Donnerstag, 02.09.2021 / 13:17 Uhr

Süßer die Glocken nie klingen

Von
Jörn Schulz

Es ist geradezu erschreckend idyllisch. Die Sonne scheint auf die saftig grünen Wiesen und die Wälder, die sich bis ins Tal unter unserem Domizil erstrecken. Hinter dem Haus ragen Felsgipfel in die Höhe. Bei unserer Ankunft am gestrigen Abend war das einzige Geräusch der Klang von Glocken, geläutet von glücklichen Kühen, die uns begrüßen wollten. War die zuweilen etwas beengte Unterbringung bei manchen früheren Reisen Anlass zur Klage und Ursache von Augenringen (wann erfindet die Pharmaindustrie endlich eine Impfung gegen das Schnarchen?), so bietet unser geräumiges Domizil – übrigens einst das erste Frauenhotel der Schweiz – ausreichend Platz. Schön anzusehen ist es auch mit seinen Holzschnitzereien an Fassade und Balkons. Und allzu hinterwäldlerisch scheint es hier oben am Berg auch nicht mehr zuzugehen, zumindest müssen Bauern ihre Homosexualität nicht mehr geheim halten. Aber keine Sorge, wir werden die Widersprüche und dunklen Seiten schon noch finden.

Der erste Tag wird allerdings gemächlich angegangen, zumal einige technische Probleme wie das eigenwillige Steckdosenformat der Schweiz zu lösen sind und ein Auto-Team erst am frühen Morgen eintraf. Es ist ohnehin nicht ganz leicht, hierher zu finden, doch die Probleme der anderen – zeitweiliger Streik des Navi und bei den Bahnreisenden die Verspätung der Deutschen Bahn, ein ständiges Ärgernis für die pünktlichen Schweizer – waren vergleichsweise leicht zu bewältigen. Mehrere Stunden im Stau bei Leipzig zu verbringen, ist schon wesentlich ärgerlicher. Wenn dann noch in Thüringen ein Reifen platzt, sind gute Nerven gefragt. Aber unsere tapferen Redakteure haben sich durchgeschlagen, und wer auf der Anreise so viel Pech hat, kann hier sicherlich mit Glück rechnen.

Sie finden, das klingt esoterisch? Vielleicht ist das der Einfluss der Sterne, denen wir hier oben ja nicht nur etwas näher sind als in Berlin; mangels Lichtglocke kann man auch viel mehr sehen, und besonders hell erstrahlt Jupiter, dessen Konjunktion mit Saturn…. Aber auch hier gilt: Keine Sorge, wieder nüchtern, bleiben wir selbstverständlich der Vernunft und der Aufklärung verpflichtet.