Freitag, 12.01.2018 / 19:05 Uhr

Flüchtlingsgesicht

Von
Amed Sherwan

Neulich im Reformhaus, sage ich: „Können Sie mir sagen, wo ich den Zitronensaft finde?“ – Verkäuferin: „Geh‘ lieber rüber zu DM, da gibt es den viel billiger!“ 

Scheiße, wenn die wüsste, wie viel teure Lebensmittel ich dank meiner Beziehung zu einer bioüberzeugten Veganerin kaufe.

Letztens mit dem Vermieter: „Hast du viel Kontakt zu den Nachbarn?“ – Ich: „Nee, eigentlich gar nicht!“ – Er: „Oh, das ist bestimmt schwer für dich und ganz anders als im Iran, da gibt es ja viel mehr Kontakt untereinander!“ 

Erbil liegt nicht im Iran und ist eine Großstadt, wo man seine Nachbarn nicht kennt. Und ich habe gar keinen Bock auf nachbarschaftliche Kontakte.

An der Kasse im Supermarkt: Ich lege 20-Euro Guthabenkarte aufs Laufband und die Kassiererin weist mich freundlich und in lauten, einfachen Sätzen darauf hin, dass es auch 10-Euro Guthabenkarten gibt. Laute, deutliche Sätze und mitleidige Blicke sind immerhin besser als die skeptischen Blicke der Kaufhausdetektive.

Ich weiß nicht, wie oft ich auf meine Aussage, dass es mir nicht gut geht oder ich müde bin, gehört habe: „Oh ja, ich kann mir vorstellen, wie viel schlimme Sachen du erlebst hast, mit Krieg, dem IS und so.“

Ich war glücklicherweise noch nie im Krieg und die Geschichten aus Syrien und Afghanistan schockieren mich genauso wie alle anderen. Und selbst Kurdistan ist mir inzwischen so fremd geworden, dass ich mir nicht vorstellen kann, da irgendwann mal wieder zu leben.

Wenn mich Leute unterwegs fragen, wo ich herkomme, antworte ich ganz natürlich: „Flensburg!“ Nicht selten kommt dann die Frage: „Und wo kommst du wirklich her?“
Ich kann gut damit leben, schließlich habe ich nur 1/5 meines Lebens in Deutschland gelebt. Das ist zwar der wichtigste und prägendste Teil meines Lebens gewesen, aber ja, ich bin eingewandert.

Doch wie muss es sein für Leute, die mit Flüchtlingsgesicht in Deutschland geboren sind?