Das Erbe des Kapitalozäns
Technofossilien – das klingt nach DJs, die ihre große Zeit in den Neunzigern hatten. Tatsächlich bezeichnet der Begriff allerdings all jene Spuren von Zivilisationsabfällen, die sich bis in fernste Zukunft erhalten werden.
Ob sich in, sagen wir, hundert Millionen Jahren das eine oder andere funktionsfähige Nokia 3310 mit vollem Akku in den Erdschichten finden lassen wird, in die unsere Gegenwart abgesunken sein wird, sei dahingestellt. Allgemein ist fraglich, ob sich größere Artefakte des Industriezeitalters überhaupt so gut erhalten werden, wie man angesichts der Müllberge vermuten könnte.
Die US-amerikanischen Forscher Adam Frank und Gavin Schmitt, die 2018 die sogenannte Silurianer-Hypothese aufstellten, kommen zu dem Schluss, dass eine weit vor der Menschheit existierende Zivilisation kaum direkte Spuren hinterlassen hätte, die man heutzutage noch nachweisen könnte; eher schon müsse man nach Markern wie Klimadaten oder chemischen Anomalien suchen. (Namensgebend für ihre These ist übrigens eine Spezies aus der Sci-Fi-Serie »Doctor Who«, die Hunderte Millionen Jahre in unterirdischer Hibernation verbracht hat.)
Spoiler: Auch indirekte Hinweise auf autofahrende Silurianer oder die Verwendung von Kunstdünger durch hochintelligente Dinosaurier wurden bisher nicht gefunden. Dennoch ist das Ganze kein akademisches Rumgealber, sondern zielt natürlich auf die Frage, was wohl die derzeitige Gesellschaft der Nachwelt vermachen wird.
In ein paar Millionen Jahren wird niemand mehr wissen, wer Sven Väth war, aber immerhin wird man vermuten können, was er gegessen hat.
In dieser Hinsicht haben die Paläobiolog:innen Sarah Gabbott und Jan Zalasiewicz bessere Nachrichten als ihre Kollegen – zumindest für Lebensformen kommender Erdzeitalter, die nach Hinterlassenschaften der Menschheit suchen. In ihrem gerade erschienenen Buch »Discarded: How Technofossils Will be Our Ultimate Legacy« zählen sie eine Reihe von Dingen auf, die es für die posthumane Paläontologie zu entdecken geben wird: Kleidung aus Kunstfasern etwa, die dank fast fashion tonnenweise auf den Müllkippen landet, oder das allgegenwärtige Aluminium. Das Metall korrodiert zwar mit der Zeit, jedoch deutlich langsamer als etwa Eisen. So haben Bierdosen und Einweggrills gute Chancen, sich zumindest als Abdrücke zu erhalten.
Und dann gibt es da noch eine Hinterlassenschaft, an die man bei dem Wort »Technofossilien« nicht unbedingt denkt, die aber so charakteristisch für unsere Lebenswelt ist, dass die Autor:innen sie mit aufzählen: Hühnerknochen samt der für Turbozucht typischen Deformationen, die sich dank ihrer schieren Menge in ausreichender Zahl erhalten werden, um Schlüsse auf das Kapitalozän zu erlauben. In ein paar Millionen Jahren wird also zwar niemand mehr wissen, wer Sven Väth war, aber immerhin wird man vermuten können, was er gegessen hat.