Montag, 18.06.2018 / 10:43 Uhr

Fanmeile und Repression

Von
Ewgeniy Kasakow

Den Kampf gegen die Einrichtung der Fameile in der Nähe des Campus haben die Studenten der Moskauer Staatlichen Universität (MGU) verloren. Jetzt kämpfen sie gegen die Repression.

 

Fanmeile

Die Fanmeile zur WM 2018. Dahinter: Das Gebäude der Lomonossow-Universität


Die Initiativgruppe der IGMSU, die vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft die Proteste gegen die Fanmeile organisiert hatte, erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Administration der Hochschule. Der Philologiestudent Dmitri Petelin, der auf einer Infotafel »Nein zur Fanmeile« geschrieben hatte, und wegen Vandalismus angezeigt worden war, kam zwar mit einer relativ geringen Geldstrafe davon, allerdings nur, weil sich Wiktor Sadownitschi, der Rektor der MGU, seines Zeichens Mitglied im Obersten Rat der Partei Einheitliches Russland, auf Druck der Protestierenden sich erfolgreich für die Einstellung des Verfahrens gegen Petelin einsetzte.

Laut einer Pressemitteilung der Initiativgruppe versuchen der Inlandsgeheimdienstes und die Polizei (Bezirksabteilung für innere Angelegenheiten in der MGU) mit Einverständnis der Universitätsverwaltung Informanten und Provokateure anzuwerben.

Am 12. Juni erzählte der Mathematiker Michail Lobanow von der unabhängigen Gewerkschaft »Universitätssolidarität« der oppositionellen Zitung Nowaja Gazeta, ein Mitarbeiter der Geheimdienste habe ihm Überwachungsfotos gezeigt und ihn über die Methoden der Flugblätterverbreitung befragt.

Andere Studenten und Dozenten, die sich an den Protesten beteiligt haben, berichten von weiteren Einschüchterungsmethoden. So sei Druck auf ihre Familien ausgeübt worden; die Security-Leute im Wohnheim und im Universitätsgebäude würden ihre Fortbewegung im Campus beobachten; wissenschaftliche Betreuer seien angehalten, die Behörden über das Verhalten ihrer Doktoranden zu informieren, sowie Studenten über das Verhalten ihrer Kommilitonen. Besonders betroffen sind diejenigen, deren Eltern oder Verwandte so genannte »Budschetniki« sind, also aus dem Staatsbudget finanzierten Arbeitsplätze haben. In mehreren Fällen wurde ihnen mit Konsequenzen gedroht.

Die Initiativgruppe wirft der offiziellen Studentengewerkschaft vor, den Kurs des Rektorats zu unterstützen. Auf der Website des studentischen Gewerkschaftskomitees sucht man in der Tat vergeblich nach Stellungnahmen zur Repression der Proteste, stattdessen geht es um Sport- und Freizeitangebote.

Laut der Initiativgruppe wurden persönlichen Accounts der protestierenden Studenten in sozialen Netzwerken gehackt, persönliche Daten veröffentlicht, sowie anonyme Postings, in denen  die Initiativgruppe in Verbindung mit Faschisten gebracht wird, neben  Behauptungen, wonach die Protestaktionen von »amerikanischen Stiftunge« finanziert seien.

Bereits in den ersten Tagen dieser WM scheinen sich die Befürchtungen der Gegner der Fanmeile bestätigt zuhaben. Am 14. Juni musste die Arbeit in mehreren Laboren der Universität unterbrochen werden. Ohne Vorwarnung mussten die Mitarbeiter mehrerer Fakultäten ihre Räume verlassen. Dabei ist das Hauptgebäude der MGU für viele nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch ein Wohnort. Dort sind Wohnheime und Professorenwohnungen untergebracht, insgesamt bietet das berühmte Hochhaus aus der Nachkriegszeit laut den Angaben der Protestierenden 6500 Menschen Unterkunft. Für einen Ansturm der Fußballfans sei die Infrastruktur nicht gerüstet, bereits die Bauarbeiten waren eine erhebliche Belastung.

Als einziges Entgegenkommen gegenüber den Protestierenden verfügte Alexei Sorokin, der Cheforganisator der WM, persönlich die Verringerung der Kapazität der Fanmeile. Doch laut der Initiativgruppe habe dies lediglich bewirkt, dass das Gelände ständig überfüllt sei und die Fans, die durch den Kontrolle nicht durchkommen, sich ihren Weg zur Public Viewing durch den Campus verschaffen.

Der Konflikt um die Fanmeile mit dem 140 Quadratmeter großen Bildschirm, deren Kosten nach den offiziellen Angaben um 669 Millionen Rubel betragen, könnte noch weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Im September finden in Moskau Bürgermeisterwahlen statt. Traditionell rechnen sich die oppositionellen Kräfte in Moskau bessere Chancen als in der Provinz aus. Doch bisher haben sich nur wenige Vertreter der Parteien in den Streit eingemischt. Aus der überregionalen Politik stellte sich vor allem der Duma-Abgeordnete der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), Waleri Raschkin noch im Vorfeld auf die Seiten der Protestierenden, doch es scheint bisher seine Einzelposition geblieben zu sein.