhalb der Regierung nicht gut ankam. Inzwischen wurde er vom Dienst suspendiert und eine Untersuchung angeordnet, wer auf wessen Befehl hin scharf geschossen habe.

Interner Machtkampf?

Bei dem Schritt könnte es sich um einen internen Machtkampf zwischen Premierminister Fayez Sarraj und seinem Innenminister handeln, der seine Macht vor allem auf die einflussreichen Milizen aus der Hafenstadt Misrata stützt. Schon warnt die UN vor „einer dramatischen Veränderung der Lage“ und ruft einmal mehr zum Dialog auf.

Die so genannte Einheitsregierung in Tripoli kontrolliert nur den Westen des Landes und ist auf die Unterstützung vor allem der Türkei und auch Katars angewiesen. Sie steht den Muslimbrüdern nahe und spielt in der aggressiven Neuausrichtung türkischer Außenpolitik im östlichen Mittelmeer eine zentrale Rolle. Zugleich ist sie für viele europäische Staaten ein wichtiger Partner in der Flüchtlingsbekämpfung. Alleine in den letzten Wochen wurden hunderte Flüchtlinge nach Libyen „rückgeführt“.

Ärger gegen Türkei

Die Massenproteste zeigen, wie prekär die Lage in Westlibyen ist, Demonstrationen fanden auch in Misrata und anderen Städten statt, und es scheint nicht so, als würden sich die Menschen auf der Straße mit Gewalt einschüchtern lassen. Ihr Unmut richtet sich nicht nur gegen die Regierung selbst, sondern immer wieder waren auch antitürkische Slogans zu hören. Besonders verärgert zeigten sich die Demonstranten über die unzähligen Söldner aus Syrien, die unter türkischem Kommando kämpfen und wohl aus libyscher Kasse gezahlt werden.

In Ankara dürfte man die Entwicklung mit großer Sorge verfolgen, schließlich befindet sich die Türkei in Libyen in offenem Konflikt mit Ägypten, Saudi Arabien und den Arabischen Emiraten, die alle General Haftar unterstützen, der weiterhin große Teile Ostlibyens kontrolliert und nach schweren militärischen Niederlagen gegen die überlegene türkische Drohnen und Luftwaffe auf Rache sinnt.

Überhaupt bleiben der Türkei gerade nur sehr wenige Verbündete in der Region und der wohl wichtigste ist ausgerechnet jene Regierung in Tripoli, die gerade in eine schwere Krise zu geraten scheint.

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch