Eine Wahl der besonderen Art
Syrien hat ein neues Parlament, hervorgegangen aus einer freien Wahl – der ersten in dem Land seit 1954. Eine Wahl, wie man sie sich gemeinhin vorstellt, war das allerdings nicht. Nicht die Volljährigen unter rund 23 Millionen Syrer gaben am 5. Oktober ihre Stimme ab, sondern 6.000 Wahlmänner und -frauen durften Kandidaten aus ihren Reihen wählen.
Die Öffentlichkeit bekam davon kaum etwas mit, Wahlplakate gab es keine. Nur eine Woche war für den Wahlkampf vorgesehen, der hinter verschlossenen Türen stattfand. Die lokalen Wahlmänner und -frauen, die sich zuvor bei einem staatlichen Ausschuss beworben hatten, trafen sich in Theatern, Bibliotheken, Schulen.
Moumena Arbou ist Ärztin aus Hama und eine der acht ins Parlament gewählten Frauen. Sie hatte während der Revolution 2011 in geheimen Krankenhäusern angeschossene Demonstranten behandelt.
Wie bei einem Open-Mic-Wettbewerb traten dort die Kandidaten auf die Bühne und versuchten sich erst einmal darin, eine Rede zu halten. Die Szene in einem Damaszener Kino beschreibt das New Lines Magazin: »Einige stammelten nervös durch ihren Text. Andere entwerfen weitreichende Visionen. Einer sprach von Kaufkraft, ein anderer vom Wiederaufbau nach dem Krieg. Ein Dritter beschwor die ungewisse Zukunft der Autonomieverwaltung im Nordosten Syriens.«
In den Tagen darauf formten sich Grüppchen, man diskutierte, wen man überzeugend und sympathisch fand, und verständigte sich darüber, welche Kandidaten die besten Erfolgsaussichten hätten. Am Ende zog sich die Mehrzahl der Kandidaten zurück, weil sie zu wenige Unterstützer hinter sich bringen konnten.
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