21.03.2025
Peru will die Kontrolle über NGOs verschärfen

Parlament contra NGOs

In Peru hat das Parlament einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Kontrolle über die NGOs verschärft. Sie sollen fortan reguliert werden wie in Russland, Nicaragua oder Venezuela.

Es war ein schwarzer Tag für die peruanische Zivilgesellschaft. Am Donnerstag voriger Woche verabschiedete der Kongress, das Einkammerparlament des Landes, mit 81 zu 16 Gegenstimmen einen Gesetzentwurf, der vorsieht, die Kontrolle über NGOs zu verschärfen. Seit den Wahlen 2021 halten rechte Parteien eine Mehrheit im Kongress. Die linke Tageszeitung La República schrieb, die Abgeordneten hätten die NGOs »konfisziert«, sie unter Kontrolle gebracht.

Die umstrittene Gesetzesreform ermächtigt die peruanische Agentur für internationale Zusammenarbeit (APCI), die Gelder, die NGOs erhalten, sowie deren Verwendung zu überwachen. Zudem sieht der Gesetzentwurf die Unterstützung von Klagen gegen den peruanischen Staat als »schwere Straftat« an. NGOs, die Kläger finanziell oder beratend unterstützen, drohen zukünftig hohe Geldstrafen oder gar Auflösung. In Fällen von Menschenrechtsverletzungen werde das zu Straflosigkeit führen, schreibt La República. Die NGOs haben hier eine wichtige Rolle eingenommen, die Verfassungsrechte der am stärksten gefährdeten Bürger zu schützen, die selbst nicht über die finanziellen Mittel für Klagen verfügen. Gloria Cano von der Menschenrechtsvereinigung Human Rights Association warnt, dass derzeit 7.000 Menschen von den Folgen betroffen wären, sollte der Entwurf zum Gesetz werden.

Zwei Wochen hat die Regierung nun Zeit, den Gesetzentwurf zu verabschieden oder mit Änderungsvorschlägen an den Kongress zurückzugeben. Wie sich die Interimspräsidentin Dina Boluarte dazu stellen dürfte, machte sie schon vor der Abstimmung deutlich: Es könne nicht sein, sagte sie, dass unter dem Deckmantel der Menschenrechte die Autorität des Staats untergraben und der Rechtsstaat delegitimiert werde.

Der Gesetzentwurf sieht die Unterstützung von Klagen gegen den peruanischen Staat als »schwere Straftat« an. Beteiligten NGOs sollen zukünftig hohe Geldstrafen oder Auflösung drohen.

Seit der Inhaftierung des abgesetzten Präsidenten Pedro Castillo im Dezember 2022 regiert die vormalige Vizepräsidentin das Land, hat aber Umfragen zufolge nur die Zustimmung von drei Prozent der Wähler:innen. Zudem ermittelt die Justiz gegen Boluarte wegen des Todes von 49 Demonstrant:innen im Zeitraum von Dezember 2022 und Januar 2023. Diese waren von Polizei und Militär bei den Protesten nach der Festnahme von Pedro Castillo vor allem im Süden des Landes, in Städten wie Puno, Cusco oder Arequipa, erschossen worden – zum Teil durch Schüsse in den Rücken. Dafür werden Boluarte, aber auch die Führung von Armee und Polizei verantwortlich gemacht.

Amnesty International hat im Juli 2024 eine detaillierte Analyse der Ereignisse vorgelegt, die in Peru für Aufregung sorgte. »Die Hinweise für die direkte Verantwortung von Dina Boluarte und der militärischen und polizeilichen Führungsspitze sind deutlich und schlüssig«, meinte Jennie Dador von der Nationalen Menschenrechtskoordination CNDDHH. Doch der Wirbel hielt nicht lange an, denn die unbeliebte Interimspräsidentin hat den Rückhalt des Parlaments.

Klientelismus und Korruption

Dieses wird von der korrupten Fujimori-Fraktion, den Anhängern des ehemaligen diktatorisch regierenden Präsidenten Alberto Fujimori dominiert. Dessen Tochter Keiko Fujimori ist die Vorsitzende der stärksten Partei im Parlament, der rechtspopulistischen Fuerza Popular, die mit anderen rechtskonservativen, aber auch extrem rechten Parteien zusammenarbeitet. Obwohl Keiko Fujimori bei den vergangenen drei Präsidentschaftswahlen scheiterte, hat sie sich de facto zur mächtigsten Frau des Landes aufgeschwungen. Weder sie noch ein Mitglied ihrer Partei gehört dem Kabinett an, allerdings kontrolliert sie mit ihren Allianzen das Parlament und sorgt für Mehrheiten. »Die Legislative führt die Exekutive an der Leine und versucht, die Judikative mehr und mehr unter Kontrolle zu bekommen«, urteilen Experten wie die Juristin Mirtha Vásquez, die 2021 bis 2022 Ministerpräsidentin unter Pedro Castillo war.

»Mehr als 50 Gesetze sind in den letzten 36 Monaten modifiziert worden, wodurch beispielsweise der Holzeinschlag im Regenwald, der illegale Bergbau, der Kokaanbau, aber auch die Kommerzialisierung der Bildung groteske Formen angenommen hat«, meint Dador. Die Novellierung von Gesetzen und Verfassungsbestimmungen geht vor allem auf Keiko Fujimori zurück, die die parlamentarische Mehrheit hinter sich hat und deren Politik durch Klientelismus und Korruption bestimmt ist.

Der Ausbau des von China kontrollierten Hafens Chancay ist ein Beispiel dafür; dort wurde ein Megaprojekt über die Köpfe der lokalen Bevölkerung hinweg durchgedrückt, ohne dass staatliche Institutionen Mitspracherechte oder gar Weisungsbefugnisse hätten. »Die Neufassung von Gesetzen hat das erst ermöglicht und nun entscheiden allein die Chinesen, wie gearbeitet, wie und was umgeschlagen wird«, so Alejandro Chirinos von der NGO Cooperacción. Die renommierte Organisation gehört zu den für die Regierung unbequemen NGOs im Land. Sie hat mit viel Expertise etliche Bergbaukonflikte begleitet, die fehlende Partizipation der lokalen Bevölkerung angeprangert und auch die Kontaminierung von Wasserquellen nachgewiesen. Während die großen NGOs wie Cooperacción oder das Instituto de Defensa Legal, eine juristische Hilfsorganisation, auf das Anti-NGO-Gesetz verhältnismäßig gut vorbereitet sein dürften, ist davon auszugehen, dass es bei vielen kleinen NGOs deutlich schlechter aussieht.

»Rassistische und extrem klassistische Elite«

Etliche Organisationen der Indigenen hatten ihre Hoffnungen auf Pedro Castillo gesetzt. Anfang März hat gegen den 55jährigen der Prozess wegen Rebellion, schweren Amtsmissbrauchs und Störung der öffentlichen Ordnung begonnen. Castillo, der sich zu Unrecht angeklagt sieht, war vergangene Woche für vier Tage aus Protest gegen seinen laufenden Prozess in Hungerstreik getreten. Das Gericht teilte am Donnerstag vergangener Woche mit, dass er wegen eines »Gesundheitsproblems« in ein Krankenhaus verlegt worden sei, um eine Dehydrierung auszuschließen.

Die Staatsanwaltschaft fordert 34 Jahre Haft für Castillo, der wie kaum ein anderer Präsident von der politischen Rechten angefeindet und attackiert wurde. Im Dezember 2022 wollte Castillo, dessen 18 Monate Amtszeit von Kabinettsumbildungen und schlechten Personalentscheidungen sowie teilweise dubiosen Beschlüssen geprägt waren, einem Amtsenthebungsverfahren des von Keiko Fujimori dirigierten Parlaments zuvorkommen. In einer im Fernsehen übertragenen Rede erklärte er seine Absicht, das Parlament aufzulösen und per Dekret zu regieren. Das wertet die Staatsanwaltschaft als Rebellion; Castillo entgegnete vor Gericht, er habe lediglich »die Wünsche des Volks in einer Rede zum Ausdruck gebracht«.

Anhänger betonen, dass die Rechten Castillo nie hätten regieren lassen. »Von Beginn an hat man sich lustig gemacht über ihn. Wir haben eine rassistische und extrem klassistische Elite in Peru«, kritisiert Sofia Bacilio, die eine Organisation von Hausangestellten leitet. Schlecht beraten sei Castillo gewesen, habe, wie so oft in Peru, Vetternwirtschaft betrieben und etliche Wahlversprechen nicht erfüllt; zudem habe die blutige Niederschlagung der Proteste gegen den Sturz Castillos allgemein zu Angst und Verunsicherung geführt. »Hier traut sich kaum jemand zu Protesten gegen diese Regierung auf die Straße – 49 Tote und Hunderte Verletzte schrecken ab«, meint Bacilio.