08.05.2025
Der Widerspruch zwischen dem Entstehen der neuesten News und dem wöchentlichen Erscheinen Ihrer Lieblingszeitung

Homestory #19/2025

Warum nur halten weltpolitische Ereignisse und das politische Fiasko eines Sauerländers sich so selten an den Redaktionsschluss einer kleinen linken Wochenzeitung?

Die Spannung steigt ins Unermessliche – und das Woche für Woche, immer wieder dienstags. Denn, wenn die Deadline a. k. a. der Redaktionsschluss naht, stellt sich in Ihrer Lieblingszeitung stets die bange Frage: Schaffen es die unermüdlichen Redakteurinnen, Layouter und Lektorinnen, auf den letzten Drücker die neuesten News in die Ausgabe zu hieven, die Ihnen dann gedruckt den Tag versüßt?

Mit Entsetzen erinnern sich einige aus dem Auslandsressort an den allwöchentlichen Stress, der mit dem sogenannten Brexit verbunden war. Regelmäßig fällte das britische Parlament oder die britische Regierung die entscheidenden – ähemm – Entscheidungen am Dienstagnachmittag. Woche für Woche verbrachte man dann Stunde um Stunde mit Updates, Updates und nochmal Updates zu dem Thema, das schon an sich komplett plemplem war und dann auch noch für dramatische Hektik in den letzten Arbeitsstunden sorgte, in denen man sich eigentlich allmählich auf den wohlverdienten Feierabend vorbereiten sollte.

Schaffen es die unermüdlichen Redakteurinnen, Layouter und Lektorinnen, auf den letzten Drücker die neuesten News in die Ausgabe zu hieven, die Ihnen dann gedruckt den Tag versüßt?

Diese Woche ist es wieder besonders dramatisch, wenn auch aus innenpolitischen Gründen. Musste Merz am Dienstagvormittag unbedingt seine Wahl zum Kanzler vergeigen? Und hätte es nicht ausgereicht, den nächsten Wahlgang in – sagen wir mal – ein oder zwei Wochen aufzuführen? Wer braucht schon Kanzler? Aber nein, da geht man mit der Brechstange ran und terminiert den nächsten Wahlgang auf den Dienstagnachmittag. Möglichst spät natürlich, als wollte man die gesamte Jungle-Redaktion gezielt zum Narren halten.

Eine Faustregel für umgeplante Ausgaben und späte Updates scheint so zu lauten: Je größer die Schurkerei, desto mehr hassel für die Redaktion. Erinnert sich beispielsweise noch jemand an den großen russischen Söldnerführer Jewgenij Prigoschin? Es musste natürlich ein Samstag sein, den seine Gurkentruppe im Juni 2023 nutzte, um ihren großartigen Marsch auf Moskau aufzuführen.

In die Tonne treten

Was bleibt einer superprofessionell agierenden Redaktion dann anderes übrig, als sich das Wochenende um die Ohren zu schlagen und die nächste Ausgabe neu zu planen? Man will ja nicht rauskommen und überhaupt nichts über die potentielle Einnahme der russischen Hauptstadt durch einen überaus vertrauenerweckenden Söldnerhaufen berichten. Ähnliche Probleme bescherte das abscheuliche Gemetzel vom 7. Oktober, das ebenfalls an einem Samstag stattfand.

Aber auch hier gilt: Schlimmer geht immer. So war es bei 9/11. Das fand nach der Deadline, doch vor Erscheinen der neuen Ausgabe statt. Die konnte man dann, allen Mühen der superprofessionellen Redaktion zum Trotz, getrost in die Tonne treten.