Gemeinsam gegen raumfremde Mächte

Multipolar rechtsextrem. Die AfD-Politiker Rainer Kraft, Tomasz Froelich, Jürgen Braun, Maximilian Krah, Roger Beckamp und Björn Höcke (v. l.)
Die AfD ist sich in außenpolitischen Fragen oft nicht ganz einig. Das zeigte sich einmal mehr nach dem israelischen Angriff auf das iranische Atomprogramm und dem darauffolgenden Eingreifen der USA. Tomasz Mariusz Froelich, Mitglied des EU-Parlaments für die AfD, kritisierte den »US-Kriegsinterventionismus«, der auch nicht dadurch besser werde, dass der US-Präsident Donald Trump heißt. Der Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah lobte hingegen Trumps »hohe Staatskunst«: »Deal wird kommen, Atombombe des Iran vermieden.«
Eher schmallippig fiel die am 18. Juni veröffentlichte Stellungnahme der Bundesvorsitzenden der AfD, Tino Chrupalla und Alice Weidel, aus, die eine einheitliche Position der Partei suggerieren sollte: Beide »rufen die Kriegsparteien zu Mäßigung« auf, hieß es dort, die größte Sorge scheinen »negative Auswirkungen des Nahostkonflikts wie Migrationsbewegungen oder Anschläge« zu sein.
Besonders das völkische Lager der AfD träumt vom Zusammenbruch der US-amerikanischen Hegemonie und einer »multipolaren Weltordnung«.
Das antiwestliche völkische Lager der AfD ist seit jeher um ein gutes Verhältnis zu autoritären Staaten bemüht – insbesondere zu Russland und dem Iran. Ausdruck fand diese Haltung unter anderem in der Reise einer offiziellen AfD-Delegation ins Syrien des Assad-Regimes im Jahr 2019. Im syrischen Bürgerkrieg unterstützte nicht nur Russland den Diktator, sondern mehr noch die Islamische Republik Iran – mit Waffenlieferungen und durch die Entsendung von Truppen und das Eingreifen von proiranischen Kräften wie der Hizbollah.
2022 leitete der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp eine Delegation, die in der Berliner Botschaft des Iran, so ein Bericht der Welt, über »das Atomabkommen, den Handel mit dem Iran und mögliche Gaslieferungen« sprach. Bereits 2018 schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer aus Anlass von landesweiten Protesten gegen das Regime im Iran auf Twitter: »Lieber ein stabiles Mullah-Regime als ein zweites Syrien mit Hunderttausenden Toten und Millionen Flüchtlingen.«
Sympathie für die autoritäre Theokratie
Diese Sympathie für die autoritäre Theokratie hat ideologische Grundlagen. Besonders das völkische Lager der AfD träumt vom Zusammenbruch der US-amerikanischen Hegemonie und einer »multipolaren Weltordnung«. Diese soll nach dem Primat der jeweiligen Regionalmächte organisiert sein, nach Carl Schmitt soll es ein »Interventionsverbot raumfremder Mächte« geben, universelle Normen wie etwa Menschenrechte oder Demokratie sollen keine Rolle spielen. Der Iran eignet sich ideal als Identifikationsobjekt für diese antiliberale und antiwestliche Grundhaltung – und dass die Vernichtung Israels Kernbestandteil der iranischen Staatsideologie ist, scheint kein grundlegendes Hindernis darzustellen.
Der Vorreiter dieses völkischen Lagers ist der Thüringer AfD-Co-Vorsitzende Björn Höcke. Der hatte im Oktober 2022 nach der russischen Großinvasion der Ukraine in einer Rede gesagt, Putin habe damit »nach langem Zögern hart und konsequent auf die Offensive einer fremden Macht reagiert« – nämlich die der USA, die in Europa eine »raumfremde Macht« seien und ein deutsch-russisches Bündnis verhindern wollten. Er selbst stehe klar auf der Seite des »Ostens«, also Russlands.
Es gibt allerdings auch ein Lager in der AfD, das sich selbst als eher prowestlich versteht und auch das iranische Regime ablehnt. In einem Gastbeitrag auf dem rechtspopulistischen Nachrichtenportal Apollo News warb kürzlich der bayerische AfD-Bundestagsabgeordnete Rainer Kraft (der auch Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet) um Verständnis für das militärische Vorgehen Israels: »Der Iran strebt die Atombombe an – im Einklang mit seiner Staatsdoktrin, Israel und den Westen zu vernichten. Israel fühlt sich zu Recht akut bedroht.«
»Betrogene Hoffnung«
Auch der ehemalige Vorsitzende des AfD-Landesverbandes Bayern und heutige Europaabgeordnete Petr Bystron vertritt schon lange eine dezidiert kritische Linie gegenüber dem Mullah-Regime. Auf X teilte er kürzlich einen Beitrag, der positiv auf eine vermeintlich aufflammende regimekritische Aufstandsbewegung Bezug nimmt. 2020 lud Bystron zusammen mit dem AfD-Abgeordneten Jürgen Braun iranische Oppositionelle in den Bundestag ein.
Das Online-Medium Nius versucht gerade, dieses Lager in der Partei zu stärken. In einer Ausgabe des Videoformats »Nius Live« konnte Rainer Kraft Gelegenheit seine Position vertreten. In die entgegengesetzte Richtung steuern hingegen das verschwörungsideologische Magazin Compact und sein Umfeld. Die Zeitschrift kündigte nach der US-amerikanischen Bombardierung iranischer Atomanlagen an, die bisher im Online-Shop vertriebenen »Trump-Medaillen« nun einzuschmelzen – »aus betrogener Hoffnung«. Zugleich unterstellte der Chefredakteur dem AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah wegen seines Lobs für Trump und den US-Angriff auf den Iran, »in der falschen Partei« zu sein.
Im antiwestlichen Lager plädierte Björn Höcke: »Deutschland zuerst!« Ein »Bekenntnis für die eine oder andere Seite« sei nicht unbedingt notwendig, stattdessen warnte er davor, die Partei durch Streit über außenpolitische Themen zu spalten.
Was beide Lager hinsichtlich ihrer Haltung zum iranischen Regime eint, ist ein instrumenteller Blick auf den Konflikt und alle Beteiligten – und die Betonung deutscher Interessen oder was man dafür hält. Beatrix von Storch plädierte in einem Post auf X vom 18. Juni dafür, »nationale Interessen zu definieren« – zu diesen zählt sie unter anderem, dass »mögliche Flüchtlingsströme« in der Region bleiben müssten, also nicht nach Europa gelangen dürften. Im antiwestlichen Lager plädierte Björn Höcke: »Deutschland zuerst!« Ein »Bekenntnis für die eine oder andere Seite« sei nicht unbedingt notwendig, stattdessen warnte er davor, die Partei durch Streit über außenpolitische Themen zu spalten.
Die gesamte Partei in Bezug auf die Iran-Politik hinter dem Schlagwort »Deutschland zuerst« zu sammeln, gelingt jedoch offenbar nicht. Welche Haltung sich durchsetzen kann, ist fraglich, wobei das antiwestliche Lager zu dominieren scheint, sowohl in den mächtigen ostdeutschen Landesverbänden als auch im publizistischen Umfeld der Partei. Nur eines kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen: dass sich die AfD für eine menschenrechtsorientierte Iran-Politik einsetzen wird, die auf demokratische Verhältnisse im Iran und dauerhafte Sicherheit Israels zielt, statt auf Handelsvorzüge für deutsche Industrieunternehmen, die Verwirklichung geopolitischer Phantasien und vor allem auf die Flüchtlingsabwehr.